Mülheim. Welche Zukunft blüht dem Mülheimer Wald? Ein Arbeitskreis Wald fordert mehr Investitionen ins Grün – Teile der Politik aber haben andere Pläne.
Niemand wolle eine Bewirtschaftung des Mülheimer Waldes – unisono und mehrfach bekundeten Verwaltung und Politik dies in der Sitzung des Umweltausschusses. Wer auf die Zwischentöne hörte, konnte allerdings ein „aber“ vernehmen. Denn in der Frage, wie Mülheim die Anforderungen bewältigen will, einen gesunden Wald zu erhalten und weiterzuentwickeln, muss die Politik eine Grundsatzentscheidung treffen: Ohne eine auskömmliche Finanzierung wird der Wald nicht klimagerecht zu gestalten sein.
Die hingegen unentgeltliche Leistung, die der Wald den Mülheimern seit Jahrzehnten erbringt, dröselte der Leiter der Biologischen Station Westliches Ruhrgebiet im Umweltausschuss wissenschaftlich auf: Klimaschutz, Wasserversorgung, Schadstofffilterung, Erosionsschutz, Gesundheit, Erholung und sozialer Treffpunkt zählte Dr. Peter Keil auf. Zu guter Letzt auch „Rohstoffe“.
Mülheimer CDU und Grüne wollten „ökologische Waldbewirtschaftung“ prüfen lassen
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Doch genau den umgekehrten Eindruck – dass die Politik die Ökonomie des Waldes in den Fokus stelle – hatte der Naturschutzbeirat gewonnen, als 2021 die CDU und Grünen mit ihrer Koalitionsmehrheit von einer Stimme im Umweltausschuss gegen alle anderen Parteien durchdrückten, die Verwaltung des Waldes womöglich an den Regionalverband Ruhr (RVR) zu übergeben. Man beschloss damals zwar nur eine solche Prüfung, doch deren Ziel war es, Kosten beim Unterhalt des Mülheimer Waldes einzusparen und eine „ökologische Waldbewirtschaftung und -pflege“ zu verfolgen. Damit wollte man das „Minus“ von 882.115 Euro (2021) im Bereich Forst senken.
Im Naturschutzbeirat sah man das anders: Am Wald zu sparen, habe schwere Folgen. Eine Arbeitsgruppe „Wald“ wurde aus Beirat, Politik und Dezernent Felix Blasch gegründet, die über die Zukunft der Waldentwicklung beraten sollte. Die von Keil vorgetragenen Funktionen sind also als Ergebnis und Positionierung der Arbeitsgruppe zu begreifen. Und die stellt eine Bewirtschaftung weit hinten an.
Arbeitskreis Wald positioniert sich: „Sichtweise ist zu verändern“
Die bisherige „Sichtweise“ sei zu verändern, warb Keil: Die „hohe ökologische Bedeutung“ und „hervorragende Artengarnitur“ sowie die „soziale und gesundheitliche Leistung“ des Mülheimer Waldes sei zu fördern, „die man monetär nicht ausdrücken kann“. Notwendig dafür sei eine „bürgernahe Forstverwaltung“ mit „Ansprechpartnern vor Ort“, die zeitnah auf Bürgeranfragen reagieren.
Doch die ist schon heute aufgrund von unbesetzten Stellen kaum in der Lage, Bürgeranfragen zu bewältigen, was sich im Winter daran zeigte, dass Mülheim kein Holz liefern konnte, Nachbar Duisburg, denen ein Teil des Waldes am Uhlenhorst gehört, schon. Nicht ohne Grund reagierte Daniel Mühlenfeld, dessen Partei SPD damals nicht für den schwarz-grünen Antrag gestimmt hatte: „Hat das Ergebnis des Arbeitskreises Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit? Ist das für den RVR noch attraktiv?“
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Auch die grüne Bezirksbürgermeisterin Britta Stalleicken stellte sich diese Frage. Für Keil war die Antwort klar: Zukünftige Waldentwicklung wird etwas kosten, ein ökonomisch lohnender Wirtschaftswald hingegen sei völlig anders zu pflegen: „Was ist der Wald wert für uns, für unsere Kinder?“, fragte Keil.
CDU betrachtet Positionspapier des Arbeitskreises als „Wunschliste“
Offensichtlich scheiden sich daran politisch die Geister, möglicherweise schon in der Koalition selbst: Für den umweltpolitischen Sprecher der CDU, Roland Chrobok, ist das Positionspapier des Arbeitskreises nur eine „Wunschliste“. Zwar wolle er den Wald nicht rein ökonomisch betrachten, doch „am Ende hat der Dezernent ein Budget“. Man müsse nun „ergebnisoffen“ und mit Blick auf die kommende Haushaltsdebatte darauf schauen, ob mit einer Vergabe an den RVR nicht „Synergien“ genutzt werden können.
Sein Parteikollege und Landwirt Martin Siekerkotte ging gar einen Schritt weiter. Ein „leichter Ertrag“ durch Bewirtschaftung könnte die Entwicklung des Waldes finanzieren. Bei 1000 Hektar Wald könnte man deshalb 500 Hektar bewirtschaften, nannte Siekerkotte – selber Waldbesitzer – als Beispiel.
Entgegnung aus der Bürgerschaft: Wald spielt erhebliche Rolle für den Menschen
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„Altes Denken führt zu altem Handeln“, entgegnete Michael Cremer, der als Bürger und Vorsitzender des Mülheimer Alpenvereins im Ausschuss sitzt, die Ökologie gelte heute als Fundament der Wirtschaft – und nicht umgekehrt. Auch für den Umweltmediziner Dietrich Rohde ist die Priorität mit Blick auf den Wald keine Frage: „Für den Menschen und das Klima spielt der Wald eine erhebliche Rolle – diese Perspektive sollten wir haben.“
Aus Rohdes Sicht wären zwei Dinge denkbar: eine gezielte Vergabe von Einzelleistungen an den RVR und die Beibehaltung des Forstamtes, das man in Kooperation mit der Nachbarstadt Duisburg führen könnte, die im Uhlenhorst einen Teil des Waldes besitzt. Gegenüber einer vollständigen Übergabe an den RVR hat Rohde Bedenken: Denn dieser arbeite auch mit günstigen Subunternehmern, deren Arbeitsgüte kontrolliert werden müsse.
Indes will Umweltdezernent Felix Blasch ein solches Leistungsverzeichnis erstellen lassen und dem RVR zur Kostenschätzung vorlegen, damit die Kosten zur Haushaltsdebatte im Herbst vorliegen. Zu prüfen sei „nicht die Wirtschaftlichkeit des Waldes, sondern, wer Leistungen effizient erbringen kann“, so Blasch.