Mülheim. Kondome mit Hanfaroma, Kindergeburtstag mit Nähkurs: Im Mülheimer Schloss-Center tut sich einiges. Auch für die leere Tedi-Fläche gibt es Ideen.
Das Schloss-Center liegt zentral in der Mülheimer Innenstadt, doch es ist klein, bescheiden, etwas versteckt. Den Eingang an der Schloßstraße 4-6 umrahmen die beiden auffälligsten Mieter: Backwerk und die Schloss-Apotheke. In einer verwinkelten, gefliesten Passage, die sich von der Schloßstraße bis zur Viktoriastraße zieht, reiht sich ein bunter Geschäfte-Mix aneinander.
Zwei Leerstände fallen sogleich ins Auge: besonders die verlassene Fläche des großen Nonfood-Ladens Tedi, den einige Passanten hier immer noch vergeblich suchen. Zugleich hat es im Schloss-Center kürzlich einen viel beachteten Neuzugang gegeben: den Cannabisladen „Hanfmate“.
Neuer Cannabisladen im Mülheimer Schloss-Center
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Auf den Schaufenstern klebt das Logo des neuen Shops: unverkennbar ein Hanfblatt mit sieben grünen Fingern. Betreiber von „Hanfmate“ ist David Röske, ein junger Mann aus Gelsenkirchen, der im Mülheimer Schloss-Center Mitte Februar seine zweite Filiale eröffnet hat. Im hellen Ladenlokal läuft bevorzugt Reggaemusik, die Regale und Vitrinen sind bestückt mit vielfältigen Produkten, die CBD (Cannabidiol) enthalten, und denen verschiedene, gesundheitsfördernde Wirkungen zugeschrieben werden, doch kein berauschender Effekt.
Öle werden angeboten, sogar Varianten für Haustiere, CBD-Blüten, Cookies, Kondome mit Hanfgeschmack, Tees, Lollies, Kosmetikartikel von Anti-Akne bis Anti-Aging. Das Sortiment sei komplett legal, sagt Röske, der sein Business zunächst mit einem Online-Shop startete. Alle Produkte enthielten weniger als 0,2 Prozent des Wirkstoffes Tetrahydrocannabinol (THC), der psychoaktiv wirkt. Höhere Dosierung ist in Deutschland nicht erlaubt. Sein Mülheimer Geschäft startet er vorsichtig und mit begrenzten Öffnungszeiten - montags bis freitags 14 bis 19 Uhr, samstags 11 bis 16 Uhr.
Große Kette übernahm das Mülheimer Traditionsgeschäft „Stoff Müller“
Grund, warum das Schloss-Center auch Kundschaft aus Nachbarstädten anzieht, ist ein paradiesisch bunter Laden, eine Fundgrube für alle, die Handarbeiten lieben, allseits bekannt als „Stoff Müller“. Hier gibt es Textil in vielfältigen Farben und Qualitäten, Zubehör bis zum winzigsten Knopf, computergesteuerte Nähmaschinen der neuesten Generation. Aber auch an diesem Mülheimer Traditionsgeschäft hat der Wandel nicht Halt gemacht, wie Filialleiterin Beatrice Fieberg berichtet: „Herr Müller ist in Rente gegangen.“ Der Laden wurde vor etwa zwei Jahren von „Der Stoff Stoffhandels-GmbH“ übernommen, einem Unternehmen mit Hauptsitz in Nordhorn und nach eigenen Angaben 44 Filialen deutschlandweit.
Doch das Geschäft liegt recht verborgen, obwohl es an beiden Eingängen zum Schloss-Center beschildert ist. Kaum jemand bummelt hier zufällig vorbei. „Wir leben nur von unserer Stammkundschaft, von Leuten, die wissen, dass wir hier sind“, sagen die Filialleiterin und Mitarbeiterin Simone Sommer. Zu versteckt sei das Handarbeitsgeschäft. Immerhin: Kundschaft komme aus Oberhausen, Duisburg, Essen, gar aus Bocholt.
Um das Angebot zu erweitern und bekannter zu werden, bietet das Team seit etwa einem Jahr auch Nähkurse an, die sehr gefragt seien. Dafür gibt es einen abgetrennten Bereich im hinteren Teil des Geschäftes. Auch Kindergeburtstage kann man hier feiern - neben den Nähmaschinen hängen noch kleine Stoffbeutel mit Muffin-Krümeln von der letzten Party.
Änderungsschneiderei hatte schwierigen Start
Auch schräg gegenüber wird genäht, umgearbeitet, ausgebessert - Schneider Ahmad händigt gerade einem Kunden ein Kleidungsstück aus, wechselt ein paar Worte mit ihm. Der 30-Jährige berichtet, er sei vor rund sieben Jahren aus Syrien nach Deutschland geflüchtet, habe in seinem Heimatland auch bereits als Schneider gearbeitet. Seine kleine Änderungsschneiderei und Reinigungsannahme „Tasnim“ habe er Anfang 2021 im Schloss-Center eröffnet. „Das erste Jahr war nicht so gut.“ Auch wegen des Lockdowns.
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Wie läuft es jetzt für ihn und seinen Laden? „2022 war besser. Ich möchte weitermachen und in keinem anderen Beruf arbeiten“, sagt der junge Mann, der nach Geschäftsschluss keinen weiten Heimweg hat. Er wohnt im selben Gebäude, über der Ladenpassage. Eine neue Nachbarin hat er jüngst bekommen, aber noch selten gesehen: das Kosmetikstudio „Wilvinne Cosmetics“ nahe dem Eingang Schloßstraße.
Am gegenüberliegenden Ende, an der Viktoriastraße, hat noch das Leihhaus Mülheim an der Ruhr seinen Sitz, das mit knallgelber Reklame auf sich aufmerksam macht. Und „Mia Perla“ bietet Schmuck-Reparaturen, Umarbeitungen, Batteriewechsel und Reinigungen an.
Größte Fläche in Mülheims Schloss-Center steht leer - Fitnessstudio hat Interesse
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Die größte Fläche im Schloss-Center steht aktuell leer: Das hintere Ladenlokal, in dem zuletzt Tedi ansässig war, steht zur Vermietung. Laut Exposé umfasst es insgesamt 1155 Quadratmeter in „optimaler Innenstadtlage“ und kostet in aktueller Ausstattung 4950 Euro Monatsmiete. Wie im Center zu hören ist, könnte hier bald ein Fitnessstudio einziehen. Von Seiten des Eigentümers, BBK Real Estate, wird das so allerdings noch nicht bestätigt.
Dort heißt es, mit zwei bis drei ernsthaften Interessenten werde verhandelt, darunter sei tatsächlich auch ein Fitnessstudio-Betreiber. „Doch noch ist nichts unterschriftsreif.“ Von der Vermietung der großen Fläche hänge auch ab, was an der Immobilie zeitnah gemacht wird.
Fassadenverschönerung aus Kostengründen aufgeschoben
BBK Real hat den großen Gebäudekomplex, in dem sich auch 59 Mietwohnungen befinden, zum 1. Januar 2019 erworben. Ursprünglich sei geplant gewesen, die Passage etwas ansprechender zu gestalten, insbesondere die Fassade zu verschönern. Doch die damaligen Planungen seien überholt, so ein Sprecher des Unternehmens. „Leider ist es kostentechnisch nicht günstiger geworden.“
Eine weitere Fläche von 77 Quadratmetern ist gegenüber dem Stoffgeschäft zu vermieten. Ahmad, der Schneider, könnte sich vorstellen, im Schloss-Center ein zweites Geschäft zu eröffnen, eine Boutique, in der er Herrenanzüge und Kleider für Damen verkauft. Ob er es tatsächlich wagt, weiß er noch nicht.