Mülheim. In Mülheim gab es 2022 mehr Verkehrsunfälle, auch schwere. Senioren stürzten mit Pedelecs. Auch zu Alkohol-Unfällen gibt es Alarmierendes.

Am 14. Oktober 2022 passierte ein schrecklicher Verkehrsunfall auf der Geitlingstraße in Mülheim. Eine 90-jährige Fußgängerin lief vom Gehweg plötzlich auf die Straße, krachte mit einem Fahrradfahrer (37) zusammen. Dieser blieb unverletzt, während die alte Dame noch am Unfallort an schwersten Kopfverletzungen starb. Sie blieb die einzige Mülheimer Verkehrstote im vergangenen Jahr.

Der Zusammenstoß wird – als besonders folgenschwerer Fall – in der Verkehrsunfallstatistik 2022 geschildert, die die Polizei am Mittwoch veröffentlicht hat. Im Vorjahr gab es etliche Verkehrsunfälle in Mülheim: Insgesamt 6133 zählte die Polizei, rund 11,6 Prozent mehr als 2021, fast ebenso viele wie vor der Pandemie. Menschen waren mehr unterwegs. „Das Leben auf den Straßen ist wieder leichter und lockerer geworden“, sagte Polizeipräsident Andreas Stüve bei der Präsentation der neuesten Zahlen. Aber augenscheinlich auch gefährlicher, gerade in Mülheim.

In Mülheim passierte 2022 nur ein tödlicher Verkehrsunfall

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Denn häufig blieb es nicht beim Sachschaden, beim verbogenen Schutzblech oder der verbeulten Autotür: 588 Personen in Mülheim sind 2022 bei Verkehrsunfällen verunglückt, sprich: mindestens leicht verletzt worden. Im Jahr zuvor waren es 515. Immerhin: Während 2021 vier Menschen bei Unfällen auf Mülheimer Straßen starben, gab es im Vorjahr nur ein einziges Todesopfer, die 90-jährige Fußgängerin.

Die Zahl der Schwerverletzten bei Verkehrsunfällen, also der Betroffenen, die stationär im Krankenhaus behandelt werden mussten, ist 2021 drastisch gestiegen. 101 Personen hat es in Mülheim erwischt (im Vorjahr: 81) – ein Plus von fast 25 Prozent, der höchste Stand im Zehn-Jahres-Rückblick. Warum das in Mülheim so ist, während etwa in Essen die Zahl der Schwerverletzten stark zurückging, dafür haben die Verkehrsexperten der Polizei noch keine schlüssige Erklärung. Auch die Zahl der Leichtverletzten auf Mülheimer Straßen hat sich im Vorjahr deutlich erhöht: um rund 13 Prozent auf 486 Personen.

Mehr Kinder und viel mehr Senioren sind verunglückt

Dass nach Ende der Corona-Lockdowns wieder mehr Kinder verunglücken, war zu erwarten. „Es gab wieder mehr Schulwegunfälle“, sagt auch Polizeiverkehrsdirektor Ulrich Sievers. Insgesamt 53 Kinder sind 2022 im Mülheimer Straßenverkehr verunglückt, rund zehn Prozent mehr als 2021. Elf Mädchen und Jungen wurden schwer verletzt, Todesopfer gab es nicht. Bei einem Unfall auf der Aktienstraße musste allerdings Ende Juli 2022 ein achtjähriger Junge wiederbelebt werden. Eine Unfallzeugin (42) rettete ihm das Leben.

Polizeipräsident Andreas Stüve (Mi.) und Ulrich Sievers, Leiter der Verkehrsdirektion, stellten am Mittwoch die Verkehrsunfallstatistik für Essen und Mülheim vor.
Polizeipräsident Andreas Stüve (Mi.) und Ulrich Sievers, Leiter der Verkehrsdirektion, stellten am Mittwoch die Verkehrsunfallstatistik für Essen und Mülheim vor. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Geradezu in die Höhe geschnellt ist die Zahl der Mülheimer Seniorinnen und Senioren über 65 Jahren, die 2022 im Straßenverkehr verunglückt sind: Insgesamt waren es 123 Personen, weit mehr als doppelt so viele wie im Vorjahr (56). Besonders die Altersgruppe zwischen 70 und 79 Jahren erlitt Unfälle: „Menschen, die mobil sein wollen und es eigentlich auch noch können“, so Sievers, „die sich aber teilweise überschätzen.“

Pedelecfahrer haben oft Alleinunfälle

Besonders auf Zweirädern kann das riskant und schmerzhaft werden. So ist die Zahl der verunglückten Rad-oder Pedelecfahrer in Mülheim um fast 47 Prozent gestiegen: 176 Personen wurden bei Unfällen verletzt. „Häufig sind Pedelec-Unfälle Alleinunfälle“, stellt Polizeipräsident Andreas Stüve fest. Um sie zu verhindern, hat die Polizei Essen/Mülheim neuerdings auch einen Pedelec-Simulator im öffentlichen Einsatz, auf dem Interessierte ihre Reaktionsfähigkeit testen können.

Insgesamt 61 Alleinunfälle mit Fahrrädern oder Pedelecs hat es 2022 in Mülheim gegeben, fast 85 Prozent mehr als im Jahr davor. In etwa einem Drittel der Fälle waren es Pedelec-Fahrer, die stürzten.

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Unfallflucht kommt in Mülheim immer häufiger vor

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Regelmäßig passiert es, dass Unfallbeteiligte verschwinden: 2022 verzeichnete die Polizei in Mülheim insgesamt 1347 Fälle von Verkehrsunfallflucht – Tendenz klar steigend (im Jahr zuvor waren es 1193 Fälle). Im Vorjahr setzten sich auch bei 68 Unfällen mit Verletzten Beteiligte ab. Die Aufklärungsquote bei Unfallflucht betrug in Mülheim zuletzt nur noch 39,2 Prozent (2021: 40,9 Prozent), wenn es um reinen Sachschaden geht. Bei Unfällen mit Personenschäden waren es 58,1 Prozent (2021: 59,5 Prozent).

Interessant ist auch ein Blick auf die Unfallursachen: 18 Verkehrsunfälle, die die Polizei im Vorjahr in Mülheim aufnahm, passierten offenbar durch überhöhte Geschwindigkeit, dabei gab es 16 Verletzte. Bei 70 Unfällen mit 25 Verletzten wurde Alkoholkonsum als Ursache ermittelt – hier zeigt sich ein extremer Anstieg gegenüber 2021, wo nur 30 Unfälle in Mülheim nachweislich von Betrunkenen verursacht wurden. Bei 17 Verkehrsunfällen im Vorjahr spielten Drogen eine Rolle, das waren zwei mehr als 2021.

Fünf Verkehrsunfälle, sechs Verletzte durch „elektronische Geräte“

Erst seit 2021 überhaupt statistisch erfasst wird die Unfallursache „elektronische Geräte“, vor allem der berüchtigte „Blindflug“ beim ablenkenden Blick aufs Handy. 2022 hat die Polizei in Mülheim erstmals fünf solcher Unfälle erfasst, im Vorjahr war es noch keiner. Dabei wurden sechs Personen zumindest leicht verletzt.

Die Polizei Essen/Mülheim veröffentlicht die jährliche Verkehrsunfallstatistik auf ihrer Website. Dort finden sich auch die aktuellen Zahlen für 2022.