Mülheim. An weiteren sechs Straßen im Mülheimer Verkehrsnetz soll künftig Tempo 30 gelten. Warum die Feuerwehr damit ein Problem hat.
Weniger Tempo auf Mülheims Straßen: Das heißt oft mehr Sicherheit für andere Verkehrsteilnehmer, weniger Lärm, möglicherweise weniger Schadstoffbelastung und insgesamt mehr Lebens- und Aufenthaltsqualität. Mit dieser Zielsetzung hat die Politik beschlossen, weitere sechs Straßen aus dem sogenannten Vorbehaltsnetz herauszunehmen. Mülheims Berufsfeuerwehr allerdings ist mehr als besorgt.
Denn langsam gehen dem Rettungsdienst die schnellen Routen aus, um in Notfällen schnell vor Ort sein zu können. „Wir haben im Jahr rund 20.000 Fahrten hin und zurück von der Notfallstelle – meistens kommt es auf Sekunden an“, wirkte der Leiter der Berufsfeuerwehr, Sven Werner, hochalarmiert.
Feuerwehr besorgt über schwindende Zahl an schnellen Verkehrsverbindungen
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Das Vorbehaltsnetz einer Stadt soll die Hauptlast des Straßenverkehrs tragen und für schnelle Verbindungen zwischen Stadtteilen und wichtigen Punkten innerhalb einer Stadt, aber auch zu anderen Städten sorgen. Dazu zählen Bundes-, Landes- und Kreisstraßen, die die Kommune festlegen kann. Während auf den Straßen des Vorbehaltsnetzes in der Regel das innerortsübliche Tempo 50 gilt – ausgenommen sind besondere Gefahrenstellen –, ist auf allen anderen Straßen Tempo 30 üblich.
Das Problem ist allerdings weniger die vorgegebene Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h, denn die darf die Feuerwehr mit Blaulicht im Notfall natürlich missachten, sondern vielmehr die möglichen Folgen, wenn Straßen aus dem Vorbehaltsnetz gestrichen werden: „Es müssen Maßnahmen ergriffen werden, damit die Straße nicht mehr als Durchgangsstraße genutzt und sicher für den Anliegerverkehr wird“, erläuterte Sonja Knopke vom Ordnungsamt in den Bezirksvertretungen.
Konkret gilt dort etwa die Regelung „rechts vor links“, vorhandene Radwege und Ampeln werden beseitigt, Straßen müssen notfalls sogar baulich eingeengt werden, sofern Autofahrer sich nicht an die vorgegebene Geschwindigkeit halten. Und gerade letztere Maßnahme gibt der Feuerwehr Anlass zur Sorge.
Bauliche Maßnahmen können schnelle Gassenbildung blockieren
Denn der Rettungsdienst könne zwar mit Blaulicht fahren, so Werner, das nütze nur wenig, wenn die Fahrzeuge aufgrund von Einengungen nicht schnell genug den Weg freimachen können. Aus Sicht der Verwaltung sprächen auch verkehrliche wie wirtschaftliche Gründe dagegen. Etwa dann, wenn sich der Autoverkehr nicht an die Alternativrouten hielte und eigene Wege suche. Auch sei eine schnelle verkehrliche Anbindung für die Wirtschaft wichtig.
Bei nur drei von insgesamt 18 diskutierten Straßen will die Verwaltung deshalb grünes Licht für eine solche Herausnahme aus dem Vorbehaltsnetz geben: Holzstraße sowie Teile der Langenfeld- und der Friedhofstraße. Für den Abschnitt der Dohne und Mendener Straße - Wilhelmstraße bis Mendener Brücke – will die Stadt eine Umstufung beantragen, um dort anschließend eine Fahrradstraße umsetzen zu können.
Politik steuert an drei Straßen nach
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Die Politik in den Bezirksvertretungen 1 und 3 steuerte an weiteren drei Straßen nach: an der Felackerstraße, am Broicher Waldweg und am Schneisberg. Die beiden letzten Straßen sind jedoch nicht unumstritten. Denn am Waldweg liegt das Wohnstift Uhlenhorst, das einen schnellen und ausreichend breiten Zugang im Einsatzfall benötige, wendete Feuerwehrleiter Werner ein.
Und über den Schneisberg soll laut aktuellem Entwurf des Nahverkehrsplans die Buslinie 134 führen. Nicht nur würde ein durchgehendes Tempo 30 die Linie verlangsamen, sondern wohl auch weitere bauliche Maßnahmen zur Geschwindigkeitsbegrenzung. Damit schien zumindest Sonja Knopke vom Ordnungsamt bereits zu rechnen, weil sich bergab vermutlich niemand an die Tempovorgabe halten und auch der Durchgangsverkehr nicht abreißen würde. Am Schneisberg hatte die Verwaltung daher vorgeschlagen, zwischen Diedenhofer Straße und Lindenhof ein Tempo 30 anzuordnen, um Radfahrer zu schützen.
Mehrheitlich jedoch setzte die Politik ihre drei Änderungsvorschläge durch. Einzig in der Bezirksvertretung 2 folgte man durchgängig den Empfehlungen der Verwaltung und beließ selbst die seit Jahren diskutierte Verkehrsberuhigung der Mellinghofer Straße im Abschnitt zwischen den beiden Schnittpunkten zur Mannesmannallee unangetastet: „Wir sind überzeugt worden, dass die Herausnahme aus dem Netz an dieser Stelle mehr Nachteile gebracht hätte“, kommentiert Axel Hercher (Grüne) gegenüber dieser Redaktion. Denn dann hätte an den Kreuzungen „rechts vor links“ gegolten und den Radverkehr ausgebremst.
Entscheidung über Vorbehaltsnetz fällt im Dezember
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Gegenüber der Sorge der Feuerwehr zeigte sich Hercher jedoch auch gelassener: „Über bauliche Maßnahmen zur Einengung von Straßen entscheidet die Stadt nur in Abstimmung mit der Feuerwehr.“
Allerdings traf Schwarz-Grün die Entscheidung zur Mellinghofer Straße nicht ohne Hintergrund: Im Raum steht noch ein Antrag des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC), diesen Teil zur Fahrradstraße zu erklären. Im Mobilitätsausschuss am 1. Dezember werden die Änderungen sowie die Vorschläge der Verwaltung eingehend vorberaten, am 15. Dezember wird das Vorbehaltsnetz mit oder ohne Änderungen an sechs Straßen vom Rat der Stadt verabschiedet.