Mülheim. Für den Mobilitätsausschuss will die schwarz-grüne Koalition mehr Tempo-30-Zonen in Mülheim prüfen lassen. 17 Straßen sind dafür vorgesehen.

Gilt bald ein grundsätzliches Tempo 30 auf Mülheimer Straßen? Die Grünen im Land haben just genau das für alle NRW-Städte gefordert. Auch in Mülheim hat die schwarz-grüne Koalition bereits einen Antrag für den Mobilitätsausschuss am Montag vorbereitet, der eine „Herausnahme aus dem Vorbehaltsnetz“ prüfen will. Das ist die Voraussetzung, um Tempo 30 auf diesen Straßen umzusetzen. Auf 17 innerörtlichen Straßen könnte demnächst also 30 statt 50 km/h gelten.

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Koalition will weniger Tempo in den Mülheimer Wohngebieten

Auf der Liste sind einige gern genommene Verkehrs- und Schleichwege zu finden: So stehen die Mellinghofer Straße vom ADAC bis zur Autobahn A40 sowie ein Stück der Duisburger Straße auf dem Plan. Die komplette Dohne, die Heißener Straße, den Saarner Schneisberg und einen Teil der August-Thyssen-Straße wollen CDU und Grüne ebenfalls entschleunigen.

Denn an vielen Stellen führen diese Straßen durch Wohngebiete, sie kreuzen Radwege oder haben selbst keinen eigenen Radweg, erläutert der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, Axel Hercher. Die Gründe sind vielfältig: „An einigen Stellen haben wir bereits stellenweise Tempo 30. Für Autofahrer ist der ständige Wechsel zwischen 30-50-30 aber oft ,nervig’.“ Solche Wechsel will die Koalition ,begradigen’.

Auch die Kaiser-Wilhelm-Straße in Mülheim-Styrum soll durchgehend Tempo 30 bekommen: Nachdem hier 2019 ein zwölfjähriges Mädchen von einem Auto erfasst und schwer verletzt worden ist, forderten Anwohner, die Beschränkung auszuweiten.
Auch die Kaiser-Wilhelm-Straße in Mülheim-Styrum soll durchgehend Tempo 30 bekommen: Nachdem hier 2019 ein zwölfjähriges Mädchen von einem Auto erfasst und schwer verletzt worden ist, forderten Anwohner, die Beschränkung auszuweiten. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

30 km/h sorgt laut CDU und Grünen für mehr Sicherheit für Radler und Fußgänger

Ein grundsätzliches 30 schaffte aus Sicht der Koalition weitere Vorteile: Dort, wo die Stadt noch keine Radwege errichtet hat, bedeutet die Entschleunigung mehr Sicherheit für Radler und Fußgänger. So gilt dies für die Denkhauser Höfe in Dümpten zwischen Oberheid- und Borbecker Straße oder für die Dohne.

Ein weiteres Anliegen von Schwarz-Grün: Unfallschwerpunkte durch Tempodrosselung entschärfen, etwa an der August-Thyssen-Straße in Mintard und an der Dohne. Auch jener Abschnitt der Duisburger Straße, der zwischen Ruhrorter und Heerstraße durch den Stadtteilkern führt, zählt dazu: Wegen der Schiene gäbe es etwa keine baulichen Möglichkeiten, die Geschwindigkeit zu drosseln.

Stadt Mülheim hat bereits 130 Tempo-30-Zonen

An diesen Stellen ist in Mülheim bereits Tempo 30 eingeführt.
An diesen Stellen ist in Mülheim bereits Tempo 30 eingeführt. © funkegrafik nrw | Marc Büttner

Doch wer nun befürchtet, die Stadt stelle damit komplett auf Schleichfahrt um, irrt: Denn längst hat die Ruhrstadt zum einen große Flächen zu Tempo-30-Zonen in vielen Wohngebieten erklärt. Rund 130 sollen es sein, ausgenommen sind einige Hauptverkehrsachsen, Kreis-, Landes- und Bundesstraßen. Daran kratzen zum anderen auch die neuen Pläne der schwarz-grünen Koalition nur wenig.

So bleibt die Aktienstraße, die erst seit der Corona-Pandemie die zulässigen NOx-Grenzwerte deutlich unterschritten hat, unberücksichtigt. Hier wolle man mit Maßnahmen noch abwarten, wie sich die Werte nach der Pandemie entwickeln, meint Hercher.

Auch die Gewerbegebiete lassen CDU und Grüne unangetastet.

Hält die Stadt zu viele Straßen vor für den übergeordneten Verkehr?

„Wir denken, dass das Vorbehaltsnetz viel zu groß ist“, argumentieren CDU und Grüne. Dieses Netz bilden übergeordnete Straßen, die den motorisierten Verkehr in und aus der Stadt abwickeln und Stadtteile verbinden sollen. Wie viele Straßen dazugehören müssen, ist allerdings nirgendwo vorgegeben. Darüber entscheidet die Kommune selbst.

Aus Sicht des Tiefbauamts hingegen gibt es offenbar keine Notwendigkeit, das Netz zu kürzen und mehr entschleunigte Bereiche einzuführen. Auch die Politik sperrte sich seit Jahren. „Mit Ausnahme der Heerstraße zwischen Wissoll- und Friedhofstraße sind alle potenziellen Tempo 30-Zonen auf der Grundlage des vom Rat beschlossenen Vorbehaltsnetzes eingerichtet. Verwaltungsseitig sind zurzeit keine Änderungen geplant“, teilt das Amt auf Anfrage mit.

Straßennetz stand zuletzt vor 20 Jahren auf dem Prüfstand

Diese Straßen werden geprüft

Diese 17 Straßen sollen aus dem Vorbehaltsnetz herausgenommen werden: Bruchstraße (z.T. schon Tempo 30) - Eppinghofer Bruch - Winkhauser Talweg - Dohne - Mendener Straße (Trooststraße bis Mendener Brücke) - Felackerstraße – Heißener Straße. (z.T. schon Tempo 30) – Sandstraße – Schulstraße - Friedhofweg.

Ferner sind dabei: Mellinghofer Straße (ADAC bis zur A 40) – Denkhauser Höfe (Kreuzung Oberheid- bis Borbecker Straße) – Kaiser-Wilhelm-Straße – Aschenbruch – August-Thyssen-Straße (Hausnummer 85 und 115) – Holzstraße – Langenfeldstraße – Schneisberg - Lindenhof – Broicher Waldweg – Duisburger Straße (zwischen Ruhrorter und Heerstraße) – Friedhofstraße (zwischen Duisburger Straße und Kreisverkehr Heerstraße).

Zuletzt jedoch entschied der Planungsausschuss vor gut 20 Jahren, also 2002, über jene Struktur. Seitdem hat es zwar immer mal kleinere Veränderungen hier und da gegeben. Doch die Verhältnisse und Bedarfe auf der Straße haben sich seitdem gewaltig verändert: Es wird deutlich mehr Rad gefahren, E-Scooter haben den Platz auf der Straße eng werden lassen und den Druck erhöht.

Reagiert hat die Stadt aber nur gemächlich. Der Vorschlag der Koalition ist daher durchaus ein systematischer Versuch, eine Verkehrswende zu gestalten. Hercher geht davon aus, „dass der Prüfauftrag ergibt, dass man die vorgeschlagenen Straßen aus dem Netz nehmen kann“.

Entspricht er damit aber auch dem Vorstoß der Landesgrünen, Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit zu etablieren? „Ja“, glaubt Hercher, denn es gehe auch im Antrag an das Land darum, die Verhältnisse umzukehren und Tempo 50 zur Ausnahme zu machen, aber nicht, 50 vollständig zu verbieten.