Mülheim/Essen. Der Zeppelin NT hat seine neue Heimat am Flughafen Essen-Mülheim erobert. Was bis Sonntag und ab 2024 geboten wird, wie die Vorpremiere verlief.
In 300 Metern Höhe über der Heimat schweben, an Bord des Zeppelin NT, der ab Mai 2024 dauerhaft am Flughafen Essen-Mülheim stationiert sein wird: Hier Mülheims Iduna-Hochhäuser und Schloß Broich, später Zeche Zollverein und Baldeneysee: Das erleben an diesem langen Wochenende die ersten Passagiere.
Der Zeppelin NT ist da, für Pilot Fritz Günther ist das ein besonderes Erlebnis, eine Rückkehr zu alter Wirkungsstätte, wo er bis 1998 seine Runden im WDL-Luftschiff gedreht hat. „Das war physisch eine ganz andere Nummer“, erinnert sich Günther an Seilzüge und Co., als er am Freitag entspannt im Cockpit des Zeppelin NT sitzt, der mit modernster Elektronik und computergestützt fast von alleine seine Route abfliegt. Besonders beeindruckt zeigte sich Günther bei seiner Rückkehr nach Mülheim von der neuen Luftschiffhalle auf den Raadter Höhen: „Das bin ich schwer beeindruckt, einfach top.“
Spektakulärer Geheim-Anflug des neuen Zeppelin NT auf Mülheim am Donnerstag
Nach dem spektakulären und bis zuletzt geheim gehaltenen Anflug des Zeppelin NT am Donnerstagabend auf den Flughafen Essen-Mülheim verbreitete die Deutsche Zeppelin-Reederei (DZR) vor einer großen Schar an Medienvertretern und geladenen Gästen am Freitagmorgen Vorfreude auf das Jahr 2024, wenn eben jenes Goodyear-Luftschiff als neues Wahrzeichen Mülheims zu seinen Rundtouren über das Ruhrgebiet und bis Düsseldorf aufbrechen soll.
Seit 2001 bietet die DZR Zeppelin-Rundflüge an ihrem Heimatstandort in Friedrichshafen (Bodensee) an. Nun wird das „Premium-Flugerlebnis“ ab Mai 2024 auch am Flughafen Essen-Mülheim angeboten. Der Zeppelin NT mit dem Reifenhersteller Goodyear als Werbepartner soll jährlich rund 10.000 Passagiere in die Luft bringen. Mit dem WDL-Luftschiff Theo sind zu Spitzenzeiten jährlich nur bis zu 3000 Passagiere gefahren. Zeppelin-Rundflüge sollen laut DZR auch der Wissenschaft dienen. Es gibt bereits Kooperationen, etwa mit einem Helmholtz-Institut zur Erforschung von Nord- und Ostsee. Das Forschungszentrum Jülich fährt mit dem Zeppelin Kampagnen zur Atmosphären- und Klimaforschung.
Zeppelin NT bleibt bis Sonntag am Flughafen Essen-Mülheim
Für seinen Antrittsbesuch bleibt der Zeppelin bis Sonntag. Am Flughafen haben Luftschiffe bekanntlich eine lange Tradition: Seit 1972 führte die Westdeutsche Luftwerbung Theodor Wüllenkemper GmbH & Co. KG (WDL) dort Werbe- und Passagierflüge mit Prall-Luftschiffen durch. 2022 startete der Bau der imposanten neuen WDL-Luftschiffhalle, die aus einer Fachwerkkonstruktion mit rund 557 Tonnen Holz besteht.
Die Halle soll sich künftig als Event-Hangar für bis zu 1500 Besucherinnen und Besuchern einen Namen machen, ab Frühjahr 2024 aber auch das Zuhause des Zeppelin NT sein. Mülheims beliebtes Luftschiff Theo wird derweil nicht mehr abheben und am Boden bleiben. Theo soll am Standort verbleiben. Die Ära der WDL-Luftschiffbetriebs am Flughafen endet jedoch.
WDL-Chefin Majerus: „Unser Standort am Flughafen hat eine hohe Anziehungskraft“
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An diesem Freitag überwog bei Barbara Majerus und Frank Peylo dennoch die Freude. Mit dem Rundflug-Angebot von Zeppelin NT werde Mülheim zur „einzigen Stadt der Welt, die einen Blimp und einen Zeppelin NT bei sich stationiert hat”, so Majerus als geschäftsführende Gesellschafterin der WDL-Gruppe. „Unser Standort am Flughafen hat eine hohe Anziehungskraft. Tagestouristen können sich zukünftig in der neuen ,Luftfahrt-Erlebniswelt’ eine der wenigen noch erhaltenen Junkers 52 oder die Great Lake „Inge“ – einen historisch anmutenden offenen Doppeldecker – anschauen.”
Peylo erinnerte am Freitag an den verstorbenen WDL-Gründer Theo Wüllenkemper, den man sich mit „seinem Mut, seiner Entschlossenheit und seiner Ausdauer“ bei der Vision, die neue Luftschiffhalle zur „Erlebniswelt“ zu machen, zum Vorbild nehmen wolle. Mülheims OB Marc Buchholz sprach mit Blick auf die Zeppelin-Zukunft und die neue Luftschiffhalle von einem „Meilenstein“ für das Ruhrgebiet.
Anlässlich des Zeppelin-Antrittsbesuchs kam auf Einladung der WDL und der DZR nicht nur Zeppelin-Werbepartner Goodyear auf die Raadter Höhen, sondern auch eine imposante Medienschar. Seit 2020 ist ein Zeppelin NT der DZR im Goodyear-Design europaweit als Markenbotschafter für den internationalen Reifenhersteller unterwegs. Darüber hinaus betreibt Goodyear in den USA seit 2014 drei eigene Luftschiffe des Typs Zeppelin NT, die in Friedrichshafen gebaut wurden und unter dem Namen „The Goodyear Blimp“ eine Werbe- und Marken-Ikone in Nordamerika sind.
Chef der Zeppelin-Reederei: „Neuer WDL-Hangar ist ein perfekter Rahmen“
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Die Partnerschaft zwischen Goodyear und Zeppelin reicht übrigens zurück bis ins Jahr 1924, als in den USA das Joint-Venture-Unternehmen „Goodyear-Zeppelin-Corporation“ gegründet wurde. Damals baute man gemeinsam zwei große Starrluftschiffe in den USA – die USS Akron und die USS Macon. Goodyear-Manager André Weisz zeigte sich stolz, nun mit dem Zeppelin als „Werbe-Ikone“ absehbar auch im imposanten, nachhaltig gebauten Mülheimer Hanger stationiert zu sein.
„Essen/Mülheim ist ein perfekter Zeppelin-Standort. Seit mehr als 50 Jahren hat man hier Erfahrung mit dem Betrieb von Luftschiffen und der neue WDL-Hangar ist ein perfekter Rahmen für dieses einmalige Flugerlebnis“, begründete am Freitag Eckhard Breuer, Geschäftsführer der DZR, die Entscheidung für den neuen Zeppelin-Standort am Flughafen Essen-Mülheim. Er versprach „viele hochinteressante Flugrouten für unsere Passagiere“ und schwärmte noch von seinem Anflug am Donnerstag auf Mülheim: „Man fliegt noch über der Düsseldorfer Altstadt und sieht, silbrig schimmernd, im Abendlicht schon die neue Luftschiffhalle. Es ist eine tolle Landmarke.“
Weltweit sind aktuell nur fünf Zeppelin NT am Himmel zu sehen, ab 2024 dann sechs
Breuer betonte auch die Partnerschaft mit der WDL: Die Zusammenarbeit funktioniere hervorragend, auch auf persönlicher Ebene. „In 14 Tagen war der Drops gelutscht, dass die DZR hier einen Zeppelin stationiert“, verriet WDL-Chef Peylo. Für die Ausweitung ihres Flugangebotes lässt die DZR über ihre Muttergesellschaft in Friedrichshafen aktuell einen neuen Zeppelin NT bauen, der 2024 am Bodensee in Dienst gestellt werden soll. Damit wächst die Flotte der Reederei dann auf drei Luftschiffe an. Zusammen mit den Goodyear-Luftschiffen in den USA werden ab Frühjahr 2024 weltweit sechs Zeppelin NT unterwegs sein.
Der Zeppelin NT ist laut DZR das größte und einzige für den kommerziellen Passagierbetrieb zugelassene Luftschiff der Welt und verfügt über eine starre Innenstruktur. Antriebe, Leitwerke und Kabine sind direkt an die Tragstruktur montiert und sollen dem Zeppelin NT ein Höchstmaß an Sicherheit, Komfort und Leistung verleihen. Mit einer Länge von 75 Metern und einem Volumen von 8425 Kubikmetern ist der Zeppelin NT das derzeit größte halbstarre Luftschiff. An Bord finden - je nach Baureihe - 13 bis 15 Passagiere Platz. In einem Luftfahrtforschungsprogramm prüft Zeppelin NT derzeit die Möglichkeit alternativer, klimaschonender Antriebstechniken. DZR-Chef Breuer hält einen seriellen Hybridantrieb für aussichtsreich, die Entwicklungskosten seien aber sehr hoch.
Schon jetzt werden auf der Seite von www.zeppelinflug.de erste Rundtouren ab Mülheim angeboten. Die erste Tour ist für den 9. Mai 2024 vorgesehen. Vier verschiedene, jeweils 45 oder 90 Minuten lange Touren sind im Angebot: Es geht zur Zeche Zollverein in Essen, in Richtung Duisburg/Oberhausen, nach Düsseldorf/Neuss oder Bochum/Gelsenkirchen. Die 45-Minuten-Tour mit „atemberaubendem Ausblick aus den großen Panoramafenstern“ kostet 430 Euro pro Person. „An Bord dürfen Sie sich frei bewegen, dem Pilot im Cockpit über die Schulter schauen oder sich einfach zurücklehnen und das zeit- und schwerelose Zeppelin-Gefühl erleben“, verspricht die DZR.
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