Mülheim. Straßensanierungen, die nach dem 1.1.2018 beschlossen wurden, finanziert NRW nun voll. Sogar rückwirkend. Wer in Mülheim dennoch leer ausgeht.
Es sollte „ein guter Tag für alle Anliegerinnen und Anlieger auch in Mülheim“ werden, kündigt der Mülheimer CDU-Landtagskandidat Heiko Hendriks an: Einen Monat vor der NRW-Landtagswahl haben die Regierungsparteien FDP und CDU beschlossen, dass belastende Straßenbaubeiträge der Hauseigentümer vollständig durch das Land übernommen werden. Doch der warme Wahlkampfsegen erreicht gerade nicht die jüngst bekannten umstrittenen Fälle. Neben Feierlaune gibt’s deshalb auch Katerstimmung.
Dabei hat das Land die Übernahme der umstrittenen Anliegerbeiträge nach Kommunalabgabengesetz sogar noch zurückdatiert auf den 1. Januar 2018. Denn damals ging der Bund der Steuerzahler mit einer „Volksinitiative“ gegen die belastenden Ausbaukosten vor. Auch in Mülheim verabschiedete der Rat der Stadt mehrheitlich eine Resolution mit einem Appell ans Land. Wer diese nicht unterzeichnete: die CDU. Nun aber lobt CDU-Landtagskandidat und -Ratsmitglied Hendriks gerade jenen Landesbeschluss.
Stadt ist bislang noch nicht über Verfahrensschritte informiert worden
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Entnommen hat die Stadt die Information übrigens bislang nur aus der Zeitung, wie Roland Jansen vom Tiefbauamt am Donnerstag im Mobilitätsausschuss auf Nachfrage der CDU mitteilte. Offiziell hat das Land die Kommunen noch nicht informiert.
Und auch nicht darüber, wie das Verfahren im Einzelfall überhaupt ablaufen soll. Geregelt werden wird’s wohl nach der Wahl, vermutet die Stadt. „Selbstverständlich werden wir tätig, sobald dies geklärt ist, und werden dann alle notwendigen Verfahrensschritte einleiten. Da hierfür möglicherweise neue Anträge bei der NRW.Bank zu stellen sein werden, ist jedoch noch nicht absehbar, wie lange dies dauern wird“, sagt Stadtsprecher Volker Wiebels auf Anfrage der Redaktion.
Zunächst aber seien alle Beiträge ausgesetzt, neue Bescheide werden nicht verschickt, teilte Jansen dem Ausschuss mit. Wer betroffen ist, und wer nicht, konnte Jansen am Donnerstagabend nicht ausführen.
CDU-Landtagskandidat kündigt an: Elf Fälle sollen von Neuregelung profitieren
Dagegen will Hendrik bereits elf Fälle von der Verwaltung erfahren haben, die 2021 ihre Rechnung erhalten hätten. So etwa abschnittsweise für die Leineweberstraße. Auch ein Teil der Nollendorfstraße soll von der Neuregelung „profitieren“. Denn erst im vergangenen Januar und nach längerer Diskussion um eine umstrittene Ausführung hatte die Bezirksvertretung 1 dazu entschieden.
Auch die Mülheimer Bürgerinitiativen begrüßen die neue Regelung, die sie 2018 mit Unterschriftenlisten unterstützten. Damit müsste die Kommune auch bereits gezahlte Beiträge an die Anlieger zurückzahlen, sofern der Baubeschluss nach dem 1.1.2018 gefasst wurde. Das aber ist der Knackpunkt.
Denn unter die neue Regelung fallen eben nicht jene Sanierungen, die vor dem Stichtag beschlossen wurden, selbst wenn die Maßnahme an sich bis ins Jahr 2018 andauerte. So wie an der Kolumbusstraße. Denn beschlossen hatte die Erneuerung die Bezirksvertretung 1 am 10. März 2017.
Wer dabei leer ausgeht...
Begonnen aber wurde die Maßnahme erst am 8. November 2017 und nach der Ankündigung einer ersten Verteuerung. Beendet wurde sie im Februar 2018. Die Rechnung aber flatterte den Anwohnern erst im Januar 2021 in die Briefkästen. Mit einer bösen Überraschung: ein erneuter Kostenaufschlag – bis zu 50 Prozent gegenüber den ursprünglich genannten Beiträgen.
Die Anwohner haben eine Musterklage gegen die Stadt eingereicht. Denn eine Einigung mit der Verwaltung war nicht möglich. Für die nun erneut enttäuschten Anwohner bringt es Wolfgang Hausmann auf den Punkt: „Die Politik hat sich von uns Bürgerinnen und Bürgern entfernt! Die Zeche zahlen diejenigen, die sich Grund- und Gebäudebesitz erarbeitet haben, damit sich alle automobil auf ordentlichen Straßen bewegen konnten. Gegen kuriose Rechnungs- und Beitragsregelungen kämpfen die Bürger auch jetzt noch an.“
Auch Finkenkamp fällt durch
Die Beitragsbescheide für die Erneuerung vom Finkenkamp Anfang 2018 haben die 41 Anlieger zu Beginn des März auch nicht erfreut, weiß Wolfgang Hausmann. Seine Kolumbusstraße ist nur einen Steinwurf entfernt.
„Deren Wohl und Wehe hat die Politiker wie Heiko Hendriks (CDU) und Rodion Bakum (SPD) in der Vergangenheit gar nicht interessiert“, kritisiert Hausmann. Auch Oberbürgermeister Marc Buchholz habe sich bei mehreren Bemühungen der Anlieger der Kolumbusstraße zum Dialog weggeduckt und die Leute vom Tiefbauamt warteten nun – wie früher bei anderen Vorgängen – auf die Widersprüche.
Dem Vernehmen nach wollen 37 Anwohner am Finkenkamp wegen Unstimmigkeiten bei der Abrechnung in den Widerspruch gehen.