Mülheim. Schreck am Mülheimer Wasserbahnhof: Ringsherum liegt nun Rollrasen, das blühende Beet der Blumenuhr ist umgepflügt. Spart man am Vorzeigeplatz?
Den Shitstorm wird man diesmal nach der Uhr stellen können: Die beliebte Blumenuhr am Mülheimer Wasserbahnhof ist umgepflügt, die Zeiger sind verschwunden. Im Umfeld des Platzes der Deutschen Einheit sind auch die säumenden Beete durch einheitlichen Rollrasen ersetzt. „Der Zukunft verpflichtet“, mahnt noch ein Schild der Siemens AG. Hat der Uhr nun die Stunde geschlagen?
Denn schon einmal versuchte die Stadt, die aufwendige, kostspielige und damit offenbar unliebsame Bepflanzung loszuwerden. 2017 erklärte sie den Mülheimerinnen und Mülheimern sowie der Politik, man werde unter anderem die Sonnenuhr und Beete nicht mehr bepflanzen. Und somit im Einklang mit anderen Beschneidungen an die 104.000 Euro einsparen.
Mülheims früherer OB Scholten wollte Kürzung der Blumenuhr einkassieren
Auch interessant
Der dann folgende Shitstorm in der Öffentlichkeit aber bewog die Verwaltung dazu, darüber noch einmal in sich zu gehen. Insbesondere der frühere Oberbürgermeister Ulrich Scholten kündigte erzürnt an, notfalls den Beschluss aus dem Hause des ehemaligen Umweltdezernenten Peter Vermeulen kurzerhand einzukassieren.
Der Vorschlag der Mülheimerin Irmgard Groß, die Beete auf wiederkehrende heimische Stauden umzustellen, um damit Ausgaben zu reduzieren, wurde im vergangenen Jahr nicht mehr aufgegriffen. Und nun liegt ein kurz geschnittener Rollrasenteppich über der Sache.
Kämmerer gab das Okay, Mittel für Bepflanzung abzuziehen
Die Sparmaßnahme ist vom Grünflächenmanagement mit dem Kämmerer abgestimmt worden, teilt Umweltdezernent Felix Blasch mit. Frank Mendack soll das Okay dafür gegeben haben, die Bepflanzung für voraussichtlich nur ein Jahr auszusetzen, um damit Pflegemaßnahmen auf den Friedhöfen zu finanzieren. Es soll dabei um Kosten von 48.000 Euro für die Bepflanzung gehen, die nun in die Friedhofspflege eingehen.
Betroffen ist nicht nur die Schleuseninsel: „Wir mussten Mittel von der Denkmalpflege bis zum Planungsamt zusammenziehen“, erläutert Blasch. Selbst das reichte nicht für eine vollständige Beauftragung einer externen Firma, einen Teil müsse daher das Grünflächenamt selbst erledigen. Denn die Kosten für die Pflege der Friedhöfe seien im vergangenen Jahr unerwartet explodiert, um mehr als 90 Prozent. Wegen des Fachkräftemangels hätten sich auf Ausschreibungen zudem weniger Firmen beworben – und diese könnten nehmen, was sie verlangen.
Fachkräftemangel bei Grünpflege treibt Preise in die Höhe
Hinzu kam: Aufgrund des von Schwarz-Grün angeregten Doppelhaushaltes 2022/2023 waren die Spielräume klein, um Mittel zu besorgen. „Wir hätten aber nicht einfach die Friedhöfe sich selbst überlassen können“, argumentiert Blasch.
In den sozialen Netzwerken steigt der Ärger über die Sparmaßnahme ausgerechnet an Mülheims Vorzeigeinsel, die schließlich in Stadtführern eifrig beworben wird, und von der aus die Weiße Flotte startet. Für Andreas Preker-Frank, Mitglied der „Partei“ und Gründer des Verschönerungsklubs, ist das eine Bankrotterklärung für den Mülheimer Tourismus: „Es ist absurd, wenn der Wasserbahnhof auf der Website der Stadt immer noch in schönen Worten als ein Grund für einen touristischen Mülheim-Besuch propagiert wird und in der Realität das ganze Gelände wissentlich verelendet. Mich stört erheblich, dass nicht frühzeitig die Alarmglocken geläutet wurden. Es hätten sich ja möglicherweise Sponsoren für eine Bepflanzung finden lassen.“
Mülheimer Verschönerungsklub kritisiert Sparen am touristischen Hotspot
Auch interessant
Auch habe die Stadt gerade jene nachhaltige Staudenbepflanzung wieder verworfen, die nicht nur Pflege und somit Geld sparen würde, sondern auch „fantastische Wirkung gezeigt hatte: Es sah toll aus und summte nur so vor Bienen und Insekten“.
In Sachen Wasserbahnhof müsse nun gehandelt werden – das fordert nicht nur Preker-Frank. Auch der SPD-Stadtverordnete Filip Fischer meldet sich zu Wort: „Die Blumenuhr ist ein Mölmsches Wahrzeichen wie das Schloß Broich und die Müga.“ Aus seiner Sicht sei nun der OB als oberster Verantwortlicher der Stadt gefragt, die Entscheidung zu ändern.
Aber Fischer will das Schicksal der Schleuseninsel nicht in den Händen der Stadt belassen. Seit einiger Zeit planen der Stadtverordnete und weitere Mülheimerinnen und Mülheimer den einstigen Verschönerungsverein in der Tradition von 1879 wieder aufleben zu lassen. Zu den Mitstreitern gehören auch der SPD-Landtagsabgeordnete Rodion Bakum, die SPD-Stadtverordnete Elke Dormann-Jurkiewicz und Architekt Klaus Rupin.
Neuer Verschönerungsverein will sich der Schleuseninsel annehmen
Auch interessant
„Der Verein wurde damals von Mülheimern gegründet, die sich um ihre Stadt Sorgen machten und den Kopf nicht in den Sand gesteckt haben“, schildert Fischer. Schon im ersten Jahr soll er 159 Mitglieder gezählt haben, um etwa planerische und pflegerische Arbeiten ehrenamtlich umzusetzen. Der Park und das Restaurant (ehemalige Jugendherberge) am Kahlenberg ist eines der Projekte, die der damalige Verein erfolgreich in Angriff nahm. Auch der Witthausbusch zählt zu den Errungenschaften des Verschönerungsvereins.
Eigentlich wollten sie die Wiederauflage erst im Mai starten. Wegen der Ereignisse an der Schleuseninsel sehen sie jedoch Grund, „schon jetzt zu starten“, sagt Fischer: „Wir rufen Mülheimerinnen und Mülheimer dazu auf, sich durch Spenden oder ehrenamtliche Arbeit zu beteiligen, damit das Stadtbild und das Mülheimer Wahrzeichen wieder schön gestaltet werden kann.“ Natürlich, so Fischer, wolle man dies in Abstimmung mit der Stadt erreichen.
Einen Trost bietet Umweltdezernent Blasch aber noch an: Die Blumenuhr soll auch in diesem Jahr wieder bepflanzt werden. Traditionell findet dies im Mai statt.