Mülheim. An öffentlichen Telefonen wird die Münzzahlung gesperrt, bald verschwinden sie ganz. Der Verlust für die Menschen in Mülheim ist überschaubar.
Dieser Geruch nach abgestandenem Zigarettenrauch, die zerfledderten, teils angekokelten Telefonbuchwälzer in ihren Halterungen, der Blick durch blinde, bekritzelte Scheiben, das hektische Kramen nach Kleingeld: Wer schon etwas länger erwachsen ist, wird sich an diese typische Telefonzellen-Atmosphäre noch gut erinnern.
Nun endet eine schon lange verblassende Ära: Am Montag, 21. November, soll die Münzzahlung an allen Fernsprechern deutschlandweit deaktiviert werden, kündigt die Telekom an. Ende Januar ist es dann auch mit dem Zahlen per Telefonkarte vorbei. Danach werden die öffentlichen Telefone - Häuschen und Stelen - peu à peu abgebaut und sollen voraussichtlich Anfang 2025 endgültig Vergangenheit sein.
Nur noch etwa 30 öffentliche Telefone auf Mülheimer Gebiet
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Sie werden im Handy-Zeitalter schlicht kaum noch gebraucht. Mehr als 90 Prozent der öffentlichen Telefone seien in den vergangenen Jahren schon abgebaut worden, teilt Telekom-Sprecher George-Stephen McKinney auf Anfrage mit: Mit dem Mobilfunk habe heute jeder seine „persönliche Telefonzelle“ dabei. „Die Nutzung der öffentlichen Telefonie geht somit gegen Null.“ Hauptgrund für die Einstellung sei daher die Unwirtschaftlichkeit. Auch in Mülheim ist nur noch ein Restbestand vorhanden.
Seit dem letzten Abbaupaket im Jahr 2019, bei dem fünf Telefonstellen aufgegeben wurden, gibt es auf Mülheimer Stadtgebiet nur noch etwa 30 öffentliche Telefone, darunter zehn auf privatem Grundstück. Zuletzt wurden, nach Zustimmung der zuständigen Bezirksvertretungen, die Standorte beispielsweise an der Zeppelinstraße am Flughafen, an der Mintarder Dorfstraße und an der Karl-Forst-Straße geschlossen. Seither gibt es in den Stadtteilen Raadt, Mintard und Selbeck keine Telefonstelle mehr.
Gelbe Telefonhäuschen gibt es in der Stadt nicht mehr
Die klassischen gelben Telefonhäuschen sind schon lange aus dem Stadtbild verschwunden. Vor 15 Jahren gab es immerhin noch 21 gelbe Zellen in Mülheim. Doch bereits 2007 waren die weiß-magenta-farbenen Telefonhäuschen mit insgesamt 96 Standorten eindeutig in der Mehrheit. Daneben gab es 51 Telestationen, Säulen mit oder ohne Dach - also alles in allem noch fast 170 öffentliche Telefone in Mülheim.
Dann verbreiteten sich Handys allerorten, immer mehr Telefonstellen wurden aufgegeben. 2014 wurde die Zahl der Telefonzellen in Mülheim mit nur noch 55 angegeben, plus 23 öffentliche Telefone auf privatem Grund, etwa im Hauptbahnhof, in den Krankenhäusern und Einkaufszentren. 25 Standorte hatte die Telekom auf der Streichliste, weil sie nicht mehr rentabel waren - der monatliche Umsatz war geringer als die Unterhaltungskosten: Strom, Standmiete, Wartung, Beseitigung von Vandalismusschäden.
Erhalt öffentlicher Telefone in Stadtteilzentren: Vergangenheit
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Beim Abbau von Telefonstellen auf öffentlichem Grund musste bislang immer die Stadt zustimmen. In früheren Jahren hieß es zur Orientierung für Mülheim: Ein Standort kann aufgehoben werden, wenn der monatliche Mindestumsatz geringer ist als 50 Euro und sich in einer Entfernung von maximal drei Kilometern eine weitere Telefonstelle befindet. Und ergänzend: „Ein Abbau der letzten öffentlichen Telefonstelle in den Stadtteilzentren wird versagt.“ Im Jahr 2018 hätte die Telekom gerne neun weitere Telefone aufgegeben, bei dreien sperrten sich jedoch Verwaltung und Politik, weil sie die Grundversorgung in Selbeck, Mintard und Winkhausen nicht mehr gegeben sahen. Dabei war der Bestand Ende des vergangenen Jahrzehnts schon auf ein Minimum zusammengeschrumpft.
Im Jahr 2019 gab es in Mülheim letztmalig eine größere Debatte über öffentliche Telefonstellen - die Telekom hatte darum gebeten, fünf Standorte abbauen zu dürfen. Die Mülheimer Verwaltung erklärte seinerzeit in einer Vorlage für die Politik den bislang geforderten Drei-Kilometer-Radius und den Erhalt der jeweils letzten Telefonstelle in den Stadtteilzentren für „nicht mehr zeitgemäß“. Allein „extreme Unwirtschaftlichkeit“, sprich: weniger als 50 Euro Umsatz pro Jahr, sollte genügen, um Telefone abbauen zu dürfen. Zuletzt traf es fünf Standorte, die im Jahr zuvor maximal ein Mal genutzt worden waren, während Zerstörungen - etwa abgerissene Hörerkabel - deutlich häufiger vorkamen.
Telekom will durch Abschaffung der Telefonstellen auch Energie sparen
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Seit einer Änderung des Telekommunikationsgesetzes Ende 2021 besteht keine Verpflichtung zum Betrieb öffentlicher Telefone mehr. Die Telekom kann also Fakten schaffen. Für den Schnitt, den sie jetzt zieht, nennt das Unternehmen mehrere Gründe. Neben der Unwirtschaftlichkeit, weil kaum noch jemand die Geräte benutzt, gestalte sich auch die Beschaffung von Ersatzteilen immer schwieriger. Außerdem wolle man auf diese Weise erheblich Energie einsparen, so der Telekom-Sprecher: „Im Schnitt verbraucht ein öffentliches Telefon zwischen 500 und 1250 Kilowattstunden Strom im Jahr – je nach Ausstattung.“
Wann welcher Standort etwa in Mülheim abgebaut wird, könne man aktuell noch nicht sagen. Es werde den betroffenen Städten etwa vier Wochen vorher mitgeteilt. Möglicherweise schlagen dann noch Nostalgiker zu: „Die Telefonzellen werden nach deren Ausbau fachgerecht entsorgt, recycelt oder zum Kauf angeboten, wenn sie noch in einem guten Zustand sind“, teilt die Telekom mit. Rund ein Viertel der Standorte werden als sogenannte Small Cells weiter genutzt - kleine Antennen für die Verbesserung des örtlichen Mobilfunks, ohne öffentliche Telefonfunktion.