Mülheim. In einer Woche dürfte Mülheims Politik mal deutlicher debattieren zu den Plänen für die Parkstadt. Was Bürger von ihr und der Stadt erwarten.
In der kommenden Woche will Mülheims Politik erstmals dezidierter Farbe bekennen zu den Planungen für eine „Parkstadt“ auf dem ehemaligen Tengelmann-Gelände an der Nahtstelle von Speldorf zu Broich. Bürgervereine und Anwohner-Netzwerk setzen vorab noch einmal Leitplanken, an denen sie die weiteren Planungen orientiert sehen wollen.
Allen voran sieht das Netzwerk „Parkstadt Mülheim – aber richtig!“ einen klaren Bürgerwillen gegen eine massive, insbesondere in die Höhe ragende Bebauung auf der Industriebrache. Es legt hierzu die Auswertung seiner Online-Umfrage vor, nach der gut 97 Prozent der 1663 Teilnehmerinnen und Teilnehmer geäußert haben sollen, dass der Siegerentwurf aus dem städtebaulichen Wettbewerb „mit seiner dichten und hohen Bebauung“ als Grundlage für die Planungen abzulehnen sei. Die teilnehmenden Bürger, darunter laut Netzwerk rund 1000 aus Speldorf oder Broich, wünschten sich einen neuen Wettbewerb unter der Maßgabe, dass sie sich selbst mit Vorschlägen und Ideen für eine „Parkstadt“ einbringen könnten.
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Parkstadt-Netzwerk: „Die Akzeptanz für die Soravia-Planungen ist gleich null“
Ferner unterstützt laut Netzwerk eine überwältigende Zahl der Umfrage-Teilnehmer die Forderung, die Zahl der neuen Wohnungen auf dem Areal von ursprünglich angedachten 800 auf 400 zu halbieren und maximal sechs Geschosse für Neubauten zuzulassen, also keine Hochhäuser zu bauen. Investor Soravia hatte zuletzt in Absprache mit den Stadtplanern mit weniger, aber doch noch mit fünf Hochhäusern (mit bis zu 15 Geschossen) im Zentrum des Entwicklungsgebietes geplant. Es war auch nur noch von bis zu 680 Wohnungen die Rede. Auf dem Areal sollen darüber hinaus aber auch Achtgeschosser möglich werden.
„Die Akzeptanz für die Soravia-Planungen in ihrer ursprünglichen Form ist unter den Teilnehmenden gleich null. Jüngste Nachbesserungen gehen zwar in die richtige Richtung, reichen aber bei weitem nicht aus“, sagt Netzwerk-Sprecher Gerald Lux. In Reaktion auf die Umfrage-Teilnehmer fordert das Netzwerk erneut mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung. Eine für beide Stadtteile passende Bebauung sei gefordert, die Angst vor Ghettoisierung und hohem Verdichtungsgrad sei groß, ebenso werde ein Verkehrschaos befürchtet. Der Erhalt des Technikums, das zuletzt große Ausstellungen beherbergte, liege vielen am Herzen.
Parkstadt Mülheim: Bürgervereine hinterfragen Bedarf für wuchtige Neubaupläne
Separat meldeten sich zuletzt auch der Broicher Bürgerverein, die Interessengemeinschaft Speldorf und der Speldorfer Bürger- und Kurverein in einer gemeinsamen Presseerklärung zu Wort. Zu begrüßen sei, dass sich Mülheims Politik nun langsam daran mache, Leitbilder für „das Zukunftsprojekt“ zu entwickeln. Die Vereine fordern aber mehr Informationen für eine breite Debatte über Sinn und Zweck der wuchtigen Baupläne ein. Weder sei ein Flächenbedarf nachgewiesen noch sei belegt, dass die Entwicklung eines neuen Stadtquartiers aus vielerlei Hinsicht als unbedenklich einzustufen wäre.
So stellen die Vereine etwa in Zweifel, dass es in der Parkstadt Neubaubedarf für Büros gibt. Sie verweisen darauf, dass alleine in Broich und Speldorf zuletzt 40.000 Quadratmeter Bürofläche zur Vermietung am Markt angeboten worden seien, zudem stünden im Altbau der Tengelmann-Zentrale weiter 10.000 Quadratmeter für eine solche Entwicklung parat. Möglichkeiten zur Büro-Ansiedlung bestünden ferner an anderen Standorten in der Stadt. Die Vereine verweisen auch auf Prognosen, dass die Tendenz zum Homeoffice laut Experten eine Verringerung der Nachfrage mit sich brächte.
Vereine aus Speldorf und Broich gegen vorschnelle Baugenehmigungen
Die Vereine bemängeln darüber hinaus, dass weder Investor noch Stadtplaner aufgezeigt hätten, „was eine Parkstadt Mülheim zukünftig im Sinne einer nachhaltigen Stadtnatur ausmachen soll“. Welche Grün-Vernetzungen werde es geben, wie denke man sich eine „ungestörte Park-Anbindung“ an die Ulmenallee und an den Veilchenweg? Relevant sei auch, wer künftig die Kosten für die Unterhaltung der Parkflächen oder die Verkehrssicherung trage. Etwa die Stadt?
Weil so viele Fragen offen seien, fordern auch die Bürgervereine maximale Transparenz ein – und wollen voreiligen Baugenehmigungen nach § 34 des Baugesetzbuches in Randlagen des Parkstadt-Areals einen Riegel vorgeschoben sehen, damit hierdurch nichts verbaut wird. Hier blicken die Vereine mit Sorge etwa auf einen Neubau, den der bisherige städtebauliche Entwurf am Eingang zum alten Tengelmann-Areal an der Ulmenallee skizziert. Er könnte einem breiten Park-Zugang von Osten aus im Wege stehen.
Mülheims Planungsdezernent: Von etwaigen Bauanträgen wird die Politik erfahren
Vor der anstehenden öffentlichen Debatte im Planungsausschuss am kommenden Dienstag (16 Uhr im Historischen Rathaus) lässt derweil Planungsdezernent Felix Blasch durchblicken, dass es einen diesbezüglichen Bauantrag seitens Soravia bislang offenbar nicht gibt. Gehe einer ein, sei eine Entscheidung dazu zurückzustellen, „wenn zu befürchten ist, dass die Planungen erschwert oder unmöglich gemacht würden“. Eine solche Prüfung obliege der Stadtverwaltung. Sollte Soravia einen solchen Bauantrag einreichen, werde die Verwaltung sie „in jedem Fall nach Prüfung dem Planungsausschuss vorlegen“, sagt Blasch politische Kontrolle zu.
Der Dezernent äußerte sich auch zu den Zweifeln der Bürgervereine daran, dass Mülheim überhaupt Bedarf an einer solch opulenten Flächenentwicklung hat. Die Wohnbau- und Gewerbeflächenbedarfe würden stets gesamtstädtisch ermittelt und dargestellt. Ein Herunterbrechen auf einzelne Stadtteile finde nicht statt, sei auch nicht sinnvoll, da etwa Gewerbegebiete aufgrund der Anforderungen nicht in jedem Stadtteil gleichermaßen angelegt werden könnten.
Zu den Diskussionen um zusätzliche Wohnraumbedarfe in der Stadt verwies Blasch darauf, dass das „Bündnis für Wohnen“ demnächst über die bisher ermittelten Bedarfe diskutieren und sie kritisch hinterfragen werde. Was dann in Broich und Speldorf letztlich verträglich umgesetzt werden könne, sei Teil des laufenden Planverfahrens.
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