Mülheim. Sind Bürgerbeiträge für Straßensanierungen wirklich Geschichte? Mülheimer Eigentümer erhalten dennoch Kostenbescheide – der Amtsschimmel wiehert.

Müssen Mülheimer Hauseigentümer weiterhin darum bangen, an den Kosten für die Sanierung ihrer Straße beteiligt zu werden? Noch im Vorfeld der Landtagswahl 2022 hatte der damalige Landtag vermeldet, die Straßenausbaubeiträge „abschaffen“ zu wollen und eine zukünftige Landesregierung beauftragt, ein Konzept dazu vorzulegen. Bis heute jedoch ist die neue Schwarz-Grüne Regierung dies schuldig geblieben.

Dabei hatte auch die Mülheimer Koalition von CDU und Grüne im Wahlkampfeifer schon Vollzug gemeldet. „Bürger vor Ort“ würden sogar rückwirkend bis zum ersten Januar 2018 entlastet. Wenigstens 15 Straßen – von Bruckner- und Oberheid- bis Zeppelinstraße und Klöttschen – hatten Schwarz-Grün benannt, die „definitiv und konkret vom Wegfall der KAG-Straßenausbaubeiträge profitieren“ sollten.

Stadt Mülheim hat noch keine Information des Landes über die Abschaffung

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Der verkehrspolitische Sprecher der CDU, Siegfried Rauhut, erwartete daraufhin, „dass die bereits ergangenen KAG-Beitragsbescheide von der Mülheimer Verwaltung kurzfristig ausgesetzt beziehungsweise aufgehoben werden, sobald die entsprechende Förderrichtlinie Straßenausbaubeiträge veröffentlicht ist“.

Und die Mülheimer Verwaltung kündigte damals an, dieser Maßgabe auch zu folgen: Bescheide wolle man vorerst aussetzen, bis Informationen der dann neuen Landesregierung vorliegen. Bis heute allerdings habe sich das Land dazu nicht geäußert, teilt die Stadt auf Anfrage der Redaktion mit.

Denn offenbar hakt es auf Landesebene noch an einem Konzept zur Abschaffung. Bis zum 30. Juni hätte dies vorliegen müssen, so kritisieren SPD und auch FDP – neuerdings in der Opposition. Beide sticheln seitdem abwechselnd mit „Kleinen Anfragen“, wann man das Konzept denn vorlegen wolle. Ergebnis? Noch keines: Man verfolge das Ziel, die Straßenausbaubeiträge rückwirkend zum 1. Januar 2018 für Eigentümer abzuschaffen, antwortete die Landesregierung lediglich, dazu sei ein rechtswissenschaftliches Gutachten in Auftrag gegeben.

Es gilt eine Förderrichtlinie, doch sie läuft 2026 aus

Kritik gibt es von den Genossen aber auch im Grundsatz: Denn eine echte „Abschaffung“ wie von der SPD gefordert, habe die damalige Landesregierung nicht umgesetzt, sondern ,nur’ eine 100-prozentige Übernahme der Kosten. Auch wenn die Regierung dafür 65 Millionen Euro bereitstellte, damit der Anteil der Eigentümer praktisch auf „Null“ sinken könne, sei dieser immer noch an den Kosten beteiligt.

Solange also kein Abschaffungskonzept vorliegt, gilt behelfsmäßig die sogenannte Förderrichtlinie Straßenausbaubeiträge vom 3. Mai 2022. Und die hat zudem ein rund dreijähriges Verfallsdatum bis zum 31.12.2026. Bis dahin also müsste die Schwarz-Grüne Landesregierung Ernst machen mit ihrer Ankündigung.

Und: Solange können Mülheimer Eigentümerinnen und Eigentümer zwar mit einer 100-prozentigen Übernahme ihrer Beiträge rechnen. Und auch die Anlieger der von der Mülheimer Koalition genannten Straßen können aufatmen. Doch der Unterschied zwischen der Entlastung und einer echten Abschaffung ist nicht nur reine Haarspalterei.

Viel Bürokratie: Warum eine Entlastung keine Abschaffung ist

Denn der bürokratische Aufwand für die Kommunen bleibt nicht weniger groß: Sie müssen dem Land weiterhin eine sogenannte fiktive Beitragsberechnung vorlegen, die nicht nur die Gesamtkosten berechnet, sondern zwischen Kosten für die Kommune und für „Beitragspflichtige“ – sprich Hauseigentümer – unterscheidet. Erst anschließend bestätigt die NRW.Bank die Übernahme der Eigentümerbeiträge und die Hausbesitzer erhalten weiterhin den Bescheid über ihre Beitragskosten – wenn auch über „0 Euro“.

Auch in Mülheim geht man nach der aktuellen Förderrichtlinie vor: Inzwischen habe die Stadt dort, wo bereits eine Förderquote zu 50 Prozent erfolgt war, die Förderung auf 100 Prozent angehoben. Wer bereits Beträge gezahlt habe, bekomme diese schnellstmöglich zurückerstattet, ohne dass der Eigentümer dafür einen Antrag stellen müsse, teilt Stadtsprecher Volker Wiebels mit.

Eigentümer erhalten weiterhin Bescheide: über 0 Euro

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Bei einigen laufenden Straßensanierungen müsse die Stadt jedoch noch Förderanträge stellen, sobald die Maßnahme abgeschlossen und abgerechnet sei. Sobald die NRW.Bank den Antrag der Stadt bestätigt habe, erhalten Eigentümer einen Beitragsbescheid mit einer Festsetzung über Null Euro – das sei leider durch die Förderrichtlinien so definiert, bestätigt Wiebels.

197 Anträge landesweit seien im ersten Halbjahr 2022 mit einem beantragten Volumen in Höhe von rund 9,7 Millionen Euro eingegangen, bestätigt die Landesregierung in einer „Kleinen Anfrage“. Hiervon seien bisher 111 Anträge in Höhe von rund 2,5 Millionen Euro bewilligt worden – rund 60 Prozent der Anträge.

Entstehen der Kommune – neben dem fortbestehenden Aufwand – auch weitere Kosten, weil Anliegerbeiträge aufgeschoben werden? Nur dann, wenn es durch die zeitlich verschobenen Beitragszahlungen auf kommunaler Ebene zu Liquiditätsengpässen komme, die bei schnellerer Abarbeitung der Verfahren hätten vermieden werden können, antwortet die Stadt. Erkenntnisse darüber habe man noch nicht.