Mülheim. Personalmangel, Platzvergabe und Gebühren: Mit Blick auf Mülheims Kitas gibt es viele Themen, die aus Elternsicht drängen. Wo gibt es Potenziale?

Mangelndes Personal, hohe Beiträge und nervenzehrende Platzvergabe: Für Eltern junger Kinder ist die Kita zentraler Bestandteil des alltäglichen Lebens, nicht selten aber auch ein Ärgernis oder zumindest Grund zur Sorge. Bei der ersten Mülheimer Familienkonferenz wollte die Redaktion von betroffenen Bürgerinnen und Bürgern wissen: Was sind die größten Nöte und Sorgen von Kita-Eltern? Was muss sich dringend verbessern? Antworten auf diese und weitere Fragen lieferten Schul- und Jugenddezernent David Lüngen sowie Minka Gerent vom Amt für Kinder, Jugend und Schule.

Kita-Gebühren

Dass Mülheim im Vergleich zu anderen Kommunen vergleichsweise hohe Elternbeiträge für Kita, OGS, Tagespflege und Hort aufruft, ist seit jeher bekannt. Zuletzt war auf Initiative des Stadtelternrates die Dynamisierung der Kosten einmalig ausgesetzt worden, im August 2024 winkt jedoch die nächste Erhöhung von drei Prozent. „Das ist ein Hohn für Steuerzahler“, sagt Michael Marcinek. Seine beiden Kinder (1 und 3) besuchen die Kita. Und auch wenn er laut eigener Aussage der Stadt sehr verbunden und in Mülheim fest verwurzelt ist, sagt der 38-Jährige: „Mülheim ist für junge Familien nicht attraktiv.“

Gepaart mit der hohen Grundsteuer müssen Familien vieles an Kosten stemmen. Für ihn und seine Frau gehe es auch durchaus um die Frage, zu welchen Konditionen sie nach der Elternzeit in den Job zurückkehrt. „Gibt es da Bestrebungen oder Diskussionen, an den Beiträgen etwas zu ändern“, fragt der zweifache Vater.

Der zweifache Vater Michael Marcinek empfindet die Kita-Gebühren als zu hoch.
Der zweifache Vater Michael Marcinek empfindet die Kita-Gebühren als zu hoch. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Dezernent David Lüngen muss verneinen. Gerade durch die Tariferhöhungen und Inflation seien die Kosten für die Stadt als Kitaträger um zehn Prozent gestiegen. Daniela Heimann, Vorsitzende des Stadtelternrates bekräftigt die Forderungen des Vaters, „die Gebühren sind immer wieder Thema in der Elternschaft“. Für Lüngen durchaus verständlich, dennoch: „Die Beiträge decken in Mülheim gerade mal zehn Prozent der Kosten.“ Aktuelle Ansätze, die Gebühren zu senken, gebe es nicht. „Wenn die Inflation wieder sinkt, könnte man das Thema noch mal aufgreifen.“

Personalmangel

Wer Kinder im Kita-Alter hat, dürfte es kennen: verkürzte Öffnungszeiten. Wenn in den oftmals ohnehin knapp besetzten Teams dann noch Krankheitsfälle hinzukommen, wird es eng. „Wir investieren sehr in die Gewinnung von Fachkräften“, sagt Minka Gerent vom Jugendamt. Wie in vielen anderen Branchen aber auch, mangele es an Bewerbungen qualifizierter Leute. Stadtdirektor Lüngen nennt ein Beispiel. Von zehn der zuletzt ausgeschriebenen Ausbildungsstellen nach dem praxisintegrierten Modell (PiA) konnten nur sechs besetzt werden. „Zu wenig Bewerbungen und kurzfristige Absagen“, bilanziert Lüngen.

„Wäre es nicht eine Option, mehr auf Quereinsteiger oder Fachkräfte aus dem Ausland zu setzen“, fragt Daniela Heimann. „Es gibt viele Überlegungen, den Beruf zu öffnen. Aber die Hürden sind noch zu hoch“, so Lüngen. Für Eltern sind diese Überlegungen in der Theorie in den meisten Fällen vermutlich nachvollziehbar, am Ende zählt aber doch die Praxis.

Stadtdirektor David Lüngen beantwortete bei der Mülheimer Familienkonferenz die Fragen von Eltern.
Stadtdirektor David Lüngen beantwortete bei der Mülheimer Familienkonferenz die Fragen von Eltern. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

„Wir sind durch Ausfälle eigentlich ständig im Ausnahmezustand“, erklärt Dirk Dregenus. Er sieht Krankheitsfälle als besonders großen Treiber, warum Betreuung in der Kita nicht wie vorgesehen stattfinden kann; zudem führten die Ausfälle zu verkürzten Zeiten. „Welche Möglichkeiten haben Träger und Kommunen, die Arbeitskräfte zu schützen?“ Aus Sicht des 39-Jährigen seien einige Maßnahmen, die sich während der Corona-Pandemie etabliert haben, durchaus wieder erwägbar – zum Beispiel Luftfilter. „Die sind extremst teuer, vom Land gibt es da keine Zuschüsse“, erklärt David Lüngen. Die Schulklassen eins bis sechs würden zwar mit den Geräten ausgestattet, eine Erweiterung sei nicht geplant. Anders bei den CO2-Ampeln: Der Bedarf werde abgefragt und die Geräte entsprechend angeschafft.

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Minka Gerent ergänzt zu der Frage der Möglichkeiten von Trägern und Kommunen mit Blick auf Infektionsschutz in den Kitas: „Kranke Kinder gehören nicht in die Kita. Es ist immer wieder Thema bei den Leitungskräften und einzelne Eltern werden angesprochen.“

Platzvergabe

Gute Neuigkeiten hatte Schuldezernent David Lüngen in Sachen Kita-Ausbau und Prognose für die Platzvergabe zu vermelden: „Wir stehen sehr gut in der Planung.“ Erst kürzlich ist am Steigerweg in Winkhausen die Kindertagesstätte „Unter dem Regenbogen“ eröffnet worden. Ein wichtiger Schritt mit Blick auf steigende Bedarfe und den Rechtsanspruch. Dieser, so Lüngen, wird sowohl im Bereich U3 als Ü3 gedeckt werden können, teils auch durch die Tagespflege. Aber es müssen auch Abstriche gemacht werden. „Wir haben etwa 10.000 Kinder im Bereich U3“, so Minka Gerent. „Da ist es logisch, dass nicht alle gleichermaßen glücklich gemacht werden können und zum Teil nicht ihre Wunsch-Kita bekommen.“

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Etwas anders ist die Lage mit Blick auf die OGS-Plätze. Die Träger schlagen Alarm, sehen den ab 2026 geltenden Rechtsanspruch, aber auch die Qualität in Gefahr. Für die zweifache Mutter Anne-Sophie Brueggen schon jetzt Alltag: Für ihre fünfjährige Tochter hat die aus Köln zugezogene Mülheimerin keinen OGS-Platz. „Das ist eine echte Einschränkung“, berichtet sie aus dem Alltag. Für die vierköpfige Familie sei es eine reale Option, Mülheim wieder zu verlassen. „So wie es jetzt ist, sind wir nicht zufrieden“, sagt die 40-Jährige deutlich. Sowohl sie als auch ihr Partner arbeiteten Vollzeit-nah. „Aktuell funktioniert es eher schlecht als recht.“

Anne-Sophie Brueggen erwägt, aus Mülheim wegzuziehen, weil sie keinen OGS-Platz für ihre ältere Tochter hat.
Anne-Sophie Brueggen erwägt, aus Mülheim wegzuziehen, weil sie keinen OGS-Platz für ihre ältere Tochter hat. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Es ist ein Fall von vielen, der verdeutlicht, dass Bedarf und Angebot schon jetzt nicht zusammenpassen. Bis 2026, so Dezernent Lüngen, müsse noch einiges passieren. „Der Fachkräftemangel fällt uns hier wirklich vor die Füße, das merken wir schon jetzt.“ Der Runde Tisch OGS komme regelmäßig zusammen, um über die nächsten Schritte zu beraten und den Ausbau zu planen. „2023 wurden zehn neue Gruppen geschaffen. Das muss nächstes Jahr auch gelingen, mindestens.“

Die Familienkonferenz ist der Auftakt unserer Themenreihe. Nach und nach werden weitere Berichte folgen. Fühlen Sie sich als Eltern auch angesprochen oder haben eine Beobachtung oder Situation, auf die Sie uns aufmerksam machen möchten? Wenden Sie sich gerne per Mail an redaktion.muelheim@waz.de an uns!

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