Mülheim. Mülheim müsste mehr tun, um seinen Verkehr, Wärme- und Stromverbrauch klimafreundlich zu gestalten. Das Drängen auf mehr Windkraft wird größer.
In der Analyse sind sich Verwaltung und Politik weitestgehend einig: Durch die Elektrifizierung von Wärme und Verkehr – etwa durch Wärmepumpen und E-Autos – wird sich der Strombedarf in Mülheim voraussichtlich mehr als verdoppeln. Weniger klar ist jedoch, wie der abgedeckt werden soll. Die SPD will auf Windkraft setzen – doch welche Möglichkeiten hat die Stadt?
Gut 4000 Gigawattstunden an Energie im Jahr braucht Mülheim, um private Haushalte, Industrie und Gewerbe mit Wärme (56 Prozent) und Strom (19 Prozent) zu versorgen und den Verkehr (25 Prozent) – zur Energie zählt auch der Kraftstoff – am Laufen zu halten. Den meisten Strom verbraucht die Industrie (53 Prozent), gefolgt von den Haushalten (35). Mit am wenigsten Strom nutzt derzeit der Verkehr (4 Prozent).
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Beim Wärmeverbrauch tauschen hingegen private Haushalte (53 Prozent) und Industrie (38) die Plätze. Wie dramatisch der Verbrauch künftig weiter steigen wird und auch muss, haben das Fraunhofer Ifam und die Energielenker für die Stadt im vergangenen Jahr bereits erfasst. Der Strombedarf werde sich allein durch die Elektrifizierung von Verkehr und Wärme verdoppeln.
Und würde Mülheim konsequent klimaneutral bis 2035 werden wollen, prognostizieren die Experten sogar eine Verdreifachung des Strombedarfs. Sechs Wärmepumpen pro Tag (ca. 1700/Jahr) müssten dafür in der Stadt errichtet, rund 150 öffentliche Ladestationen und mindesten 3000 private Ladepunkte pro Jahr geschaffen werden. Und die Erzeugung müsste logischerweise aus erneuerbaren Energien stammen.
Potenziell könnte Mülheim 800 Gigawattstunden erneuerbaren Strom selbst erzeugen
Eine Voraussetzung sind Photovoltaikanlagen in der Stadt: Etwa 640 Gigawattstunden im Jahr könnten sie allein abdecken. Dafür allerdings müsste Mülheim bis 2035 jährlich 2400 Anlagen auf Dächern und Freiflächen installieren. Zum Vergleich: Aktuell erzeugen PV-Anlagen in der Stadt etwa 60 Gigawattstunden (acht Prozent).
Potenziell könnte Mülheim jedoch zukünftig sogar 800 Gigawattstunden an Strom selbst erzeugen, wenn es weitere Formen der erneuerbaren Energieerzeugung nutzen würde: Dazu zählen Wasserkraft, Bioenergie und eben auch Windenergie. Gut 2000 der rund 90.000 Mülheimer Haushalte kann die Medl derzeit über ihr Windkraftwerk (etwa 5 Gigawattstunden) plus künftig weitere 2,4 Gigawattstunden durch den geplanten Solarpark versorgen.
Eine zweite Anlage daneben ist bereits im Gespräch. Die könnte noch einmal ähnlich viele Haushalte mit Strom beliefern. Nur wann sie gebaut wird, steht noch in den Sternen – allein das erste Rad hatte zwei Jahre für das Genehmigungsverfahren benötigt.
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Mülheims SPD drängt auf Windenergie
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„Man kann und darf sich nicht darauf verlassen, dass die entsprechende Energie überwiegend andernorts erzeugt wird“, drängt die Mülheimer SPD weiter auf den Ausbau von Windenergie. Im Umweltausschuss wollte sie Auskunft über weitere mögliche Standorte für Windenergieanlagen und eine Prüfung, wo auch jenseits von definierten Vorrangflächen Windkraft genutzt werden könnte.
Rund 20 Gigawattstunden – so hoch hatte die Stadt bereits 2015 in ihrem energetischen Stadtentwicklungsplan das Potenzial für die Windkraft gesehen. Allein drei Windkonzentrationsflächen, jeweils mit Erträgen von etwa 6,3 Gigawattstunden, machten sie im Mülheimer Nordwesten aus. Dazu gebe es wenigstens zehn geeignete Flächen für Kleinwindenergieanlagen im Stadtgebiet mit Leistungen von insgesamt 0,27 Gigawattstunden.
Allerdings: Viel weiter als in der Theorie von 2015 ist die Stadt in der Praxis nicht gekommen, wie sich auf Anfrage der SPD nun herausstellte: „Die Verwaltung ist im Rahmen der finanziellen und personellen Möglichkeiten bemüht, eine solche Prüfung bis zum Herbst 2023 durchzuführen“, kündigte Umweltdezernent Felix Blasch im Umweltausschuss an.
Können Kleinwindanlagen auch eine Lösung für Mülheim bieten?
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Auch die schwarz-grüne Koalition, die in ihrem Koalitionsvertrag vereinbarte „unter Beteiligung der Bürger*innen nach weiteren Standorten für Windkraft zu suchen“, trieb den Ausbau bislang nicht voran. Im Ausschuss wollte sie hingegen wissen, wie es um die Installation von kleinen Windkraftanlagen auf Dächern in Wohn- und Mischgebieten stehe.
Auch hier fiel die Antwort der Stadt eher ernüchternd aus: Zwar seien solche Anlagen mit bis zu 5 Kilowattstunden im Privatsektor, auch größere Anlagen im Gewerbe möglich. Sie können mit einem statischen Nachweis genehmigt werden. Doch im dicht besiedelten Innenbereich seien sie „wegen der Verwirbelungen vor Ort eher ungeeignet“, resümierte Blasch.
Daher seien eher freie Bereiche und Höhenlagen für eine Errichtung zu bevorzugen. Weder aber gebe es seitens der Stadt eine Ausweisung geeigneter Gebiete, auf die Interessenten zurückgreifen könnten, noch werde der Bau solcher Anlagen direkt gefördert – allenfalls durch günstige Darlehen. Wie schon bei PV-Anlagen erhalten auch die Besitzer von Kleinwindanlagen nur die Vergütung bei einer Einspeisung des Stroms ins öffentliche Netz. Aktuell beträgt sie 8,93 Cent pro Kilowattstunde.