Mülheim. Die Holzpreise sind 2021 drastisch gestiegen. Könnte das waldreiche Mülheim davon profitieren? Denn seit Jahren ist der Politik der Wald zu teuer.

Nicht nur, wer gerade ein Haus baut, das Dach machen lässt oder den Kamin heizt, weiß: Die Holzpreise sind in diesem Jahr kräftig gestiegen – für Industrie und Handel hatte er sich teils sogar verdoppelt. Doch auch Waldbesitzer konnten beim Verkauf bis zu 36 Prozent mehr Einnahmen erzielen. Könnte das arm an Geld, aber reich mit Grünem ausgestattete Mülheim davon profitieren und sich den Wald gar ,vergolden’ lassen?

Mülheims schwarz-grüne Koalition lässt günstigere Waldpflege durch RVR prüfen

Solche Hoffnungen geistern in unterschiedlicher Form nicht erst seit heute in den Köpfen der Politik. Erst im vergangenen Juni stellten Grüne und CDU im Umweltausschuss den Antrag, etwa die technische Betriebsleitung und den forstlichen Betriebsvollzug für die circa 1000 Hektar Waldflächen in die Hände des Regionalverbands Ruhr (RVR) abzutreten.

So könnten „die Ziele sowohl der ökologischen Waldbewirtschaftung und -pflege als auch einer geringeren Subventionierung des Bereiches Mülheimer Forst erfolgreich verfolgt werden“, heißt es in dem „Prüfauftrag“ an die Verwaltung. Denn die Mülheimer Naherholung ist aus Haushaltssicht nämlich vor allem eines: teuer. Ein jährliches Minus von 882.115 Euro monieren Schwarz-Grün für 2021.

Die Prüfung fand in der Opposition allerdings wenig Anklang: Nur ein AfD-Mitglied schloss sich der schwarz-grünen Mehrheit an, gleichzeitig stimmte ein anderes AfD-Mitglied auch dagegen. Nichtsdestotrotz reichte die knappe Mehrheit aus. Nun also prüft die Stadt, alle Prozesse „von der Planung über die Organisation von Pflegemaßnahmen bis zur Holzvermarktung“ aus der eigenen Hand und in die des RVR zu geben.

Schon 2012 scheiterte die Politik mit Vorschlägen zur Kostenreduzierung

Ins Rollen aber kam dieser Stein schon vor zehn Jahren, denn es ist nicht das erste Mal, dass der Mülheimer Wald „sein Defizit“ und so die kommunale Haushaltsmisere aufbessern sollte: Schon 2012 beschloss der Rat der Stadt eine Einsparung im Forstbereich von jährlich 150.000 Euro ab 2014. Ein externer Gutachter sollte errechnen, wo genau denn das Geld im Wald begraben liege. Sein Ergebnis ernüchterte allerdings die politische Goldgräberstimmung: 150.000 Euro seien „kaum realistisch“.

Im Gegenteil sogar: Nur ein Drittel der Holzbodenfläche sei als „Wirtschaftswald im Sinne der Holzproduktion zu klassifizieren. Die auf diesen Flächen mögliche nachhaltige Holzerntemenge von schätzungsweise 1600 Fm/a (a=100 qm) wird im Wesentlichen aus minderwertigen Sortimenten bestehen. Die Vermarktung des Holzes ist vom Erlös her unterdurchschnittlich und der Einsatz des eigenen Personals in Holzernte unwirtschaftlich“, urteilte der Gutachter.

Warum Mülheim von der Mischwald-Strategie des Forstamtes ökologisch profitiert, erklärte Oberförster Dietrich Pfaff während der großen Trockenheit 2019.
Warum Mülheim von der Mischwald-Strategie des Forstamtes ökologisch profitiert, erklärte Oberförster Dietrich Pfaff während der großen Trockenheit 2019. © Zoltan Leskovar | Zoltan Leskovar / FUNKE Foto Services

Stadt muss sich entscheiden zwischen Naherholung und Bewirtschaftung

Die Einsparungen seien nur dann möglich, wenn Wege im Wald umfangreich gesperrt würden, denn „der Einfluss der Erholungssuchenden äußert sich in einer absoluten Übererschließung und zusätzlicher Erosion und Devastierung (Fliegerberg) durch wilde Trampelpfade und Fahrradwege“, heißt es im Gutachten. Weiterhin also liegt der Wald am Scheideweg zwischen Bewirtschaftung und Naherholung.

„Auch aus der damals beauftragten Forsteinrichtung ergab sich, dass der Mülheimer Wald grundsätzliche Unterschiede gegenüber einem Wirtschaftswald aufweist“, erläutert Umweltdezernent Peter Vermeulen die bis heute bestehende Lage.

RVR ist interessiert an Waldpflege

Ob der neuste Vorstoß – die Pflege des Waldes durch den RVR – weitere Kosten einsparen wird, ist ungewiss.

„Wir bewirtschaften bereits einen großen Forstbetrieb und haben das Know-how und die Maschinen, um mit die Kommunen bei der Bewirtschaftung zu entlasten“, zeigt sich der Regionalverband Ruhr auf Anfrage der Redaktion durchaus interessiert. Für Witten etwa handelt der RVR bereits im Auftrag. Auch mit anderen Kommunen sei man im Gespräch.

Die Stadt Mülheim verlöre damit nicht ihren Besitz, betont der Sprecher des RVR. Wie hoch aber der finanzielle Ausgleich für die Leistungen sei, ob damit der Mülheimer Wald stärker bewirtschaftet, sprich mehr geschlagen werde, sei am Ende eine Frage des Vertrags.

Die Vorteile für den Zustand des Waldes aber zeigten sich in den vergangenen sehr trockenen Jahren: Als anderswo Baumbestände aufgrund des fehlenden Niederschlags gefährdet waren, zeigte sich der Mülheimer Wald widerstandsstark. Nicht zuletzt, weil das Forstamt konsequent seit 1996 auf eine Mischwaldkultur setzte.

Warum die Einnahmen durch Holzverkauf höchst unterschiedlich ausfallen

Die Erträge im Wald seien entsprechend „minimal“, macht der seit 2012 zuständige Umweltdezernent Peter Vermeulen keine Hoffnung auf klingende Kasse: Rund 113.000 Euro nahm die Stadt zum Beispiel 2018 ein durch Holzverkauf von Roteiche – mit 67.000 Euro stärkster Posten –, Buche und Fichte sowie mit zerkleinertem Holz (Hackschnitzel: ca. 12.000 Euro), Kamin- und Brennholz (ca. 21.000 Euro).

Das sind aber eher zufällige Spitzen. Vor allem 2019, aber auch 2020 ging der Verkauf insbesondere von Roteiche drastisch nach unten – und somit die Einnahmen auf rund 27.000 und 64.000 Euro. Denn die hängen nicht etwa an der mehr oder minder starken Holznachfrage, sondern am notwendigen Einschlag etwa aus Verkehrssicherungsgründen oder – wie 2019 – aus Sorge vor dem Borkenkäfer. Damals fällte man viele Nadelhölzer, damit der Borkenkäfer sich erst gar nicht in Mülheim niederlässt, erläutert Vermeulen. Und ersetzte diese durch Mischwald.

Bisher hat die Ökologie stets das Gewinnerlos gezogen

Fichte und Co. aber erzielen keine hohen Preise. Auch der RVR als künftiger „Pfleger“ müsste dafür schon die Bewirtschaftung deutlich in den Vordergrund stellen und den Zugang begrenzen. Vermeulen, der seit 2012 als Dezernent für den Wald zuständig ist, will zwar auch die im Gutachten bemängelte „Übererschließung“ weiter zurückfahren. Die Erholungsnutzung soll aber erhalten bleiben.

„Seit 2012 wird auf politischer Ebene ein Zurückfahren der Zuschüsse für die Waldbewirtschaftung gefordert und nach ausführlicher Befassung zieht die Politik per Beschluss ihre Forderungen dann stets zurück“, kommentiert Vermeulen die bisherigen Vorstöße.

Im Abwägungsprozess zwischen Naherholung und Ökonomie hat die Ökologie bislang das Gewinnerlos gezogen, trotz der Verlockungen steigender Holzpreise.