Mülheim/Hamburg/Bochum. Zum Streit um die mögliche Zwangsarbeiter-Baracke in der künftigen Parkstadt Mülheim der Blick in die Nachbarschaft, wo Bochum Großes plant.

Zwangsarbeiter-Baracken als Stätten der Erinnerung, als Zeugnis der NS-Gewaltherrschaft: Was es auf dem ehemaligen Tengelmann-Areal nicht geben soll, ist anderswo verwirklicht – oder, wie in einem Vorzeigeprojekt in Bochum, in der Umsetzung.

So ist die Stadt Bochum seit Herbst 2022 daran, ein Sanierungs- und Nachnutzungskonzept für das ehemalige Zwangsarbeiterlager an der Bergener Straße zu erstellen. Es handelt sich um eine seit 20 Jahren denkmalgeschützte Siedlung im Stadtteil Bergen. Sie war in den Jahren 1943/44 errichtet worden als Zwangsarbeiterlager für die Krupp-Zeche „Constantin der Große“ und wurde später als Unterkunft für Kriegsgefangene genutzt. In der Spitze sollen bis zu 600 Zwangsarbeiter in den schlichten Behausungen unterbracht gewesen sein. Nach dem Krieg zogen in die Häuser die ersten Gastarbeiter aus dem Bergbau ein. Noch heute wohnen Menschen in einigen der Häuser.

In einer Bochumer Zwangsarbeiter-Baracke soll eine Gedenkstätte entstehen

Nach Plänen der Stadt Bochum soll die ehemalige Wachstube zukünftig eine Gedenkstätte beherbergen und die bis heute zu Wohnzwecken genutzten Blockgebäude modernisiert werden. Neben einer Restaurationsfirma, die Probebohrungen und Analysen durchführt, waren zuletzt auch Architektur-Studierende der Fachrichtung Architektur zu einem einwöchigen Workshop vor Ort, um die historische Bausubstanz (insgesamt neun Baracken) zu untersuchen.

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Beteiligt an den Planungen sind neben Planungs- und Ingenieurbüros auch die Bewohnerinnen und Bewohner der Siedlung. Die Erkenntnisse, die jetzt gewonnen werden, sollen in den weiteren Prozess zum Erhalt der Siedlung als Gesamtensemble einfließen, „so dass zukünftig ein lebendiger, historischer Wohn- und Erinnerungsort entsteht“, heißt es seitens der Bochumer Verwaltung. 2022 waren die Kosten für die Sanierung der Siedlung einmal auf gut 10 Millionen Euro geschätzt worden. Bochum hofft für das Projekt auf Fördermittel des Bundes.

Nur noch wenige authentische Orte mit Bezug zur NS-Zwangsarbeit im Ruhrgebiet

Bochum würdigt die bis heute erhaltenen Steinbaracken als „ein seltenes Zeugnis der Zwangsarbeit im Ruhrgebiet. Diese spannende Geschichte gilt es vor den Sanierungsarbeiten aufzuarbeiten, denn nach aktuellem Kenntnisstand des Stadtarchivs steht fest, dass das ehemalige Zwangsarbeiterlager an der Bergener Straße eines der wenigen bis heute erhaltenen Zeugnisse der Unterbringung von NS-Zwangsarbeitern deutschlandweit ist.“ Im Ruhrgebiet gebe es nur noch zwei weitere authentische Orte in Bezug auf die NS-Zwangsarbeit.

In unmittelbarer Nähe des Hamburger Flughafens stehen die beiden letzten noch am authentischen Ort erhaltenen Zwangsarbeiterbaracken Norddeutschlands. Die Willi-Bredel-Gesellschaft konnte die ehemalige Büro- und die alte Abort-Baracke 1998 vor dem Abriss retten und baute dort ein Informationszentrum zur Zwangsarbeit auf. Ehemalige niederländische Zwangsarbeiter gaben dabei als Zeitzeugen wichtige Impulse.

In Hamburg-Fuhlsbüttel hat die Willi-Bredel-Gesellschaft eine Baracke eines ehemaligen Zwangsarbeiterlagers zur Erinnerungsstätte ausgebaut.
In Hamburg-Fuhlsbüttel hat die Willi-Bredel-Gesellschaft eine Baracke eines ehemaligen Zwangsarbeiterlagers zur Erinnerungsstätte ausgebaut. © Willi-Bredel-Gesellschaft

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