Mülheim. Eltern-Taxis an einem Mülheimer Schulzentrum gefährden Kinder und nerven Nachbarn. Das tägliche Chaos soll beendet werden – mit neuen Maßnahmen.
Morgens halb acht, Alltagsbetrieb am Schulzentrum Broich. Die Sonne schiebt sich durch hellgrauen Dunst, die Luft ist schneidend kalt, die Straße regennass. Die Karawane kommt. Ein Auto nach dem anderen rollt über die Holzstraße heran, manche mit Schneeresten auf dem Dach. Am Steuer: ein Erwachsener, auf dem Beifahrersitz: ein Kind. Eltern karren ihren Nachwuchs zur Schule, schnell vorfahren, anhalten, aussteigen lassen, rasch den Rucksack aus dem Kofferraum holen, fix weiterfahren. So läuft es normalerweise.
Doch Mittwochfrüh sind die Anreisenden irritiert. Auf sie wartet ein Großaufgebot von Polizei und Ordnungsamt. Rund 15 Einsatzkräfte, dunkelblau uniformiert, nähern sich den Wagen. Grund: Eine neue Elternhaltestelle am Schulzentrum Broich geht offiziell in Betrieb. Eingerichtet wurde sie vor etwa einer Woche. „Vorher war hier wirklich Wilder Westen“, sagt Sonja Knopke, Leiterin der Straßenverkehrsbehörde im Mülheimer Ordnungsamt.
Mülheimer Realschulleiter: „Ein gefährlicher Knotenpunkt“
Denn nicht nur Elterntaxis fahren massenhaft vor, auch volle Busse stoppen genau hier, an der Haltestelle Kiebitzfeld, Kindergruppen steigen aus, queren die Straße. Sehr viele Schülerinnen und Schüler kommen mit dem Rad. „Es ist ein vielfältiger, gefährlicher Knotenpunkt, wo sich verschiedene Verkehrsteilnehmer knubbeln“, sagt Dr. Ekkehard Witthoff, Leiter der Realschule Broich. Rund 930 Mädchen und Jungen besuchen seine Schule, knapp 1000 das benachbarte Gymnasium Broich. Morgens drängt sich auf der Holzstraße alles.
Gymnasiasten, die gerade ihre Räder an die Fahrradständer ketten, beschreiben die Rücksichtslosigkeit mancher Eltern, die sie tagtäglich erleben. „Sie fahren, ohne zu gucken, ob ein Rad kommt“, berichtet ein Junge. „Und sie drehen, sobald sie ihre Kinder rausgelassen haben. Wir müssen immer aufpassen, damit wir nicht überfahren werden.“
Noch gab es keinen schweren Unfall – „ein Wunder“
Auch interessant
„Ein Wunder, dass hier noch nichts passiert ist“, meint auch Sonja Knopke vom Ordnungsamt. Zumindest kein schwerer Unfall ist bekannt. Damit dies so bleibt, wurden jetzt rot-weiße Absperrpfosten aufgestellt. Sie blockieren den Straßenrand gegenüber der Einfahrt zur Sporthalle, wo Eltern gerne hektisch halten. Zwei weitere Poller stehen auf der Verkehrsinsel in Höhe der Bushaltestelle, die Eltern oft regelwidrig für einen sportlichen U-Turn nutzen.
„Hier sind morgens sehr viele Autos und Kinder“, sagt auch die elfjährige Fina, die mit einer Freundin am Straßenrand steht. Sie besuchen die 5a der Realschule Broich und verteilen am Mittwoch „Strafzettel“, die sie selbst gestaltet haben, mit dem Appell: „Bitte halten Sie sich an die neue Fahrtrichtung der ,Kiss And Ride Lane’.“
Neue Elternhaltestelle an der Mülheimer Holzstraße ist eine Einbahnstraße
Der Weg zur Elternhaltestelle, der ersten an einer weiterführenden Mülheimer Schule, führt als Einbahnstraße hinter den Pfosten vorbei. Über den Parkplatz an der Holzstraße. Sie ist als Hol- und Bringzone („Kiss And Ride Lane“) gedacht – „ähnlich wie am Flughafen“, sagt Alexander Prim, Leiter der Mülheimer Polizeiinspektion. Er wohnt selber mit seiner Familie hier und beobachtet: „Die Parkverstöße haben überhandgenommen.“ Die Sicherheit der Fußgänger und Radfahrer sei permanent gefährdet.
Die Väter und Mütter müssen noch lernen und üben. Viele biegen in die neue Elternhaltestelle ein und parken dort erst mal. „Das sollen sie ja gerade nicht“, kommentiert Sonja Knopke und klopft sofort bei einem Vater ans Autofenster. Die Fachfrau vom Ordnungsamt räumt aber auch ein, dass die Beschilderung und Markierung der Zone noch deutlich verbessert werden könnte.
Anwohnerin beobachtet chaotisches Treiben
Auch interessant
Ob die Elternhaltestelle so funktioniert, wie sie soll, muss sich zeigen. In den ersten Tagen, ohne große Polizeipräsenz, hätten viele Pkw-Fahrer sie ignoriert und wie gewohnt auf dem Gehweg gehalten, berichtet eine Anwohnerin. „Die Haltestelle wurde nicht angenommen.“ Auch im Kiebitzfeld, einer Sackgasse, herrsche morgens chaotisches Treiben: „Da fahren im 20-Sekunden-Takt die Autos rein und bringen Schüler bis vor die Treppe.“ Sehr oft würden auch Einfahrten zugeparkt, Grundstücke befahren und Kinder auf Fahrrädern rücksichtslos überholt. „Das ist hier brisant, schlimmer als an den Grundschulen.“
Künftig werden Polizei und Ordnungsamt nicht nur ermahnen, sondern Knöllchen verteilen, hieß es warnend am Mittwoch. Je nach Schwere des Verstoßes sind dann zehn bis 50 Euro fällig.