Mülheim. Nach Schäden in den Mülheimer Ruhrauen standen Angler im Fokus. Sie sehen sich zu Unrecht beschuldigt. Gibt es einen Kompromiss?

Wer ist für den Vandalismus in den Ruhrauen gegen Vegetation und Tiere verantwortlich, den Mülheims Landschaftswächter seit vielen Jahren immer wieder berichten? Nachdem der Saarner Umweltverein und der Landschaftswächter Werner Flaum auf massiven Naturfrevel aufmerksam machten und erneut Angler in den Fokus rückten, bahnt sich im Umweltausschuss ein möglicher Kompromiss in Form eines Runden Tisches an. Derweil gibt es neue Hinweise zu Verursachern.

Ein Signal für Gespräche sendete zumindest der jüngste Umweltausschuss aus: Umweltdezernent Felix Blasch erklärte, einen solchen Runden Tisch mit unter anderem Landschaftswächtern, Anglervereinen der IG Untere Ruhr, Ordnungsamt, Polizei im kommenden Jahr organisieren zu wollen. Indes zeigte die Verwaltung ebenso Zweifel an der Wirksamkeit. Denn die Debatte verlaufe seit vielen Jahren ohne Lösung.

Anglerverband IG Untere Ruhr will konstruktives Gespräch zur Lösung führen

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Und auch der Anglerverband IG Untere Ruhr will sich „einem konstruktiven Gespräch nicht entziehen“, teilt ihr Sprecher Michael Raspel der Redaktion mit, „denn wir wollen ein ordentliches Miteinander pflegen und die ständigen Anschuldigungen vom Tisch haben“. Es gelte aus Sicht der Angler ebenso: Die Täter müsse man in flagranti erwischen, dann würde ihnen der Angelschein entzogen werden.

Das aber ist ein Problem: „Nennt Ross und Reiter – das fordert man immer wieder von uns“, sagen nicht nur Detlef Habig vom Saarner Umweltverein, sondern auch Landschaftswächter wie Werner Flaum und Karin Piek. „Aber selbst wenn wir jemanden melden, bekommen diejenigen einen Anhörungsbogen. Dort bestreiten sie die Tat – und die Sache hat sich erledigt“, schildern sie ihre Sisyphos-Arbeit.

Landschaftswächter sehen sich mit ihrer Aufgabe im Stich gelassen

Dass indes Angler in den Ruhrauen immer wieder Naturfrevel begehen, ist für Landschaftwächterin Karin Piek eigentlich schon keine Frage mehr, sondern Alltagserfahrung. Vor wenigen Wochen noch entdeckte sie mit Naturschützer Uwe Kühnemann in den Ruhrauen einen Kormoran, der in eine Angelschnur verwickelt war, weil er wohl von einem liegen gelassenen Fischköder angelockt wurde.

Keine fliegende Fische, wohl aber ein Fischköder baumelt am Thyssenteich nah des Mülheimer Ruhrufers. Vermutlich hat sich der beim Auswerfen der Angel dort verfangen.
Keine fliegende Fische, wohl aber ein Fischköder baumelt am Thyssenteich nah des Mülheimer Ruhrufers. Vermutlich hat sich der beim Auswerfen der Angel dort verfangen. © Dennis Vollmer

„Die Schnur mit dem Drilling (ein dreizackiger Angelhaken) hing noch an ihm“, schildert Kühnemann noch sichtlich bewegt die Szene. Denn entfernen konnte er die umwickelte, augenscheinlich metallverstärkte Nylonschnur ohne ein Messer nicht. „Er flog dann weg, ich gehe davon aus, dass er irgendwo daran verendet ist.“

Solche Fälle entdeckt Piek „alle Nase lang“. Und auch beim gemeinsamen Rundgang zu Plätzen, wo Angler sich ausgebreitet und in die Natur eingegriffen haben sollen, finden wir Anglerschnüre und Köder an ungewöhnlichen Stellen. Zum Beispiel hoch in einem Baum am Teich am Thyssenpark, der mit der Ruhr verbunden ist. „Da ärgert sich aber jemand, da hängen bestimmt 15 Euro“, merkt ein vorbeiziehender Angler lakonisch an.

Solche Schäden an Bäumen findet Landschaftswächterin Karin Piek immer wieder. Ihre Vermutung: Angler schnitten den Baum zurück, um mehr Platz zum Auswerfen der Angel zu haben.
Solche Schäden an Bäumen findet Landschaftswächterin Karin Piek immer wieder. Ihre Vermutung: Angler schnitten den Baum zurück, um mehr Platz zum Auswerfen der Angel zu haben. © Dennis Vollmer

Spuren deuten auf Angler hin – doch nicht auf Mitglieder der Verbände

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Interessanter ist aber das direkte Umfeld: Dort haben Unbekannte sich den Zugang zum Wasser regelrecht freigeholzt, also Sträucher und auch Bäume kräftig zurückgeschnitten, um Platz zum Auswerfen der Angel zu haben. Auch an anderer Stelle zeigt Piek, wo Angler nach ihrer Beobachtung ins seichte Uferwasser getreten sind, um mit Stöcken Teichrosen und andere Pflanzen zu beseitigen und anschließend mit Fischfutter Tiere anzulocken. Doch Angler darauf anzusprechen, sei nicht ungefährlich. Piek erzählt von Beschimpfungen, Bedrohungen und auch „Hausbesuchen“, bei denen Unbekannte Fäkalien und Müll vor ihrer Tür abluden.

Doch ob es Angler der IG Untere Ruhr sind, bleibt dabei völlig unklar, denn ausweisen müssen sich die Erwischten gegenüber den Landschaftwächtern nicht. Und hier liegt der Haken auch aus der Sicht der Stadt: „So lange niemand auf frischer Tat bei der Tatausübung angetroffen wird, ist eine Ahndung des Verstoßes rechtlich nicht möglich.“ Die Beschränkungen und rechtlichen Vorschriften reichten hingegen aus, „eine Missachtung dieser durch einige wenige wird es aber auch in Zukunft geben“.

Hier am Ruhrufer der Saarner Ruhrauen sollen vor einigen Monaten noch Teichrosen gewesen sein. Die Landschaftswächterin gibt an, Angler dabei beobachtet zu haben, wie sie diese mit Stöcken zerstört haben, um Fische entdecken und anlocken zu können.
Hier am Ruhrufer der Saarner Ruhrauen sollen vor einigen Monaten noch Teichrosen gewesen sein. Die Landschaftswächterin gibt an, Angler dabei beobachtet zu haben, wie sie diese mit Stöcken zerstört haben, um Fische entdecken und anlocken zu können. © Dennis Vollmer

Interessenskonflikt: Stadt nimmt von Anglern gutes Geld ein

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Und doch schlagen Naturschützer vor, dass eine Beschränkung der Angelplätze zumindest die Überwachung der Plätze vereinfache, illegales Angeln schnell identifizierbar mache und auch die Breite der Naturschäden eindämme. Die Untere Fischereibehörde führt wirtschaftliche Aspekte dagegen an, die für die Stadt lukrativ seien: Bis zu 60.000 Euro Pachtzins zahle die IG Untere Ruhr an die Stadt. Hinzu kommen bis zu 10.000 Euro für Fischerprüfungen. Jede Einschränkung des Uferbetretungsrechts ziehe als Konsequenz eine Ausgleichszahlung nach sich, so die Stadt.

Auch sei „die Hege und Pflege des Gewässers Ruhr nicht mehr gewährleistet“, argumentiert die Behörde. Eine Gegenrechnung über die jährlichen Schäden an der Natur gibt es allerdings nicht. „Aufklärung zu betreiben und Akzeptanz zu erzeugen, bleibe die Aufgabe aller“, resümiert die Stadt.

Am kommenden Runden Tisch muss sich zeigen, wie eine Lösung erreicht werden kann.