Mülheim. Lärm, Parkplatznot: Seit Jahren ist der Dickswall eine Baustelle, zum Ärgernis der Anwohner. Wieso Unternehmer sogar um ihre Existenz bangen.

Zentral gelegen bildet der Dickswall eine der Hauptverkehrsrouten der Stadt, wird gerade durch Pendelnde von und nach Essen frequentiert. Seit 2020 ist die Straße eine Dauerbaustelle. Im Zuge der Renaturierung des Rumbachs werden Altrohre saniert oder gar komplett erneuert. Die Kanalarbeiten sind aufwendig und sollen noch bis 2024 andauern. Für viele Anwohner ist aber schon jetzt ihre Grenze der Geduld erreicht.

Derzeit läuft der dritte Bauabschnitt der Arbeiten, betroffen ist der Abschnitt zwischen der Althofstraße und dem Dickswall Hausnummer 66. Auf dieser Höhe wohnt auch ein Anwohner, der anonym bleiben möchte, sich durch die Baustelle mittlerweile aber massiv eingeschränkt fühlt. Angefangen beim Lärm: „Tagsüber kann man sich eigentlich nicht mehr in seiner Wohnung aufhalten“, erklärt der Mann. Phasenweise, führt er aus, komme es sogar vor, dass auch nachts gearbeitet werde. „Von zu Hause aus zu arbeiten, ist für mich aktuell undenkbar.“

Stadt Mülheim: Gesetzliche Vorgaben wurden stets eingehalten

Eine Nachbarin, die mit ihrem Mann und den zwei Kindern im gleichen Mehrparteienhaus wohnt, bestätigt diesen Eindruck. „Meistens geht es gegen 7 Uhr los, die Reflektoren strahlen total hell in die Wohnung.“ Immer wieder, berichten die beiden Nachbarn, komme es zu erdbebenartigen Erschütterungen, „da wackelt das Geschirr im Schrank!“

Einspurig in beide Fahrtrichtungen: Wer den Dickswall überqueren will, sollte gerade zur Hauptverkehrszeit viel Geduld mitbringen.
Einspurig in beide Fahrtrichtungen: Wer den Dickswall überqueren will, sollte gerade zur Hauptverkehrszeit viel Geduld mitbringen. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Wo gehobelt wird, da fallen auch Späne, könnte man nun streng genommen erwidern. Die Stadt zumindest sagt auf Nachfrage: „Jede Baustelle führt leider zu Beeinträchtigungen. Diese wurden so gering wie nur möglich gehalten.“ Zeitweise sei es auch zu Lärmbelastungen im Zusammenhang mit der Baustelle gekommen, räumt die Pressestelle ein – man habe sich aber stets an gesetzliche Vorgaben gehalten und die Anwohnerschaft über die anstehenden Arbeiten und zu erwartenden Einschränkungen informiert.

Die beiden anonymen Anwohner sehen das anders. Immer wieder komme es vor, dass sie beim Gang vor die Haustür neue Einschränkungen feststellten. „So wie neulich, als die Fußgängerampel plötzlich nicht mehr da war und ich mit meiner Tochter auf dem Schulweg einen großen Umweg um die ganze Baustelle gehen musste“, erzählt die zweifache Mutter. Zwischenzeitlich habe sie mit ihrem Mann schon einen Umzug erwogen, „aber das macht man ja auch nicht mal eben so“.

Dickswall Mülheim: Parkstreifen wurde zu Fahrbahn

Aktuell besonders schwierig: die Suche nach einem Parkplatz. „Die Parksituation ist mit Wegfall des Parkstreifens untragbar geworden“, sagt der Anwohner. Er selbst habe in der Kalkstraße einen Stellplatz für 40 Euro im Monat angemietet, „die Möglichkeit hat aber vielleicht nicht jeder“. Die Stadt erklärt dazu: „Durch die Baumaßnahme ist öffentlicher Parkraum eingeschränkt worden. Für die Anwohner, die in den Höfen privaten Parkraum haben und deren Zuwegung erschwert war, wurden kostenfrei Ersatzparkplätze im Forum zur Verfügung gestellt.“ Davon wissen die beiden Nachbarn nichts, sagen sie.

Geht es für die privaten Anwohner um schlichte Ärgernisse, die den Alltag erschweren, kämpfen gewerbliche Anlieger durch die Einschränkungen der Dauerbaustelle teilweise um ihre Existenz. So berichtet Angelo Barletta, Sohn des Betreibers der Pizzeria „Don Camillo“, von extremen Umsatzeinbußen. Laufkundschaft gebe es kaum noch, mal eben mit dem Lieferwagen vor der Pizzeria zu halten, sei nahezu unmöglich geworden. „Wenn wir auf dem Bürgersteig halten, kommen der Postbote auf dem Fahrrad oder Eltern mit Kinderwagen nicht vorbei“, erklärt der Gastronom. „Wir parken dann meistens etwas weiter weg, aber das macht unsere Arbeit nicht gerade einfacher.“ Mit Blick darauf, dass die Rumbach-Bauarbeiten noch bis 2024 laufen sollen, sagt Barletta: „Lange wird es für uns hier so nicht mehr weitergehen.“

Park- und Halteverbot vor der Pizzeria „Don Camillo“: Für den Betreiber ist die Dauerbaustelle zur Umsatzeinbuße geworden.
Park- und Halteverbot vor der Pizzeria „Don Camillo“: Für den Betreiber ist die Dauerbaustelle zur Umsatzeinbuße geworden. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Mülheimer Gastronom fürchtet um seine Existenz

Wenige Häuser weiter betreibt Friedhelm Sperlich seine Fahrschule. Neben der Geräuschkulisse, die nicht selten seinen Theorieunterricht erheblich störe, seien „die Parkplatzsorgen extrem“. Zum Fuhrpark der Fahrschule zählen drei Wagen, die derzeit in den Seitenstraßen abgestellt werden, mit Parkticket – eine Notlösung, die auf Dauer ins Geld geht. „Ein weiteres Problem ist, dass sich unsere Prüfungszeiten verzögern“, so Sperlich. „Wir starten die Fahrten hier von der Fahrschule aus. Aber durch die Baustelle geraten wir oft in Verzug.“

Seine Fahrschulautos muss Friedhelm Sperlich in den Nebenstraßen des Dickswalls parken – und ein Ticket ziehen.
Seine Fahrschulautos muss Friedhelm Sperlich in den Nebenstraßen des Dickswalls parken – und ein Ticket ziehen. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Auf die Anmeldezahlen habe sich das zwar bislang nicht ausgewirkt, unzufrieden sei der Fahrschulbetreiber dennoch. „Was ich nicht verstehe: Wieso wird die Fahrbahn aufgerissen, obwohl sie schon neu gemacht worden ist?“ Auch darauf liefert die Stadt eine Antwort: „Da die Baustelle mehrfach über die verschiedenen Seiten des Dickswalls gewandert ist, mussten mehrfach provisorische Fahrbahnen neu erstellt werden.“ Das sei der Lage der Verrohrung geschuldet. „Nur so konnte gewährleistet werden, dass der Verkehr während der Bauzeit reibungslos abfließen kann.“

Mit dem aktuellen Bauabschnitt liege man vor dem Zeitplan. Im Mai 2023 soll er beendet sein. Dann folge auf dem Dickswall die Verlegung von Leitungen und eine umfassende Erneuerung der Straße.

>>> Renaturierung des Rumbachs

  • Der Rumbach verläuft ab der Walkmühle in einer Verrohrung unter dem Dickswall und der Innenstadt. Er mündet unmittelbar in die Ruhr. „Die alte Verrohrung war einsturzgefährdet und nach heutigen Erkenntnissen nicht mehr ausreichend dimensioniert“, so die Stadt.
  • Im Zuge der Arbeiten werden Altrohre saniert und andere Rohre ganz erneuert. Im vierten von insgesamt zwölf Bauabschnitten auf Höhe der Walkmühle gibt es laut Stadt die Option einer Teilrenaturierung. Wann genau die Arbeiten 2024 beendet sein werden, ließe sich aktuell noch nicht genau sagen.