Mülheim. Über 25 Jahre lang schaffte Pia-Chef Frank Schellberg Jobs für Menschen, die keine Arbeit hatten. Zur Insolvenz sagt er: „Das geht mir ans Herz.“
Lange Zeit hüllte sich Frank Schellberg in Schweigen, äußerte sich in der heißen Phase des laufenden Insolvenzverfahrens nicht oder vertröstete auf unbestimmte Zeit. Nun, nachdem die Verhandlungen mit Interessenten abgeschlossen sind und klar ist, wie viele Jobs der Pia-Stadtdienste gGmbH erhalten bleiben, tritt der 61-Jährige an die Öffentlichkeit. In einem offenen Bürgerbrief sowie im Gespräch mit der Redaktion offenbart Schellberg, wie er die Insolvenz wahrgenommen hat, was er sich gewünscht hätte und wie es für ihn persönlich nun weitergeht.
„Vor 25 Jahren bin ich angetreten mit der Überzeugung, dass arbeitslose Menschen Leistungsträger sein können“, schreibt Schellberg in dem Brief, mit dem er sich an Mülheims Bürgerinnen und Bürger wendet. Die Pia-Stadtdienste sind vielen Menschen der Stadt in ihrem Wirken vertraut, wenngleich nicht unbedingt in Verbindung mit ihrem Namen bekannt. „Wir haben Lücken gefüllt, wo wir welche gesehen haben“, sagt der Sohn eines Pastors und liefert ein Beispiel gleich mit: „Ich war mit meinen Kindern oft im Witthausbusch und irgendwie hat uns immer gestört, dass es keine Toilette oder ein Büdchen gab.“ Das war, so gesehen, die Geburtsstunde des Kiosks im Arche-Park, eine beliebte Anlaufstelle.
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Mülheimer Pia musste sich vor Rechnungsprüfungsamt verantworten
Dabei hat die Paritätische Initiative für Arbeit (Pia) nicht nur schöne Zeiten hinter sich. Wie etwa vor der Insolvenz noch 2019. Damals wurde bekannt, dass das Rechnungsprüfungsamt festgestellt hatte, dass über einen Zeitraum von 14 Jahren 391.500 Euro städtischer Gelder an die Pia geflossen sind, ohne dass die Stadtverwaltung den Nachweis für entsprechende Gegenleistungen erbringen konnte. Das Projekt „Mülheim mobil“ war es, für das die Pia jährlich 29.000 Euro erhielt, Ziel war Öffentlichkeitsarbeit für eine intensivere Nutzung des ÖPNV.
Das Rechnungsprüfungsamt kritisierte seinerzeit, dass im städtischen Amt nicht kontinuierlich geprüft worden sei, „ob überhaupt, welche und in welcher Qualität von Pia Leistungen erbracht wurden“. Frank Schellberg gestand damals ein, das Fehlen der Dokumentation übersehen zu haben. „Vielleicht ist es uns im Projekt nicht immer nach Punkt und Komma gelungen, wie es in der Vereinbarung stand“, sagte er 2019. Dennoch: Man habe für das Projekt gearbeitet, auch fünf bis zehn Stellen geschaffen.
Diese sind, wie der Großteil der zuletzt rund 120 Stellen bei der gGmbH, Geschichte. 34 Stellen konnten im Laufe des Insolvenzverfahrens, das Juristin Tanja Bückmann als Verwalterin betreut hatte, erhalten bleiben. Auch wenn Schellberg sagt, er habe seinen „Frieden damit gemacht“, wirkt er dennoch bewegt. „Ich habe immer den Menschen gesehen. Und ja, ich hätte mir mehr Unterstützung gewünscht.“ Er wolle zwar kein Feuer schüren, aber es sei ein Stich gewesen, als die Stadt zwar ihre Unterstützung zugestand, aber auch einräumte, als Stärkungspakt-Kommune an dieser Stelle nur beschränkt handlungsfähig zu sein.
Mülheimer Ex-Chef der Pia-Stadtdienste will erst mal eine Auszeit nehmen
„Ich bedauere, dass der aktuelle Zeitgeist und die aktuell verfolgten Ansätze diese Projekte nicht weiter möglich machen. Ich bedauere, dass der Weg in die Insolvenz nicht zu verhindern war“, schreibt Schellberg in seinem offenen Brief, in dem er sich bei zahlreichen Akteurinnen und Akteuren bedankt. „Insbesondere bedauere ich, dass viele engagierte Mitarbeitende ihren Arbeitsplatz verloren haben.“ Seit jeher sei es seine Motivation gewesen zu zeigen, „dass die einfache Gleichung ,langzeitarbeitslos = nicht leistungsfähig’ so nicht aufgeht“. Menschen aus der Arbeitslosigkeit seien nicht eine „Ansammlung von Vermittlungshemmnissen“, vielmehr steckten in ihnen oft echte Leistungsträger.
Man mag es nun Ironie des Schicksals nennen, das derjenige, der sich jahrzehntelang für die einsetzte, die ohne Arbeit waren, es nun selbst ist. „Aber das ist in Ordnung“, sagt Frank Schellberg. „Natürlich ist das nicht einfach. Das geht mir ans Herz und das nimmt mich mit. Aber ich bin optimistisch.“ Seine unerwartet gewonnene Freizeit will der 61-Jährige für eine Auszeit nutzen. Seine Enkel besuchen, verreisen, aber auch in Mülheim weilen. „Und dann will ich mir einen Job suchen. Für mich ist das immer mehr als ein Muss gewesen. Arbeit ist lebenswert.“