Mülheim. 34 Prozent der Mülheimer Straßen sind im roten Bereich. Warum der Sanierungsstau nicht abgearbeitet werden kann. Welche Baumaßnahmen anstehen.

Der vergangene Winter war nicht so frostig wie der im Jahr davor. Das hat den Mülheimer Straßen weniger akute Schäden eingebracht als noch im Vorjahr. Trotzdem verschlechtert sich das Straßenbild zunehmend. Von den rund 5,5 Millionen Quadratmetern Verkehrsfläche, also die Straßen, Wege, Plätze, die die Mülheimer Infrastruktur bilden, sind rund 34 Prozent im roten Bereich.

Diese Zahl nennt Roland Jansen, kommissarischer Leiter des Amtes für Verkehrswesen und Tiefbau. „Das bedeutet, dass 34 Prozent der Straßen eigentlich schon heute repariert oder ganz neu gemacht werden müssten“, erklärt er. Um welche Größenordnung es sich bei dem Sanierungsstau handelt, veranschaulicht Jansen so: Wenn man pro Quadratmeter Straße rund 180 Euro an Kosten veranschlagen würde, käme man bei 34 Prozent reparaturbedürftiger Straßenfläche auf über 330 Millionen Euro. Geld, was aber nicht da ist. Zudem fehle es auch an den dafür nötigen Mitarbeitenden für Planungen, Bauleitungen, Ausschreibungen und das Stellen von Förderanträgen.

Stadt müsste jährlich zwölf Millionen in die Erhaltung des Straßenzustands stecken

Für die im Jahr 2022 komplett neu zu machenden Straßen hat das Tiefbauamt an „frischen“ Mitteln rund drei bis vier Millionen Euro zur Verfügung. Die Gemeindeprüfungsanstalt (GPA) habe errechnet, dass Mülheim aber allein rund zwölf Millionen Euro jährlich dafür ausgeben müsste, um den aktuellen Zustand zu erhalten, so Jansen. Zur Verfügung stehe aber eben nur knapp ein Viertel des Geldes. Das reiche nicht, um den Sanierungsstau abzuarbeiten.

Große Baumaßnahmen – Roland Jansen nennt als Beispiel den Werdener Weg – laufen oft über mehrere Jahre und und werden auch so abgerechnet. Das Flicken und Reparieren, also die Straßenunterhaltung, rechnet sich extra. Rund 20 Mio. Euro stehen der Verwaltung insgesamt jährlich für den Straßenneubau und die Unterhaltung von Straßen, Brücken, Treppen und anderer Bauwerke zur Verfügung.

Ein Ampelsystem beschreibt den Zustand der Mülheimer Straßen

Der Zustand der Mülheimer Straßen wird nach einem Ampelsystem – grün, gelb, rot – bewertet. Alle fünf Jahre fahren beauftragte Firmen mit Spezialfahrzeugen, ausgestattet mit Kameras und Sensoren, die Straßen ab. Zuletzt fand das im vergangenen Jahr statt. Zu den Straßen, die in 2022 komplett erneuert werden, gehört etwa die Brucknerstraße in Speldorf. Sie bekommt neuen Asphalt und neue Gehwege. Auch die Duisburger Straße erwartet im Bereich der Unterführung (zwischen Liebig- und Heerstraße) eine größere Baumaßnahme: Dort werden etwa ab Sommer die Rad- und Gehwege gemacht. „Es ist dort sehr eng, die Unterführung wird entschärft“, erläutert Amtsleiter Jansen.

An der Friedhofstraße in Speldorf hat der Neuaufbau der Straße teilweise schon begonnen, der dritte Arbeitsabschnitt liegt zwischen Brandenberg und Aschenbruch. Die Hansastraße wird in diesem Jahr zwischen Hofacker- und Duisburger Straße erneuert. Kleinere Reparaturen erwartet etwa die Heidestraße in Styrum, die teils eine neue Decke bekommt. Auch bei der Heißener Straße in Eppinghofen wird zwischen Brück- und Schillerstraße die Straßendecke erneuert. Großflächig muss die Stadt bei den Straßen am Förderturm (Heißen) und Tannenstraße (Speldorf) ran; auch die Wedauer Straße in Selbeck wird großflächig erneuert. „An der Wedauer hatten wir auch besonders viele Beschwerden der Bürger über den schlechten Zustand der Straße“, so Jansen.

Beschwerden der Mülheimer Bürgerinnen und Bürger werden aufgenommen

Apropos Bürgerbeschwerden: „Wenn uns die Leute zum Beispiel ein großes Schlagloch melden, so gehen wir dem nach“, sagt Roland Jansen, sofern die städtischen Straßenbegeher den Schaden selbst noch nicht erfasst haben. Dann werde entschieden, ob sofort gehandelt werden muss, oder ob man die Gefahrenstelle ins Programm aufnimmt und erst einmal absichert. Tagesbrüche, zum Beispiel, könnten auch, wenn es sich um eine Unterspülung handelt, in die Zuständigkeit der Versorger fallen oder bergbaubedingt sein. „Da geht es dann um die Ursache und darum, wer am Ende die Kosten trägt“, erläutert Roland Jansen.

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Wenn die Stadt eine große Straßenbaumaßnahme plane, so Amtsleiter Jansen, also die Straße von Grund auf erneuert und dabei richtig in die Tiefe geht, so würden zuvor alle Versorger wie Medl, SEM, RWW informiert, damit sie, wenn nötig, ihre Versorgungsleitungen erneuern können. Umgekehrt sei es aber so, dass bei nötigen Tiefbauarbeiten der Versorger für Gas, Abwasser oder Trinkwasser an einzelnen Stellen die Stadt nicht automatisch die ganze Straße neu machen könne. Wo es gehe, werde es gemacht – aber es gehe halt nicht immer. „So gern wir das oft tun würden“, betont Roland Jansen. „Aber es ist nicht finanzierbar.“ Auch die Verwaltung müsse die Preissteigerungen berücksichtigen. „Das kann am Ende bedeuten, dass wir auch Maßnahmen streichen müssen.“

Gebaut wird 2022 an Straßen und Brücken

Diese Mülheimer Straßen stehen noch auf der Liste für 2022, zum Teil als Fortführung der Arbeiten aus den Vorjahren: Honigsberger Straße, Oberheidstraße, Rosenstraße. Zudem wird der Bürgerradweg an der Zeppelinstraße zwischen Hauptfriedhof und Flughafen gebaut.Arbeiten an diesen Brücken sind geplant: Bergstraße, Blötter Weg, Kassenberg, Kahlenbergwehr, Konrad-Adenauer-Brücke. Auch die schon länger gesperrte Fußgängerbrücke am „Ruhrkristall“ werde noch in diesem Jahr gemacht, so Roland Jansen.