Mülheim. Als 14-jähriger Lehrling trat Willi Bruckhoff (89) in die IG Bergbau ein. Bei der Jubilarehrung ging es auch um brennende Mülheimer Themen.
„Demokratie ist nicht nur, alle vier Jahre zu wählen. Demokratie heißt, unsere Lebensbedingungen gerecht zu gestalten. Dass wir als Gewerkschaften daran mitarbeiten können, haben wir auch euch zu verdanken.“ So beglückwünschte der Vorsitzende der IG Bergbau Chemie und Energie (IGBCE), Bernd Kluthausen, am Samstag 36 Jubilare seiner Gewerkschaft im Mülheimer Bürgergarten. Bereits seit 75 Jahren Gewerkschafter ist Willi Bruckhoff (89) aus Winkhausen, der von 1948 bis 1984 als Bergmann arbeitete – in der dritten Generation.
„Mein Großvater hat mir damals gesagt: ,Geh in die Gewerkschaft und sieh zu, dass so was nicht noch einmal passiert.’“, erinnert sich Bruckhoff an das Jahr 1948. Damals trat er in die Gewerkschaft IG Bergbau ein. Was sein Großvater 1948 meinte, war die Zerschlagung der Gewerkschaften durch die Nationalsozialisten und ihre Kriminalisierung und Verfolgung während des Kaiserreiches.
Mülheimer Willi Bruckhoff trat 1948 in die Gewerkschaft ein
Bruckhoff berichtet weiter: „Mein Großvater hat mir damals meinen Monatsbeitrag von 90 Pfennigen bezahlt. Das war ein Prozent meines Lohns.“ Nach dem Abschluss der Volksschule fuhr der 14-Jährige als Bergmann im April 1948 auf Zeche Rosenblumendelle ein. Die Heißener Zeche war die letzte Mülheimer Zeche, ihre Schließung im Jahr 1966 machte Mülheim zur ersten zechenfreien Stadt im Ruhrgebiet. Bruckhoff, seit 1965 auch Sozialdemokrat, hat als Bezirksvertreter von 1975 bis 1999 auch Politik für seine Nachbarn im Mülheimer Norden gemacht und den Strukturwandel mitgestaltet.
Von 1973 bis 1998 stand er an der Spitze der örtlichen IG Bergbau, die 1998 in der neuen IG Bergbau Chemie und Energie aufging. Bruckhoff führte die Ortsgruppe der neuen Gewerkschaft bis 2016. Im Jahr 2020 ehrte ihn der Deutsche Gewerkschaftsbund mit der Hans-Böckler-Medaille.
IGBCE hat in Mülheim noch rund 500 Mitglieder
„Mitbestimmung und Lohnerhöhungen. Die Gewerkschaften haben viel für uns erreicht. Aber auch in den Gewerkschaften geht es heute leider nicht mehr so kumpelhaft zu wie früher“, stellt der Jubilar fest. Sein Nachfolger, Bernd Kluthausen, macht den Strukturwandel deutlich. „In Mülheim hat unsere Gewerkschaft noch rund 500 Mitglieder, die aus 102 Betrieben kommen. Die meisten Mitglieder arbeiten heute in der chemischen Industrie.“ Nach dem Krieg hatte allein die IG Bergbau in Mülheim 8000 Mitglieder.
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Seine Laudatio auf die langjährigen Gewerkschaftsmitglieder nutzte der Mülheimer IGBCE-Chef auch für einen Ausflug in die Kommunalpolitik. Ausdrücklich lobte er die Entscheidung des Rates, der Stadt ein Vorkaufsrecht für das Vallourec-Gelände zu sichern, um dort neue Unternehmen und Arbeitsplätze anzusiedeln. Mit Blick auf den Wandel der Arbeitswelt und auf die lokale Fortbildungslandschaft kritisierte er, dass die Stadt den Bürgerentscheid zur Erhaltung VHS an der Bergstraße noch nicht umgesetzt habe.
Bürgermeister Markus Püll rechtfertigt VHS-Stillstand
Bürgermeister Markus Püll erklärte in seinem Grußwort: „Sie kennen die finanzielle Situation der Stadt. Wir müssen Prioritäten setzen. Und Sie werden mir als Eltern und Großeltern Recht geben, dass die Baumaßnahmen in Kindertagesstätten und Schulen Vorrang haben, damit Kinder und Jugendliche unter guten Rahmenbedingungen leben und lernen können. Da muss die Volkshochschule an der Bergstraße warten. Denn sie hat an der Aktienstraße einen guten, wenn auch nicht perfekten Standort.“