Mülheim. In Mülheim-Speldorf protestieren Anwohner der Peterstraße gegen eine „Luxussanierung“. Die Stadt beharrt auf ihrer Planung. Wie geht es weiter?
Sicher: Ihre guten Zeiten hat die Peterstraße in Speldorf schon eine Weile hinter sich – es gibt inzwischen einige Risse im Asphalt und schon etliche Flicken. Typisch für viele Mülheimer Nebenstraßen. Doch was die Stadt nun zur Sanierung geplant hat, will den Anwohnern nicht einleuchten: Sie sprechen von Luxussanierung und sorgen sich um explodierende Kosten, die trotz der vom Land angekündigten Übernahme nicht geklärt sind. Ein Fall, der viele Straßen in Mülheim betreffen kann.
Denn bislang schweben die Kommune in der Luft, ob die Anliegerbeiträge vom Land übernommen oder gar abgeschafft werden. Das soll sogar rückwirkend für Projekte gelten, die nach dem 1.1. 2018 beschlossen wurden.
Doch die Formalia sind umständlich: Denn erst müssen die Kosten jeweils für Kommune und Anlieger berechnet, dann von der Stadt eine Förderung für die Anliegerbeiträge beantragt werden. Sind die bewilligt, verschickt die Stadt an die Anlieger einen Kostenbescheid über null Euro. Weiterhin gibt es also viel Bürokratie für etwas, das die NRW-Regierung eigentlich abschaffen wollte. Doch stattdessen steht nur ein Fördertopf von jährlich 65 Millionen Euro bis 2026 zur Verfügung.
Erste Kosteneinschätzung spricht von 420.000 Euro Anliegeranteil
Auch interessant
Das erzeugt auch bei den Anwohnern der Peterstraße Unsicherheit. Denn die Stadt plant Kostspieliges: Die 220 Meter des parallel zur Karlsruher Straße verlaufenden Verkehrswegs sollen völlig umgekrempelt werden. Die Peterstraße wird ausgehoben und neu aufgebaut, die Gehwege fallen weg, der Asphalt wird durch Pflastersteine ersetzt, Parkplätze werden wechselseitig neu angeordnet, neue Bäume werden gepflanzt und auch die Beleuchtung neu und umfangreicher ausgebaut – dabei hatte man die erst vor zehn Jahren erneuert, so Anwohnerin Ursula Funke.
70 Prozent dieser, laut Stadt, „verkehrsberuhigenden Maßnahmen“ werden auf die 21 Anlieger umgelegt. Denn die „Wohnstraße“ wird als „Haupterschließungsstraße“ geführt. Eine erste Kosteneinschätzung spricht von einem Anteil von 420.000 Euro, eine spätere von 220.000 Euro. Das wären durchschnittlich 10.000 bis 20.000 Euro pro Anlieger. Auch, weil im Boden Schadstoffe – Hochofenschlacke, wie mancher Anwohner vermutet – schlummern sollen.
Anwohner: „Hier wird eine Spielstraße für Senioren gebaut“
Welcher Verkehr überhaupt einer „Beruhigung“ bedürfe und für wen, fragen sich hingegen alle Anlieger, die sich am Dienstagmittag auf der Straße zum Gespräch treffen. Denn in dieser Dreiviertelstunde zeigt sich dort kein einziges Auto. Und auch sonst könnte man mitten auf dem Asphalt wohl ungestört Skat dreschen, merkt Anwohner Rainer Frantzen merklich sauer an.
Schließlich fahren in der Peterstraße überwiegend nur diejenigen durch, die auch in der Peterstraße wohnen. „Hier wird eine Spielstraße für Senioren gebaut“, frotzelt Frantzen, denn junge Familien gäbe es hier kaum, vielmehr lebten viele seit den 60er Jahren hier, als die Siedlung erschlossen wurde. Auch eine Begrünung mache keinen Sinn in einer Straße, in der die allermeisten ihre Vorgärten mit Pflanzen und Bäumen verschönert haben. Durch die Maßnahme würde sogar bestehendes Grün wie Hecken und Bäume zerstört werden, weil man dicht an die Grundstücke heranrücken müsste.
Auch interessant
Frantzen ist beileibe nicht der einzige mit Ärger im Bauch: 20 der 21 Anlieger haben sich bereits Anfang 2022 über die städtischen Pläne negativ geäußert – „überwiegend ablehnend“, heißt es in einer Zusammenfassung der Anliegerbeteiligung durch die Verwaltung: „Die Kosten der Maßnahme wurden angezweifelt und detaillierte Berechnungen der Kosten gefordert.“ Geändert haben die Forderungen weder etwas am Vorhaben der Stadt noch an der Vorgehensweise: „Kostenanschläge erfolgen erst nach der Ausführungsplanung“, wehrt die Stadt ab.
Politik ringt mit Planung der Verwaltung
Die Stadt könnte wegen der Haushaltslage keine teure Straßenbaumaßnahme finanzieren, heißt es dazu in der Beschlussvorlage für die Lokalpolitik. Doch die tut sich mit den Straßenbauplanungen der Verwaltung schwer – gerade wegen der hohen Kosten und dem erwartbaren Ärger. Schon bei der Nollendorfstraße im vergangenen Jahr legte die Politik der Stadt auf, die Sanierung besser mit den Bürgern abzustimmen. Gelernt hatte man aus dem Zoff an der Kolumbusstraße (Heimaterde), wo auf Druck der Anlieger eine Musterklage angestrebt wird.
Und noch anderes verunsichert: Zwar stehe nun ein Landestopf mit Mitteln bereit, „aber was passiert, wenn der Topf leer ist?“, fragt Anwohner Jörg Friedrich, der bezweifelt, dass die zweistelligen Millionenbeträge für die vielen Landeskommunen reichen werden – „angesichts der Kostensteigerungen bei Material und Energie“. Und selbst wenn: „Am Ende zahlen wir alle solche Luxussanierungen mit unseren Steuern“, befürchtet Friedrich. Die Stadt wolle mit dieser Maßnahme nur Wertschöpfung für sich und auf Kosten der Anwohner betreiben.
Einfach neue Asphaltdecke drauf – fertig, davon sind nahezu alle Anlieger überzeugt: „Wir finden es ungeheuerlich, dass unter Berücksichtigung der derzeitigen Probleme, für derartige Projekte der Stadtverwaltung den Bürgern oder dem Land eine derartige Belastung aufgebürdet werden soll“, spricht Friedrich für die Anlieger.
SPD fordert: Städtische Mittel eher in Radinfrastruktur investieren
Auch interessant
Auch die Opposition stimmt zu: „Die SPD-Fraktion in der Bezirksvertretung 3 wird den Sanierungsbeschluss ablehnen“, sagt ihre Vorsitzende Susanne Dodd. Auch sie sieht die Maßnahme in keinem Verhältnis zu anderen dringlicheren Aufgaben in der heutigen Zeit: „Es ist nur eine kleine Anliegerstraße, wir müssten stattdessen vielmehr in Radinfrastruktur investieren“, argumentiert sie.
Zwei Mal ist die Vorlage in diesem Jahr bereits zurückgestellt worden, erst im vergangenen Oktober hatte man eine Anwohnerversammlung einberaumt. Die Anlieger hat auch das nicht überzeugt, und auch nicht die Politik: Der Beschluss werde bis auf weiteres nicht auf der Tagesordnung der Bezirksvertretung 3 erscheinen, versichert Bezirksbürgermeisterin Elke Oesterwind. Man wolle den Bürgerwunsch respektieren und auch warten, bis im Land Klarheit herrscht über das Ende der Straßenausbaubeiträge.