Mülheim. Im Kampf gegen die Geldautomaten-Sprenger setzt die Sparkasse Mülheim jetzt auf besondere Schutzmaßnahmen. Und investiert eine sehr hohe Summe.
Nach einer langen Serie von Geldautomatensprengungen in Mülheim hält die Sparkasse hart dagegen und setzt ihre SB-Automaten in massive Stahlbetonhüllen, rund 22,5 Tonnen schwer und kaum zu zerstören. Die erste wurde vor gut einem Monat am Heifeskamp aufgestellt. Zwei weitere – an der Oberheidstraße und an der Luxemburger Allee – sollen voraussichtlich im Juni angeliefert werden, kündigt Sparkassensprecher Frank Hötzel an. Für die Umrüstung müssen die Automaten vorübergehend abgebaut werden, etwa eine Woche lang.
Aus der Höhe dieser Investition macht die Sparkasse kein Geheimnis, auch Kritik war eingepreist: Rund 100.000 Euro kostet jedes Exemplar der „neuesten Sicherheitsgeneration“. Der Bericht über die Anlieferung des ersten Kolosses am Standort Mannesmannallee löste in den sozialen Medien, speziell bei manchen Facebook-Usern, reflexartig Unverständnis aus: „Warum nicht einfach Farbpatronen?“, wie in den Niederlanden, fragten viele.
Sparkasse Mülheim kombiniert mehrere Sicherheitsmaßnahmen
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Die Antwort ist simpel: Farbpatronen sind zusätzlich vorhanden. Die Sparkasse Mülheim setzt auf eine Kombination verschiedener Sicherungssysteme. Tintenpatronen, die bei Erschütterung hochgehen, gehören dazu. Doch erst in der letzten Stufe. Zuvor will man mit verschiedenen Mitteln und erheblichen Investitionen ein gefährliches Chaos verhindern, Leib und Leben von Unbeteiligten schützen. Im Januar 2020 war der Sparkassen-Pavillon bei McDonald’s an der Kölner Straße explodiert, zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit. Erneut flogen teilweise schwere Trümmerteile durch die Gegend, auf die Straße. „Wir sind relativ sicher, dass ein 22-Tonnen-Ding nicht mehr auf die Kreuzung fliegt“, so Frank Hötzel.
Von 23 bis 6 Uhr verschließt auch ein Schutzrollo den Ausgabeschalter. Zusätzlich seien in allen Automatencentern und SB-Foyers Vernebelungsanlagen installiert, die auslösen, sobald sich jemand nach 23 Uhr an der Eingangstür, am Gerät oder am Schutzrollo zu schaffen macht, etwa um Gasschläuche einzuführen: „Dann ist auch bei frei stehenden Automaten mindestens fünf Minuten lang kein weiteres Arbeiten mehr möglich.“ Zeitgleich wird automatisch Alarm ausgelöst.
Rote Farbe macht Banknoten weitgehend unbrauchbar
Sollte dennoch eine Sprengung gelingen, dann macht Farbe das erbeutete Geld weitgehend unbrauchbar: Patronen, die bei Druckwellen oder heftiger Erschütterung platzen, färben sämtliche Banknoten in der Kassette blutrot ein.
Die Offenheit, mit der die Sparkasse Mülheim über die Sicherungssysteme ihrer Geldautomaten spricht, auch über die Kosten, ist allerdings eher die Ausnahme als die Regel. Andere Banken halten sich bewusst bedeckt.
Auch ein Geldautomat der Volksbank Rhein-Ruhr war in Mülheim schon von einer spektakulären Sprengung betroffen: Anfang Mai 2018 neben dem Haupteingang des ehemaligen Real-Marktes an der Weseler Straße, wo sich heute das Hafencenter befindet. Nach der Sprengung flüchteten die Täter ohne Beute. Die Volksbank hatte gut zwei Monate später erklärt, sie wolle einen alternativen Standort für den Geldautomaten suchen. Aktuell betreibt sie vier Geldautomaten auf Mülheimer Stadtgebiet – an der Viktoriastraße, Düsseldorfer Straße, Aktienstraße und Saarner Straße.
Auch Geldautomaten der Volksbank sind mit Farbpatronen ausgestattet
Zur Sicherheit sind sie in den Nachtstunden nicht zugänglich: „Alle SB-Bereiche schließen bereits um 22 Uhr und öffnen erst wieder um 6 Uhr“, teilt eine Volksbank-Sprecherin auf Anfrage mit. Außerdem seien alle Geldautomaten mit Farbpatronen ausgestattet, „und in ersten Geschäftsstellen arbeiten wir mit Vernebelungstechniken“. Weitergehende Sicherheitsmaßnahmen seien momentan nicht konkret geplant, bei Bedarf werde an einzelnen Standorten jedoch „prompt“ reagiert.
Geldautomaten der Commerzbank gibt es nur noch an einem einzigen Standort in Mülheim: in der Filiale an der Althofstraße. Zum Thema Sicherheit teilt ein Commerzbank-Sprecher allgemein mit, man habe bundesweit zusätzliche Maßnahmen ergriffen. „Auch das Risiko für Bewohner an Standorten von Geldautomaten ist uns sehr bewusst. Aus diesem Grund richten wir keine neuen Geldautomaten-Standorte in Wohngebäuden ein.“ Detailliertere Auskünfte zu ihren Sicherungskonzepten gibt die Commerzbank nicht.
Postbank schließt SB-Bereiche über Nacht – „situationsbezogen“
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Einer großen Neueröffnung sieht die Postbank entgegen: Sie wird ihre Niederlassung am Mülheimer Hauptbahnhof aufgeben, wo sich auch die Geldautomaten befinden, und in das Stadtquartier Schloßstraße (SQS) ziehen, an die Friedrich-Ebert-Straße. In etwa einem Monat wird es so weit sein. Wie die neuen Geldautomaten vor möglichen Sprengungen gesichert werden, möchte auch die Postbank nicht kommunizieren. Ein Sprecher teilt lediglich mit, man habe verschiedene Maßnahmen umgesetzt und investiere „in aktuellste Sicherheitstechnik“. Die Sicherheitsmaßnahmen würden laufend angepasst. „Dazu gehört selbstverständlich auch die Option, den Selbstbedienungsbereich einer Filiale in den Nachtstunden vorübergehend geschlossen zu halten“, ergänzt der Postbank-Sprecher. „Von dieser Option machen wir situationsbezogen Gebrauch.“
Verkleben von Geldscheinen in Deutschland noch nicht zugelassen
Automatensprenger, die häufig aus den Niederlanden kommen, gehen immer brachialer vor, immer schneller, mit immer stärkerem Sprengstoff. Da sich auch verfärbte Geldscheine im Ausland noch tauschen lassen, wenn auch verlustreich, wenden beispielsweise niederländische Geldinstitute schon oft ein Sicherungssystem an, bei dem die Banknoten mit Hilfe von Chemikalien zu einem Klumpen verklebt werden.
„Die Verklebetechnik ist in Deutschland noch nicht zugelassen“, erläutert der Sprecher der Sparkasse Mülheim. „Obwohl die Bundesbank bereits Fragen zur Erstattungsfähigkeit verklebter Banknoten geklärt hat, gibt es noch zahlreiche offene Prüfpunkte, insbesondere in Sachen Arbeits- und Gesundheitsschutz.“ So gelte der Einbau dieses Systems als potenziell gefährlich – etwa, falls es versehentlich aktiviert werde. „Sobald die Verklebetechnik zugelassen ist, werden wir auch diese Sicherungsmaßnahme in Erwägung ziehen“, ergänzt Frank Hötzel. Es sei jedenfalls kein Problem, auf digitale Weise zu belegen, wie viel Geld ein Automat zum Zeitpunkt der Sprengung enthielt. Dieser Nachweis müsse auch gegenüber der Versicherung erbracht werden, falls die Täter mit der Beute entkommen.