Mülheim. In einem Mülheimer Viertel laufen Ratten um die Häuser. Der Vermieter lässt sie vom Fachmann bekämpfen, legt die Kosten um. Ist das rechtens?
Die Häuser an der Engelbertusstraße wirken gepflegt, die Fassaden sauber. Die Hecken sind gestutzt, dahinter stehen die Mülltonnen in Reih und Glied, grau, grün, einige mit gelbem Deckel. Ausgerechnet hier soll es immer wieder Probleme mit Ratten geben, die rund um die Gebäude und die Abfallbehälter unterwegs sind. Ebenso an der Arndtstraße, gleich um die Ecke.
Die Mülheimer Wohnungsbaugenossenschaft (MWG), der in diesem Bereich von Eppinghofen etliche Gebäude gehören, beauftragt gelegentlich Profis, um sich der Ratten zu entledigen. Dagegen wird keiner der Mieterinnen und Mieter etwas haben, allerdings tauchen die Kosten mit etwas Verspätung auf der jährlichen Betriebskostenabrechnung auf: Familie Thater, die an der Engelbertus- und an der Arndtstraße jeweils eine MWB-Wohnung angemietet hat, kritisiert das. Ralf Thater sieht die Stadt Mülheim in der Pflicht, die Ursachen des Rattenproblems zu suchen und zu beheben. So hat er es jetzt auch an den Oberbürgermeister geschrieben.
Freistehende Abfalleimer in Mülheim: „Ratten laufen ums Haus herum“
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An der Engelbertusstraße lebt Thaters erwachsener Sohn, der eine geistige Behinderung hat. Der Vater fungiert als Betreuer. Er berichtet: „Die Ratten laufen ums Haus herum, und die Müllbehälter stehen frei herum.“ Abschließbar seien sie nicht. Seiner Einschätzung nach kommen die Ratten vom nahe gelegenen Spielplatz an der Arndtstraße, wo oft Müll herumliege: „Viele Menschen entsorgen dort ihren Abfall nicht richtig.“ Angelockt würden sie auch durch die Müllcontainer eines Supermarktes, meint Ralf Thater.
Im Vorjahr habe sein Sohn den MWB auf die aktuelle Plage aufmerksam gemacht. Ein Schädlingsbekämpfer sei daraufhin ausgerückt und habe das Problem „für den Moment gelöst“. Auf der Nebenkostenabrechnung für 2022, die dieser Redaktion vorliegt, erscheint der Einsatz des Kammerjägers mit Gesamtkosten von rund 548 Euro für Material und etwa 916 Euro Arbeitslohn.
Mülheimer Mieter zahlen für Ungezieferbekämpfung vor ihrer Tür
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Thaters Sohn, der Sozialleistungen bezieht, werden anteilig 62,57 plus 104,55 Euro in Rechnung gestellt, also insgesamt 167,12 Euro. Eine Nachzahlung von insgesamt etwa 173 Euro wird fällig, die Nebenkosten erhöhen sich künftig um monatlich 12 Euro. Auch 2020 musste der Mieter bereits für eine Schädlingsbekämpfung aufkommen, doch nur in Höhe von rund 40 Euro.
Eine ähnliche Rechnung präsentiert Thater für die kleine Zweitwohnung seiner Frau an der Arndtstraße. Sie muss für „Ungezieferbekämpfung“ in 2022, ebenfalls aufgrund von Ratten vor der Tür, knapp 35 Euro zahlen. Aus der Abrechnung ist ersichtlich, dass die Fachfirma in einem größeren Umkreis tätig war, bis hin zur Zinkhüttenstraße, wo MWB ebenfalls mehrere Mietshäuser hat.
Unsaubere Spielplätze, übervolle Mülltonnen: Sache der Stadt?
Dass Ratten dort auftauchen, wo Menschen wohnen, sei häufig, erklärt MWB-Sprecher Andreas Winkler. „Wenn wir von einem solchen Problem erfahren, beauftragen wir eine professionelle Schädlingsbekämpfung, um die Gesundheit unserer Mieter sicherzustellen. Die entstehenden Kosten sind rechtmäßig Betriebskosten und werden entsprechend umgelegt.“
Ralf Thater findet das nicht in Ordnung. Denn die Gründe für das Rattenproblem in diesem Viertel seien: „Überquellende Mülltonnen, viele angrenzende Geschäfte, die Lebensmittel verarbeiten, zu wenig Sauberkeit auf Spielplätzen“. Er meint: „Man muss dieser Plage in Grund gehen. Die Stadt ist in der Pflicht. Es kann nicht sein, dass die Mieter die Kosten tragen, wenn das Umfeld so ist.“
MWB: Woher die Nagetiere kommen, ist selten festzustellen
Die Mülheimer Wohnungsbau eG, der nach eigenen Angaben mehr als 5000 Mietwohnungen gehören, beurteilt dies anders. „Woher genau die Nagetiere kommen, ist in den seltensten Fällen zu eruieren“, erklärt der Sprecher, „so dass es aus unserer Sicht keinen Sinn macht, solche Kosten teilweise auf die Kommune übertragen zu wollen.“
Familie Thater und die Menschen in ihrer Nachbarschaft sind beileibe nicht alleine: „Rattenbefall ist ein Standardproblem“, sagt Rechtsanwalt Harald Bartnik vom Mieterschutzbund Mülheim und Umgebung, „viele Häuser sind betroffen.“ Die Kosten für Schädlingsbekämpfung dürften auf die Mietparteien umgelegt werden, sofern es im Vertrag steht. „In neueren Mietverträgen ist dies fast immer der Fall“, so der Jurist, nur in älteren Verträgen fehle eine solche Vereinbarung. „Dann muss der Vermieter die Kosten selbst tragen.“
Mieterschutzbund: Stadt kann in die Pflicht genommen werden - theoretisch
Ist die Stadt damit ganz aus dem Schneider? Nicht zwingend. „Auch die Stadt Mülheim kann in die Pflicht genommen werden, wenn ein Verschulden nachgewiesen werden kann“, meint Jurist Harald Bartnik. Dieser Nachweis dürfte allerdings, „wie in allen Schadenersatzprozessen, sehr schwierig sein“.
Thomas Adam, Rechtsberater beim Mieterbund Rhein-Ruhr, empfiehlt betroffenen Mieterinnen und Mietern, bei Rattenbefall nicht nur den Vermieter sofort zu informieren, sondern durchaus auch die Stadt - etwa die Wohnungsaufsicht beim Ordnungsamt. „Die Stadt zu informieren, schadet nie“, meint der Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, „juristisch verantwortlich ist sie allerdings in den seltensten Fällen.“ In der Regel sei der Eigentümer dafür zuständig, das Grundstück instand zu halten, „dazu gehört auch die Bewirtschaftung des Mülls“.
Kostenumlage nur erlaubt, wenn es im Mietvertrag steht
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Beim Mieterbund Rhein-Ruhr seien Fragen rund um Schädlingsbekämpfung „ein regelmäßiges Thema“, so Thomas Adam weiter. Die Kosten dürften nur umgelegt werden, wenn es im Mietvertrag ausdrücklich vereinbart sei. „Ob das geschehen ist, kann man nur von Fall zu Fall entscheiden.“ Betroffene sollten also zunächst in ihrem Mietvertrag nachschauen, doch gerade bei sehr alten Verträgen seien die Regelungen oft nicht eindeutig. „Wer unsicher ist, sollte sich beraten lassen.“
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