Mülheim. Kündigungen und Versetzungen frustrieren das Mülheimer Karstadt-Team. Betroffene über mangelnde Anerkennung, ihre Perspektiven und Ängste.
Der Arbeitsplatz von Daniel S., das ist die Sportabteilung von Karstadt im Rhein-Ruhr-Zentrum. Besonders mit Laufschuhen kennt sich der 34-Jährige gut aus, er sagt: „Da kann sich nicht jeder einfach hinstellen. Es dauert Jahre, bis man die Fachkompetenz hat.“ Noch knapp drei Monate bleiben ihm, um Freizeitsportlerinnen und -sportler fachkundig zu beraten. Ab 1. Juli soll er dann nur noch hinter der Kasse stehen. Die Änderungskündigung, die vor wenigen Tagen kam, sieht es so vor.
Seinem Kollegen aus der Elektroabteilung geht es nicht besser: Auch Fabian E. (40) muss in drei Monaten seinen Arbeitsplatz im Verkauf notgedrungen verlassen und an die Kasse wechseln. Beide Männer gehören dem neunköpfigen Betriebsrat an und arbeiten schon etliche Jahre im Mülheimer Karstadt-Haus: Fabian E. seit 2002, Daniel S. seit Beginn seiner Ausbildung im Jahr 2006. Beide sind unglücklich über die Zwangsversetzungen. Wenigstens bleibt ihr Einkommen gleich. Andere trifft es härter.
Karstadt Mülheim: Acht Kündigungen ausgesprochen, 19 Zwangsversetzungen
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Insgesamt 19 Versetzungen gibt es bei Karstadt im Rhein-Ruhr-Zentrum. Acht Beschäftigte verlieren ihre Arbeitsplätze ganz: Sechs Mitarbeitende aus dem Verkauf und zwei aus der Verwaltung trifft es, berichtet Betriebsratsvorsitzende Andrea Grisail. Auch zwei Personen mit Schwerbehinderung seien darunter. Unpersönlich und kühl formulierte Kündigungsschreiben hätten sie bekommen, „von Juristen verfasst, ohne ein Wort des Dankes oder des Bedauerns“. Damit dezimiert sich die Mülheimer Belegschaft von aktuell 213 auf 205 Leute.
Der Insolvenzplan für Galeria Karstadt Kaufhof wird durchgezogen, der Betriebsrat habe bei den Kündigungen nicht mitreden dürfen, sondern werde lediglich im Nachhinein angehört, kritisiert Grisail, die auch dem Galeria-Gesamtbetriebsrat angehört. „Das kam von der Zentrale. Dort wurde über Menschen entschieden, ohne etwas über sie zu wissen - ihre Leidenschaften, Fähigkeiten, körperlichen Einschränkungen. Damit schafft man nur Frust.“
Betriebsrat kündigt Widerspruch gegen alle Maßnahmen an
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Der Betriebsrat werde Widerspruch gegen sämtliche Maßnahmen einlegen, Kündigungen wie Versetzungen, ergänzt Andrea Grisail. Begründung: „Die Sozialauswahl ist nicht korrekt gelaufen.“ Bei einer Belegschaft von insgesamt rund 17.400 Leuten seien Fehler passiert. Am Standort Mülheim, der ja immerhin weiter bestehen bleibt, sei die erste Euphorie und Erleichterung schnell verpufft. „So eine gedrückte Stimmung wie jetzt habe ich hier noch nie erlebt.“
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Eine Fachverkäuferin (62) aus der Modeabteilung, der ebenfalls Versetzung droht, bestätigt: „Wir haben uns so sehr gefreut, dass wir bleiben können, aber drei Tage später kam der Hammer.“ In ihrem Fall bedeutet das: Sie muss ab Juli ins Warenserviceteam (WST) wechseln, das keine Kunden mehr berät, sondern Waren auspackt, Preise auszeichnet, Kabinen aufräumt, etc. „Das bedeutet auch Lagerarbeit“, sagt die Verkäuferin, die seit 2007 bei Karstadt tätig ist, „schwere Arbeit.“ Doch sie könne wegen verschiedener gesundheitlicher Einschränkungen keine schweren Sachen mehr heben. Alternativen für sich persönlich, eine neue Stelle irgendwo anders, sieht sie nicht: „Ich habe nur noch knapp drei Jahre bis zur Rente. Und ich liebe meinen Job, ich möchte hier nicht weg.“
Wechsel vom Verkauf ins Serviceteam: rund 250 Euro weniger
Der Wechsel vom Verkauf ins WST bedeutet auch: weniger Geld. Bei einer Vollzeitstelle mache es rund 250 Euro brutto aus, erklärt die Betriebsratsvorsitzende Andrea Grisail. Vor allem sieht sie „die große Gefahr, dass wir Menschen am falschen Arbeitsplatz einsetzen und wertvolles Know-How verlieren“. Sie hätten sich die Möglichkeit gewünscht, die Umstrukturierung mitzugestalten. „Wir hätten es besser gemacht. So sind es Zwangsmaßnahmen. Man zwingt Leute, Jobs zu machen, die sie nicht machen wollen oder können.“
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Neben dem Kampf gegen Versetzungen und Kündigungen will der Betriebsrat auch weiter konstruktiv mitwirken. So kündigt Andrea Grisail an, man werde mit allen „rentennahen“ Mitarbeitenden im Mülheimer Haus ins Gespräch gehen, ob sie es sich finanziell leisten könnten, etwas früher aufzuhören. „Was anderes bleibt uns ja nicht übrig. Ich werde aber nicht Alt gegen Jung ausspielen.“
Mögliche Verkleinerung der Karstadt-Fläche im Rhein-Ruhr-Zentrum
Inwiefern auch die Fläche des Mülheimer Warenhauses verkleinert wird, ist noch völlig offen. Bekanntlich steht das Rhein-Ruhr-Zentrum kurz vor dem Verkauf, als neuer Investor wird die spanische Eurofund Group heiß gehandelt. Dann wird nach einem neuen Konzept das komplette Center umgebaut. Die Hoffnung, dass es damit endlich vorangeht, ist auch in der Karstadt-Belegschaft spürbar.
Fragt man die jüngeren Verkäufer Fabian E. und Daniel S., warum sie nicht einfach kündigen und in einem Unternehmen mit verlässlicher Perspektive neu anfangen, dann loben beide das „tolle Team“ im Mülheimer Haus, den Zusammenhalt. Und auch die treuen Stammkunden würden ihnen sicher fehlen, sagen sie, „die Leute, die wollen, dass unser Haus bleibt“.