Mülheim. Sein Leben schien in geregelten Bahnen – mit Familie und Job. Dann brach zeitgleich alles weg – und der Mülheimer rutschte in eine Existenzkrise.

Hier in Deutschland hatte er sein Glück gefunden, geheiratet, zwei Söhne bekommen. Heute sind die Jungs sechs und vier Jahre alt und leben abwechselnd bei Mutter und Vater, denn die Eltern haben sich getrennt. Nicht nur für die beiden Kinder platzte damit das Bild einer heilen Welt, auch für Marko Poljakovic, der 2016 aus Serbien nach Deutschland kam – eben der Liebe wegen – und seitdem alles tat, damit es seiner kleinen Familie gut geht.

Jetzt aber benötigt der 36-Jährige selbst Unterstützung, denn durch widrige Verkettungen ist bei ihm eine Geldforderung des Arbeitsamtes in Höhe von 7000 Euro aufgelaufen. Weil er mit dem deutschen System nicht vertraut ist und keinen Ausweg mehr wusste, sucht er Rat beim Mülheimer Arbeitslosenzentrum (Malz), dessen Klienten wir in ausgewählten Fällen mit unserer diesjährigen Benefiz-Aktion Jolanthe finanziell unter die Arme greifen. So auch Marko Poljakovic.

Sein Chef legt ihm ein Schreiben vor: Keine Kündigung, sondern Aufhebungsvertrag

Denn der 36-Jährige ist in eine Falle getappt, könnte man sagen. Die Tragweite einer Unterschrift hat der Kroate, der in Serbien aufgewachsen ist, nicht bedacht. Sein Arbeitgeber – Poljakovic arbeitet im Innenausbau, war in seiner Heimat Tischler – legte ihm ein Schreiben vor, das eine Kündigung sein sollte – „der Chef wollte mich loswerden, wir sind nicht mehr miteinander klar gekommen“. Die Art und Weise ist mehr als fragwürdig.

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Der junge Mann nennt einen Grund für das Zerwürfnis: „Ich war nicht mehr bereit, die ganzen Materialien für die Baustellen in meinem Privatwagen zu transportieren. Ständig war das ganze Auto von innen dreckig und verstaubt – aber da sitzen ja auch meine Kinder mit drin.“ Immer wieder war das Gespräch auf einen Firmenwagen gekommen, Versprechungen habe es gegeben, die letztlich von Seiten des Chefs aber nicht eingehalten worden seien. Zu einer Einigung kam es nicht, vielmehr verlor er seinen Job, weil er einen Aufhebungsvertrag unterzeichnete, von dem er nicht wusste, welche Konsequenzen er nach sich ziehen würde.

Die Eltern trennen sich, der Vater zieht aus – das Arbeitsamt wird stutzig

Parallel zu der Auseinandersetzung mit seinem Chef und dem Jobverlust, steckte er in der Trennung von seiner Frau, zugleich kam aus Serbien die beunruhigende Nachricht, dass seine Mutter an Krebs erkrankt ist. „Da passierte in meinem Leben plötzlich alles auf einmal“, erinnert sich Marko Poljakovic kopfschüttelnd und räumt eine gewisse Überforderung ein. Damit seine Söhne so wenig wie möglich unter der Trennung der Eltern leiden mussten, sollten sie mit der Mutter in ihrem Zuhause bleiben, der Vater suchte sich eine kleine Wohnung und zog aus.

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„Mit der neuen Adresse habe ich mich sechs Wochen später beim Bürgeramt umgemeldet.“ Bei der Agentur für Arbeit aber war die neue Anschrift nicht angekommen – und so erhielt er nach einem gewissen Zeitraum ein Schreiben vom Arbeitsamt, das 7000 Euro an gezahltem Arbeitslosengeld zurückforderte, mit der Begründung: Er habe eine neue Adresse und die Ummeldung nicht abgegeben – damit galt Poljakovic fürs Arbeitsamt als nicht erreichbar und erfülle deswegen nicht mehr die Bedingungen, um Leistungen zu erhalten.

Beraterin des Mülheimer Arbeitslosenzentrums: „Nichts sofort unterschreiben“

Dabei hatte der Familienvater regelmäßig Zugang zu der ehemaligen Wohnung, besucht seine Söhne bis heute dort nahezu täglich und war in besagter Zeit in der Lage, die Schreiben des Arbeitsamtes, die an der alten Adresse eingingen, entgegenzunehmen. So weit – so unkritisch könnte man denken. Doch Gabi Spitmann, die Beraterin im Mülheimer Arbeitslosenzentrum mahnt: „Ein Nachsendeantrag oder eine Ehefrau, die einem die Post aushändigt, reicht vorm Arbeitsamt nicht, das darf nicht von Dritten abhängig sein. Man muss die Post persönlich tagtäglich zur Kenntnis nehmen: Das ist die Voraussetzung des Arbeitsamtes.“

Gabi Spitmann, Beraterin im Mülheimer Arbeitslosenzentrum (Malz) berät Klientinnen und Klienten, die arbeitslos sind oder von Arbeitslosigkeit bedroht sind.
Gabi Spitmann, Beraterin im Mülheimer Arbeitslosenzentrum (Malz) berät Klientinnen und Klienten, die arbeitslos sind oder von Arbeitslosigkeit bedroht sind. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Als Gabi Spitmann die Unterlagen des Ratsuchenden genauer unter die Lupe nimmt, stellt sie zudem fest, dass er bei seinem letzten Job nicht einfach eine Kündigung bekommen hat, sondern einen Aufhebungsvertrag unterschrieben hat. „Den hat man mir vorgelegt und den habe ich unterschrieben“, erzählt der 36-Jährige. Der dringende Rat der Malz-Beraterin dazu lautet: „Nie sofort unterschreiben, sondern um eine Kopie bitten und das prüfen lassen. Es gibt keine seriöse Stelle, wo man spontan unterschreiben muss.“

Benefizaktion Jolanthe unterstützt zweifachen Vater finanziell

Der Fehler sei passiert, schildert Marko Poljakovic, weil er mit dem Begriff „Aufhebungsvertrag“ nichts anfangen konnte. „Wenn man da nicht Erpressung oder dergleichen nachweisen kann, ist so ein Vertrag auch nicht widerrufbar, denn er ist ja von zwei erwachsenen Menschen geschlossen worden“, ordnet Spitmann ein. Die Konsequenz für den 36-Jährigen: Eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld von drei Monaten – also keinerlei Einkommen, obwohl er seine Frau und die Kinder mit einem monatlichen Betrag unterstützt.

Hier setzt unsere Benefizaktion Jolanthe an, die Marko Poljakovic finanziell unter die Arme greifen will, bis er einen neuen Job hat. Und die Chancen darauf stehen gut, er habe schon etwas in Aussicht, erzählt der 36-Jährige zuversichtlich. Das freut auch Gabi Spitmann, die für den engagierten jungen Mann aber eine Anstellung mit einer längerfristigen Perspektive erhofft – etwas, das ihm den Mindestlohn und finanzielle Sicherheit auch mit Blick auf Rentenzahlungen mit sich bringt. „Wechselnde Jobs im Innenausbau, körperlich anstrengend – in dem Alter kann man das noch gut machen. Herr Poljakovic wird jetzt, wo er noch gesund und kräftig ist, nicht lange nach einem neuen Job suchen müssen.“

Betroffene erzählen – weitere Berichte über das Malz:

Doch die Malz-Beraterin weiß aus ihrer Arbeit mit anderen, älteren Klienten auch: „Das bleibt nicht so. Gerade Hilfsarbeiter wie er werden oft gnadenlos ausgenutzt.“ Je älter er werde, desto wahrscheinlicher würden körperliche Beschwerden – das wüssten auch potenzielle Arbeitgeber und entschieden sich im Zweifel für jüngere Bewerber. Deshalb gehen Marko Poljakovic und Gabi Spitmann als nächstes die berufliche Zukunft des gelernten Tischlers an. „Eine Umschulung oder eine Weiterbildung wäre toll“, sagt der 36-Jährige, der einen Grundstein legen will, um auch seine Kinder langfristig abzusichern – nicht nur finanziell: „Ich will meinen Söhnen auch ein Vorbild sein.“