Mülheim. Überraschend gab es für das Mülheimer Hospiz jüngst ein großes Erbe. Was über die Spenderin bekannt ist und was mit dem Geld nun geschehen soll.

  • Das Mülheimer Hospiz erhielt kürzlich eine Erbschaft in Höhe von 300.000 Euro.
  • Über die anonyme Spenderin ist nichts bekannt, auch nicht über ihre Motivation für die Spende.
  • Mit dem Geld soll nun der Ausbau des Hauses von zwölf auf 14 Zimmer finanziert werden.

In Ruhe Abschied nehmen können vom Leben und den Liebsten. Und kurz vor dem Tod noch einmal spüren, was Menschenwürde und Nächstenliebe bedeuten: Das sollte allen Menschen vergönnt sein, finden die Mitarbeiter des Mülheimer Hospizes. Sie begleiten Todkranke auf ihrem letzten Weg, „es soll ihnen dabei so gut gehen, wie nur eben möglich“, sagt Leiterin Monja Mika. Dass das immer stark ausgelastete Hospiz in den kommenden Wochen um zwei Plätze erweitert wird, freut sie sehr.

„Ziemlich überraschend“, so erzählt Geschäftsführer Ulrich Schreyer, sei das Haus vor einiger Zeit in den Genuss einer Erbschaft gekommen. 300.000 Euro habe eine Dame der Einrichtung hinterlassen – aus unbekanntem Grunde. Ihre gütige Gabe fließt nun in ein konkretes Projekt: Den Ausbau des Hauses von zwölf auf 14 Zimmer. Im Frühjahr 2023 soll die Erweiterung abgeschlossen sein. Laut Schreyer ist der Bedarf groß: „Unsere Plätze sind sehr begehrt, wir haben eine Auslastung von rund 97 Prozent.“

Die meisten Gäste des Mülheimer Hospizes haben bösartige Tumore

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An der Friedrichstraße ziehen Menschen ein, die oft jahrelang gegen schwere Krankheiten angekämpft haben und denen Ärzte gesagt haben, dass sie wohl keine Chance mehr auf Heilung haben, die Zeit knapp wird. Die allermeisten leiden unter bösartigen Tumoren. Manche suchen den Kontakt von sich aus, andere werden von Krankenhäusern geschickt. Einige sind lang da, andere kurz, erzählt Mika: So sei ein Gast 60 Minuten nach dem Einzug gestorben, ein anderer habe zehn Monate im Hospiz verbracht.

Viele Frauen und Männer meldeten sich unmittelbar nach der niederschmetternden Diagnose; „auch wenn es ihnen aktuell vielleicht noch gut geht, lassen sie sich auf die Warteliste setzen“. Mehr als 2000 Menschen aus Mülheim und der Umgebung wurden seit Gründung des Hauses vor zehn Jahren aufgenommen. Durchschnittlich zehn Tage blieben ihnen bis zum Tod. Vielen tut die Ruhe vor Ort gut; „auch wenn sie nur noch sehr wenig Zeit haben, kann diese sehr wertvoll sein“.

Im Hospiz zähle nur noch, was sich der Mensch wünscht oder eben nicht mehr wünscht

Leiterin Monja Mika und Geschäftsführer Ulrich Schreyer an der Tür zum Garten des Mülheimer Hospizes.
Leiterin Monja Mika und Geschäftsführer Ulrich Schreyer an der Tür zum Garten des Mülheimer Hospizes. © FUNKE Foto Services | Oliver Mueller

Jedes Schicksal ist anders, behandelt werde aber jeder gleich, betont Schreyer. Im Hospiz zähle nur noch, was sich der Mensch wünscht oder eben nicht mehr wünscht. Monja Mika und ihr Team aus 16 Pflegekräften, zwei Hauswirtschafterinnen, einem Caterer, fünf Reinigungskräften, zwei Ärzten und 35 Ehrenamtlichen erleben viel. Sie erzählt von Begegnungen mit einer Siebenjährigen, die ein letztes Mal mit ihrer Mutter den Weihnachtsbaum schmücken konnte, und mit einer alten, todkranken Frau, die im Garten Russisch lernte, „weil man ja nicht weiß, wofür man es noch gebrauchen kann“, so Schreyer. Und dann gab es da dieses innige Gespräch mit einem Obdachlosen: „Der hatte ewig nicht mehr in einem Bett geschlafen, nie mehr regelmäßig gegessen.“ Er fragte die Hospizleiterin: „Warum kümmern Sie sich um mich? Es hat sich noch nie einer um mich gekümmert. . .“

Die CDU-Kommunalpolitikerin Renate Sommer hat den Stein vor rund 18 Jahren ins Rollen gebracht, berichtet Ulrich Schreyer. Zu einer Zeit, als die Landespolitik noch keinen Bedarf für ein Hospiz in Mülheim erkannte, habe sie in einem Ausschuss „sehr berührend von der Situation in Altenheimen berichtet und von den schwierigen Bedingungen, unter denen Menschen dort sterben“. Sommer drängte darauf, dass Mülheim ein stationäres Hospiz bekommt. Schreyer versprach, sich zu kümmern.

Gelder zu generieren gestaltete sich anfangs als sehr schwierig

Die intensive Beschäftigung mit dem (eigenen) Tod sei nicht leicht gewesen, erinnert er sich, zwischenzeitlich habe er das Projekt sogar ruhen lassen. Doch letztlich ging er es an, gründete eine gemeinnützige GmbH. Gelder zu generieren gestaltete sich schwierig. Das Verfahren zog sich in die Länge, doch irgendwann stand auch die Finanzierung aus Stiftungsgeldern und Eigenmitteln.

Dreieinhalb Millionen Euro wurden an der Friedrichstraße verbaut; aus einer denkmalgeschützten Thyssenvilla und einem Neubau entstand das Hospiz. „Wir wollten zentral und gut erreichbar sein“, so Schreyer. Die Sichtbarkeit hilft im Alltag, aber nach wie vor gebe es in einigen Köpfen das Bild vom Hospiz als dunklem, unheimlichen Ort, weiß Mika. „Dabei sind wir ein sehr lebendes Haus – auch wenn hier gestorben wird.“

Dem Hospiz fehlen ehrenamtliche Kräfte

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Mitarbeiter, die hauptberuflich arbeiten, findet man aktuell ausreichend, so das Führungsduo. „Doch es fehlen Ehrenamtliche“, sagt Mika – und fordert Interessierte dazu auf, sich zu melden. Aktuell engagieren sich Männer und Frauen zwischen Anfang 20 und Mitte 80; Studenten, Berufstätige, Rentner. Sie arbeiten einige Stunden wöchentlich, empfangen Besucher, bereiten Mahlzeiten zu, unterhalten sich mit den Gästen, begleiten sie zum Teil auch durch die bedrohliche Nacht. Alle wurden intensiv geschult, so Mika. Berührungsängste sind ihnen fremd.

Rund anderthalb Million Euro kostet der Betrieb des Hospizes jährlich – Kranken- und Pflegekassen tragen einen Großteil. Doch Schreyers gemeinnützige GmbH muss auch 300.000 Euro allein aufbringen. Ohne Spenden geht das nicht. Leider sei die Bereitschaft zur milden Gabe zurückgegangen – und Erbschaften wie die der alten Dame sind selten.