Mülheim. Am St. Marien-Hospital Mülheim gelang es, Tim Wennemann seine Mobilität zurückzugeben. Die Krankengeschichte des 36-Jährigen reicht weit zurück.
18 Jahre ist Tim Wennemann alt, als er nach sieben Monaten Intensiv- und Chemotherapie den Krebs besiegt. Eine der Spätfolgen seiner Leukämie: Durch die Medikation mit Cortison sterben Wennemanns Hüftköpfe ab, eine sogenannte Hüftknopfnekrose. „Die Schmerzen wurden immer schlimmer und haben mich im Alltag immer mehr eingeschränkt“, erzählt der mittlerweile 36-Jährige. Gemeinsam mit seiner Frau und den drei Kindern lebt Wennemann in Dinslaken. Seinem Job als Bankkaufmann kann er zuletzt gar nicht mehr nachgehen – „Sitzen war für mich unerträglich“.
- Lesen Sie auch: Sohn angefahren: Eine Mülheimer Familie erlebte den Alptraum
2019 wird das rechte Hüftgelenk des Dinslakeners ersetzt, in Essen-Werden bei Prof. Dr. Marcus Jäger. „Ich habe mich damals nach einem Facharzt erkundigt und bin so bei ihm gelandet.“ Als die Beschwerden auch im linken Hüftgelenk wenige Jahre später nicht mehr auszuhalten sind, wendet Tim Wennemann sich also wieder an Jäger; der praktiziert mittlerweile am St. Marien-Hospital, leitet dort die Klinik für Orthopädie, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie und gilt als Experte für Endoprothetik. Anders als bei der ersten Hüft-Operation, die noch nach herkömmlichem Vorgehen durchgeführt wurde, schlägt der Mediziner Wennemann ein innovatives, minimal-invasives OP-Verfahren vor: „Fast-Track“.
Auch interessant
Mülheimer Klinik operiert nach dänischem Verfahren
„Fast Track“-Chirurgie wurde Ende der 1990er-Jahre in Dänemark entwickelt. Ziel ist eine rasche Wiederherstellung und Erholung nach einer Operation und ein kürzerer Krankenhausaufenthalt. „Wir begleiten den Patienten bereits vor der Operation und unterstützen ihn nach erfolgreichem Eingriff, um schnell wieder die Selbstständigkeit zu erreichen“, erklärt Prof. Dr. Jäger. Im Falle von Tim Wennemann bedeutet das: „Ich konnte schon wenige Stunden nach der OP auf Krücken laufen. Kein Vergleich zur ersten OP, wirklich.“ Anders als bei dem Eingriff 2019 wird der 36-Jährige minimal-invasiv operiert, durch einen Eingang. Die kleinen Schnitte und Eingänge beim „Fast Track“-Verfahren schonten laut Jäger die Muskulatur, ein größerer Bewegungsumfang bliebe erhalten. „Die oder der Operierte können schon am selben Tag aufstehen und mit ersten physiotherapeutischen Übungen beginnen“, so Prof. Marcus Jäger.
Patient Tim Wennemann bestätigt die Theorie in der Praxis: „Ich bin viel mobiler und habe weniger Schmerzen.“ Gleich am Tag der OP durfte der dreifache Vater Treppen steigen. „Das konnte ich nach der ersten OP erst viel später.“ Und auch der übliche Bluterguss nach einem vergleichbaren Eingriff sei nur in Ansätzen zu erkennen. Laut Prof. Dr. Jäger sei das unter anderem auf das schonende Narkoseverfahren zurückzuführen. Die Patientinnen und Patienten würden deutlich weniger belastet.
Nach drei Tagen in Mülheimer Klinik entlassen
Beim „Fast Track“ kämen moderne Rückenmarks- und Regionalanästhesien zum Einsatz, aber auch die sogenannte lokale Infiltrationsanästhesie. „Dabei injiziert der Chirurg während des Eingriffs ein Lokalanästhetikum direkt in das Operationsgebiet – etwa in die Gelenkkapsel, Bänder oder die Muskulatur.“ Durch die punktgenaue Betäubung sei der Patient sofort nach dem Eingriff wieder wach, habe aber keine Schmerzen.
Das „Fast Track“-Verfahren
Beim „Fast Track“-Verfahren im St. Marien-Hospital werden alle Behandlungsschritte eng aufeinander abgestimmt und gegebenenfalls neu definiert. „Alles kommt dabei auf den Prüfstand“, so Jäger.
Auch die Rolle der Patientinnen und Patienten ändere sich: Sie werden früher in die Behandlung einbezogen. Umfassende Patientenschulungen setzten schon Wochen vor dem Eingriff an. „Unter Anleitung von Physiotherapeuten üben die Patient:innen frühzeitig das Gehen an Unterarmgehstützen und kräftigen ihre Muskulatur.“
Im Contilia Endoprothetik-Zentrum werden am St. Marien-Hospital Mülheim jährlich mehrer Hundert Hüft- und Knieersatz-Operationen durchgeführt. Kontakt zum Endoprothetik-Zentrum: 0208 305 2202, s.brinkmann@contilia.de.
Für Wennemann ist der Gedanke an Schmerzen ein ferner geworden, vielmehr freut er sich auf die Zukunft: „Ich kann es kaum abwarten, wieder richtig mit meinen Kindern spielen zu können.“ Die vierjährigen Zwillinge und die jüngste Tochter (19 Monate) hätten zuletzt nicht so viel von ihm gehabt und auch ein gemeinsamer Familienurlaub ohne Einschränkungen sei längst überfällig. Nur drei Tage nach dem Eingriff ging es für den Dinslakener zurück nach Hause, vor ihm liegt nun noch die Reha, „aber das schaffe ich auch noch“.