Mülheim. Die Firma fing im Keller an, heute führt Gerd Schöneberg eine große Druckerei. Mit 66 denkt der Mülheimer ans Aufhören. Es fehlt: ein Nachfolger.
Erst kürzlich hat er eine „fähige Grafikerin“, wie er sagt, geradeheraus gefragt: „Wollen Sie eine Druckerei haben?“ Die Dame wollte nicht – und so geht die Suche nach einem Nachfolger für Gerd Schöneberg weiter. Dabei wäre der Saarner mit seinen 66 Jahren schon im besten Rentenalter.
„Der Laden läuft“, sagt Gerd Schönberg und zählt die verschiedenen Gerätschaften auf, mit denen er und sein Team nahezu jeden Druck-Wunsch erfüllen können: ziemlich groß auf Transparenten, besonders edel für die Master-Arbeit, extravagant für die Geschäftsbroschüre oder handfest auf Notebooks, Glasflaschen, Kochlöffeln, Fliesen oder Blechdosen – und natürlich auf T-Shirts. Repro Schöneberg scheint also breit aufgestellt, was das Drucken angeht. „Und das ist auch das Erfolgsrezept des Unternehmens“, ist Mathias Meinke überzeugt.
Mülheimer Firmeninhaber investierte über Jahrzehnte in neue Geräte
Er muss es wissen, schließlich berät Meinke seit 13 Jahren Unternehmen bei ihrer Nachfolgeregelung, füllt diese Position seit knapp einem Jahr bei der Mülheimer Wirtschaftsförderung aus. „Am Puls der Zeit zu bleiben und immer wieder auf das zu reagieren, was der Kunde fordert – nur so kann man am Markt Bestand haben“, weiß der Fachmann. Nicht selten war der Saarner Unternehmer Schöneberg seinen Mitbewerbern einen Schritt voraus. Woran Meinke das festmacht? „Die anderen gibt es nicht mehr.“
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Hat also Repro Schöneberg alles richtig gemacht? Sehr vieles, da ist Meinke schon beim ersten Besuch sicher – was beispielsweise kontinuierliche Investitionen in Geräte angeht, auch ausgebildet hat der Betrieb an der Düsseldorfer Straße immer wieder.
Interessent, der Mülheimer Firma übernehmen wollte, wählt das Angestelltendasein
Jetzt aber steht eine Lebensentscheidung an: die Unternehmensübergabe. Mit 66 Jahren, sagt Gerd Schöneberg, könne er sich allmählich vorstellen, „mit meiner Zeit auch etwas anderes anzufangen“. Dabei hängt sein Herz an „seinem Laden“, ist der Mülheimer so etwas wie die Seele seiner Firma. Vier Angestellte hat er, dazu kommen Aushilfskräfte, die mit anpacken, wenn große Aufträge reinkommen. Vor allem sie, seine Leute, sein Team, will Schöneberg in guten Händen wissen. Doch einen Nachfolger zu finden, das gestalte sich schwierig, hat der Geschäftsmann in den zurückliegenden Jahren erfahren. „Ich hatte schon mal einen jungen Mann da, der wirklich interessiert war, doch der hat sich dann für eine Anstellung in einer größeren Druckerei entschieden.“
Und damit gegen die Selbstständigkeit und das Chef-Sein. „Das muss man wollen“, sagt auch Mathias Meinke von der Wirtschaftsförderung und kennt die Charaktere, die sich auf den Schritt in die berufliche Eigenständigkeit einlassen: „Das sind beispielsweise Leute, die in großen Unternehmen arbeiten, dort auch gute Jobs haben und ordentlich verdienen, aber bei Entscheidungen an Grenzen stoßen, es langweilig finden, eine Idee durch zig Abteilungen laufen lassen zu müssen, bevor sie umgesetzt wird.“ Genau so jemanden also bräuchte Gerd Schöneberg, der Konzerne aus der Umgebung genauso zu seinen Kunden zählt wie örtliche Hotels und die Kindergärten um die Ecke.
Fachmann der Mülheimer Wirtschaftsförderung: Mit Mitte 50 an die Nachfolge denken
An die Hand nehmen werde er seinen Nachfolger oder seine Nachfolgerin für eine Übergangszeit auf jeden Fall, bietet der Saarner an: „Mir macht’s ja Spaß im Betrieb.“ Fachmann Meinke bringt allerdings die Komponente Zeit ins Gespräch: Das Geschäft, die Firma sei bei Selbstständigen zumeist Teil der Altersvorsorge. Die Suche nach einem Nachfolger sollte daher nicht auf die lange Bank geschoben werden: „Am besten hört man sich schon mit Mitte 50 dazu um.“
Bereits vor Jahren hat auch Gerd Schöneberg seine Fühler ausgestreckt – vergebens. Eines steht bei Repro Schöneberg bereits fest: Ein Familienunternehmen wird die Druckerei mit angeschlossenem Kopierzentrum künftig nicht mehr sein: „Mein Sohn will’s nicht machen und dafür hab ich Verständnis. Der studiert Wirtschaftsinformatik und bekommt jetzt schon gute Jobangebote.“ Und auch aus seiner Mannschaft wolle niemand in seine Fußstapfen treten.
Mülheimer Unternehmer: „Selbstständigkeit ist Mentalitätssache“
Auch Gerd Schöneberg weiß: „Das ist Mentalitätssache, manchem ist die Selbstständigkeit zu unsicher.“ Er sei in den Jahrzehnten, seitdem er 1990 den Betrieb von seinem Vater übernommen hat, immer gut gefahren. Zugutegekommen sei ihm, dass er elektrisches Geschick mitbrachte – „eigentlich wollte ich Elektrotechnik studieren“ – sowie seine Drucker-Ausbildung seinerzeit. Mit der Lichtpauserei ist der Saarner aufgewachsen: „Mein Vater hat 1971 im heimischen Keller angefangen, hat fünf Jahre später eine Offsetdruckerei in einer angemieteten Doppelgarage eröffnet.“ Da hat sich der junge Gerd sein Taschengeld verdient.
Ende der 1970er Jahre stieg schließlich der Junior ein, der die Expansion des Betriebs vorantrieb: 1996 bezog Repro Schöneberg ein eigenes Gebäude an der Düsseldorfer Straße, in dem bis heute stets weitere Maschinen hinzugekommen sind.
Gerd Schöneberg hebt den Kopf und blickt Richtung Dach: „Wir sind inzwischen eine CO2-freie Produktion, haben schon seit 2012 eine Solaranlage auf dem Dach, die ist längst abbezahlt. Für den Rest nutzen wir Ökostrom.“ Das Unternehmen ist als klimaneutraler Hersteller von Drucksachen und Kopien zertifiziert – auch der Verzicht auf chemiegetränkte Entwicklungsfilme und die Vermeidung von silberhaltigem Abfall gehöre dazu.
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Für Gerd Schöneberg, der E-Bike und E-Auto fährt, eine Selbstverständlichkeit: „Bei dem, was die da heute alles beschließen, kann ich mich entspannt zurücklehnen.“ Dass er aktiv Umweltschutz betreibt, komme bei Kunden gut an: „Wir bekommen manchen Auftrag, eben weil wir so aufgestellt sind.“ Gerd Schöneberg ist mit sich und seinem Geschäft im Reinen – zum Glück fehlt ihm nur noch ein Nachfolger. Mit 66 Jahren fängt für ihn die Suche erst richtig an.
Kontakt zur Mülheimer Wirtschaftsförderung, die nicht nur in Nachfolge-, sondern etwa auch in Gründungsfragen berät: 0208/455 61 00 und muelheim-business.de.