Mülheim.

Blauer Himmel, klare Sicht, Wind aus Ost-Nordost, Stärke 17 km/h – es ist Flugwetter. Theodor Wüllenkemper wäre an so einem Morgen sicherlich gerne aufgestiegen. Das Gefühl der Freiheit, die Faszination beim Fliegen hat ihn nie losgelassen, es war sein Lebenselixier. Sein letzter Abflug ist nun erfolgt – Richtung Himmel. Oder, wie seine Mitarbeiter auf die Schleife des Kranzes schrieben: „Der Himmel ist weit, unser Chef ist mittendrin.“ Rund 400 Menschen nahmen am Samstag Morgen in der Luftschiff-Halle am Flughafen Essen/Mülheim bei einer bewegenden Trauerfeier Abschied von Theodor Wüllenkemper.

Die Kulisse wirkt imposant , wie sein Leben es war. Der schwarze Sarg wird eingerahmt von Unmengen an Blumen und Kränzen. Rote Rosenblätter zieren den Boden. Den Blumenfreund Wüllenkemper, der so gerne Menschen mit einer weißen Orchidee eine Freude machte, hätte es gefreut. Unter dem großen Luftschiff sitzen die Trauergäste, von zwei Fotos neben dem Sarg blickt Wüllenkemper auf seine Familie, auf seine Freunde, auf seine Wegbegleiter, auf Mitarbeiter und Mitstreiter, auch auf jene, die mit ihm zuletzt auf seinem langen Krankheitsweg gekämpft haben.

Pionier der Luftfahrt

Pastor Ulrich Schreyer greift auf ein Wort des Propheten Jesaja zurück: „Die auf den Herrn vertrauen, gewinnen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler“. Es passt zu einem Pionier der Luftfahrt, es passt an diesem Morgen, genauso wie die Motorengeräusche von ein paar Flugzeugen, die die Halle überqueren.

Schreyer lässt das Leben des Luftfahrt-Pioniers noch einmal für alle ablaufen. Welch ein Leben! Ein Essener Junge aus einfachen Verhältnissen, Vater Kranführer, Mutter Hausfrau. Theodor absolviert die Volksschule, eine Ausbildung, er entdeckt die Liebe zum Fliegen, macht einen Segelflugschein, meldet sich zur Luftkriegsschule, wird von Kriegseinsätzen verschont, rettet einem englischen Fallschirmspringer das Leben, eine vielleicht lebensentscheidende Begegnung. Er verdient nach dem Krieg sein Geld als Maurer, dann mit seiner Lebensgefährtin Inge Bachmann als Süßwarenhändler. Die kleinen süßen Kirsch-Bonbons am Stiel – seine Erfindung, eine süße Geschichte, an die Schreyer erinnert.

Ein herzlicher Mensch

Heinz Lison, Sprecher der regionalen Wirtschaft, spricht an dem Morgen als enger Freund. Er schildert ihn als einen herzlichen, charmanten, bescheidenen Menschen, als einen, der vielen half, und das , ohne es an die große Glocke zu hängen. Jungen Unternehmern, Gründern – er stand ihnen zur Seite wie eben auch einer jungen Musikergruppe, den Backstreet Boys. „Theo Wüllenkemper war einer der profiliertesten Unternehmer in Deutschland“, sagt Lison.

Ein anderer enger Freund aus Mülheim, Bodo Hombach, Moderator des Initiativkreises Ruhr, schreibt in diesen Tagen über ihn: „Er hat sich um unser Gemeinwesen verdient gemacht. Er richtete Schwaches auf und lieh ihm seine Kraft. Immer war er bereit, Not zu lindern oder Verwirrung zu schlichten. Er fand sich nicht ab mit Unrecht und Ungerechtigkeit. Und dann stahl er sich nicht mit großen Theorien aus der Verantwortung, sondern packte zu, konkret, jetzt und hier.“

Johannes Groß von den German Tenors singt das Ave Maria, dessen Klänge sich bis unter die Kuppel der Flughalle ausbreiten. Die Halle steht für sein Lebenswerk, die WDL, die Entdeckung des Himmels als Werbefläche. Mit einem kleinen Banner mit der Aufschrift „Haribo macht Kinder froh“, das hinter einem Flieger flatterte, begann alles. Lange her.

Kontakte bis nach China und Afrika

Ein Standbein entwickelte Wüllenkemper am Flughafen Köln/ Bonn, Geschäftsverbindungen knüpfte er bis nach China und Afrika, sein Zuhause blieb jedoch stets Mülheim, wo es für ihn nicht immer bergauf ging. Lison erinnert an den Kampf, den Wüllenkemper gemeinsam mit der Wirtschaft, der IHK führte, den Flughafen auf den Ruhrhöhen zum Regionalflughafen zu entwickeln, sein Unternehmen auszubauen, neue Arbeitsplätze anzusiedeln. Lison: „Diesen Kampf gegen politische Mehrheiten haben wir verloren.“

Der Trauerzug verlässt langsam zu den Klängen von „My way“ die Halle, Prof. Helge Dorsch spielt am Klavier. Zwei Busse stehen bereit für die Fahrt zum Hauptfriedhof an der Zeppelinstraße. Die Luft ist klar, der Wind weht leicht aus Ost-Nordost, gute Bedingungen für eine Reise – wohin auch immer.