Mülheim. Viele Kinder in Mülheim könnten längst einen Kitaplatz haben, wenn es nicht so schwierig wäre, Personal zu finden. Woran das meistens scheitert.

18 weitere Kinder könnte die DRK-Kita „Die Rettungsmäuse“ am Wenderfeld aufnehmen, wenn endlich die 2,5 Erzieherstellen besetzt würden, die noch offen sind. Am mangelnden Engagement der Kita-Leitung oder des Trägers liegt es nicht. „Wir nutzen jede Chance, veröffentlichen unsere Stellenausschreibungen auf Facebook und Instagram. Wir haben auch Youtube-Videos gedreht, in denen wir uns vorstellen“, sagt die stellvertretende Kita-Leiterin Katharina Pieper-Nössler. Bislang werden 71 Kinder in vier Gruppen betreut, geplant war die neu eröffnete Kita aber von Anfang an mit fünf Gruppen.

Laut einer aktuellen Studie des deutschen Kitaverbandes sind in den NRW-Kitas im Schnitt zehn Prozent der Stellen unbesetzt. Zehn Kitas in Nordrhein-Westfalen hätten wegen des Erziehermangels sogar schließen müssen. Doch warum ist es so schwer, Nachwuchs für den Job zu begeistern?

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„Kita hat sich verändert. Wir arbeiten alle inklusiv, bieten alle U3-Betreuung an und haben keine Schließzeiten in den Sommerferien mehr“, sagt Anne-Kathrin Roedel, Leiterin der DRK-Kita „Die Rettungszwerge“ an der Löhstraße. Auch sie hat offene Stellen in ihrer viergruppigen Einrichtung zu besetzen. 60 Fachkraftstunden sind noch offen, gesucht werden mindestens zwei Teilzeitkräfte oder eine Vollzeit- und eine Teilzeitkraft. Stellenanzeigen hängen nicht nur in allen Berufskollegs der Umgebung aus, sondern fahren auch im Seniorenfahrdienst mit, der viel im Ruhrgebiet unterwegs ist.

Die Anforderungen an die Mülheimer Kitas sind gewachsen

Eltern mit kleinen Kindern in Mülheim kennen das Zittern um den Kitaplatz. In Facebook-Gruppen kommt immer wieder die Frage auf, warum es nicht gelingt, ausreichend Plätze für die ganz Kleinen zu schaffen. Doch wenn man sich verdeutlicht, wie sehr sich die Lebenswelt von Familien in den letzten zwei Generationen verändert hat – vom Alleinverdiener-Modell zur Doppelverdiener-Familie –, wird auch schnell klar, wie sehr die Aufgaben der Kitas gewachsen sind.

So gehöre es inzwischen ganz selbstverständlich dazu, dass sich die Kita im Stadtteil engagiert und sich den Arbeitszeiten der Eltern anpasst. Annika Lante ist Sprecherin der Evangelischen Kirche in Mülheim, deren Gemeinden neun Kitas im Stadtgebiet betreiben. Sie sagt: „Die Kitas sind zu Familienzentren geworden. Sprachförderung und Inklusion sind dazugekommen und machen die Arbeit anspruchsvoller. Alle diese Entwicklungen sind richtig, bringen aber eben neue Herausforderungen mit sich.“

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Die Inklusion ist ein prägnantes Beispiel dafür, wie die Erzieherinnen mit den gestiegenen Anforderungen allein gelassen werden. Anne-Kathrin Roedel sagt: „Um Kinder mit einer Behinderung zu betreuen, bräuchte man eigentlich eine heilpädagogische Zusatzausbildung. Die muss aber oft privat bezahlt werden. Wir haben Kinder, die dringend eine 1:1-Betreuung durch eine Integrationskraft brauchen, aber keine finden. Und dann geht es auch ganz allgemein darum, Eltern und Ärzte mitzunehmen, zum Beispiel wenn es um Förderungen wie Logopädie geht.“

Der U3-Ausbau hat den Kitas in Mülheim auch finanziell viel abverlangt

Der längst überfällige Ausbau der U3-Betreuung hat den Trägern viel abverlangt. Das macht sich auch in den Finanzen bemerkbar. Laut der Studie des deutschen Kitaverbandes ist die Kostendeckung nach der Personalsituation das Hauptproblem. 94 Prozent der Befragten fordern höhere Zuschüsse vom Land. „Viele Gemeinden haben in den U3-Ausbau stärker investiert als gesetzlich vorgeschrieben. Da sind viele Eigenmittel geflossen“, erklärt Annika Lante.

Und welche Kosten stemmen die Träger konkret? Im Fall der evangelischen Gemeinden beläuft sich der Eigenanteil auf 10,3 Prozent. In Mülheim übernimmt die Hälfte davon die Stadt. Für eine Kirchengemeinde bedeutet das, dass bei einer zweigruppigen Einrichtung noch rund 22.000 Euro pro Kita und pro Jahr aus der eigenen Kasse bezahlt werden müssen. „Das sind keine Peanuts“, sagt Annika Lante.

Aktuell liegt die Betreuungsquote bei den Kindern unter drei Jahren in Mülheim bei 25 Prozent. Nimmt man die Kindertagespflege dazu, kommt die Stadt auf 48 Prozent. Bei den Kindern über drei Jahren ist die Quote mit 94,5 Prozent deutlich höher. Bis zum Jahr 2025 will es die Stadt auf 99 Prozent bringen.