Mülheim. Im Mülheimer Hospiz fordert die Pandemie viele Einschränkungen: keine Ehrenamtler mehr und strengere Besuchsregeln. Auch Spenden brechen weg.

Das Mülheimer Hospiz bleibt von Hygienevorschriften nicht verschont: Auch hier hat man in den vergangenen Wochen zu Maßnahmen greifen müssen, um sowohl die Gäste und deren Besucher als auch die Mitarbeitenden vor einer Corona-Infektion zu schützen. Das bedeutet seit Wochen Einschränkungen für alle: Die Ehrenamtlichen dürfen derzeit nicht kommen, die Besuchsregelungen sind strenger. Und auch daran, dass dem Haus die Spenden wegbrechen, ist die Corona-Krise schuld.

Mülheimer Hospiz ist zu 96 Prozent ausgelastet

Die letzten Tage, Wochen oder Monate in einem immer offenen, freundlichen Haus zu verbringen, schmerzarm zur Ruhe zu kommen, Zeit zu haben, seine privaten Dinge zu regeln. Dabei manchen Wunsch erfüllt zu bekommen und liebevoll und verlässlich umsorgt zu werden von Pflegekräften, Ehrenamtlichen und den Angehörigen, für die schöne Gemeinschaftsräume zur Verfügung stehen, um selbst einmal einen stillen Moment zu haben. So arbeitet das Mülheimer Hospiz an der Friedrichstraße 40 seit über sieben Jahren.

Zwölf Gästezimmer gibt es dort, wie das Haus die freundlich eingerichteten barrierefreien Räume nennt. Zehn sind ständig belegt, nur zehn, "denn man muss den Menschen ja Zeit geben", sagt Hospiz-Geschäftsführer Ulrich Schreyer. Auf dem letzten Weg darf man sich Zeit lassen. Dabei ist die Nachfrage gut. Eine hohe Auslastung haben sie hier, rund 96 Prozent.

Gäste im Mülheimer Hospiz dürfen nur eine Person am Tag empfangen

Als der Erlass zu den Corona-Maßnahmen im März kam mit dem Ziel, Ansteckungsgefahren zu minimieren, mussten die 45 Ehrenamtlichen zu Hause bleiben. Viele von ihnen sind älter als 60 Jahre und gehören damit selbst zur Risikogruppe. Die Gäste, deren Gesundheitszustand noch fragiler ist, dürfen nur noch eine einzelne Person am Tag empfangen, diese wird erst nach dem Klingeln und nur mit Mund-Nasen-Schutz eingelassen. Die Angehörigen müssen sich absprechen. Jeder Besuch wird dokumentiert. "Es fällt sehr schwer, das jetzt zu begrenzen. Es geht ja um die letzte Lebensphase", sagt Schreyer.

Auf engen Körperkontakt solle man verzichten, das muss das Haus auch empfehlen. Abschiednehmen in Liebe und mit Würde geht anders, das weiß Schreyer, der auch sehr bedauert, dass man derzeit im Hospiz die "offene Struktur des Willkommens" nicht leben kann. Dass die Aufenthaltsräume für die Angehörigen, der Raum der Stille, das Musikzimmer oder das Gartenzimmer, derzeit nicht für familiäre Zusammenkünfte nach dem Sterbefall zur Verfügung stehen können. Dass die Ehrenamtlichen, die nachts, wenn die Angst kommt, manche Hand gehalten haben, derzeit nicht helfen dürfen.

Viele Gäste kommen jetzt erst ins Hospiz, wenn es gar nicht mehr anders geht

"Aber wir müssen eine Balance finden zwischen schützender Notwendigkeit und dem Anspruch, würdevoll aus dem Leben Abschied zu nehmen", sagt Ulrich Schreyer. Er kennt Hospize, deren Regeln noch strenger sind, und in Mülheim haben sie bisher auch noch keine Covid-19-Fälle gehabt. "Die Menschen sind sehr verständig", lobt Ulrich Schreyer. "Sie gehen mutig mit der Situation um."

Es ist nicht so, dass niemand das Haus selbstständig wieder verlassen kann. Das hatten sie hier auch schon: Dass sich Palliativpatienten so gut erholt haben, dass ein Leben für einige Monate, gar ein ganzes Jahr zu Hause wieder möglich wurde. Im Schnitt bleiben die Gäste 17 Tage im Hospiz, sagt Ulrich Schreyer, derzeit sinke diese Zahl.

Die Leute seien zögerlicher, ins Hospiz zu gehen, auch das habe Corona bewirkt. "Sie befürchten eine Ansteckung, und dass man möglicherweise keinen Besuch mehr haben darf." Viele Gäste, bedauert er "kommen jetzt erst, wenn es gar nicht mehr geht." So habe das Pflegepersonal an einem Wochenende manchmal vier, fünf Sterbefälle zu bewältigen. Da kämen dann, bedauert er, manche Dinge zu kurz, für die das Mülheimer Hospiz stehe.

Im April ein Spendenrückgang von rund 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr

Die Finanzierung des Hospizes funktioniert über Pflegesätze und Spenden. Der Träger muss laut Gesetz pro Jahr fünf Prozent Eigenanteil aufbringen. In Mülheim sind es etwa 20 Prozent, rund 300.000 Euro, weil das Haus mit seinen großen Zimmern und der besseren Verpflegung über dem normalen Standard liege, erklärt Geschäftsführer Schreyer. Großspenden seien selten, so Schreyer, es sind vielen kleine Beiträge, mit denen das Hospiz bedacht wird. Über 2300 Spender hatte das Mülheimer Hospiz im vergangenen Jahr.

Vielfach bitten Angehörige bei der Einladung zur Trauerfeier um Spenden für das Hospiz anstelle von Blumen. "Aber Beerdigungen finden derzeit ja nicht mehr statt", so Schreyer. Und so fallen auch viele Spenden weg. "Im Vergleich hatten wir im April 2020 im Vergleich zum April 2019 einen Spendenrückgang von rund 40 Prozent", sagt er.

Etwas über 20.000 Euro an Spenden braucht das Hospiz im Monat. Um diese Dinge müssen sich die Gäste allerdings keine Gedanken machen. Für sie ist der Aufenthalt im Hospiz immer kostenfrei.

TRÄGER UND FÖRDERVEREIN

Die beiden Träger des Mülheimer Hospizes sind die Stiftung Evangelisches Kranken- und Versorgungshaus zu Mülheim und das Diakoniewerk Arbeit und Kultur gGmbH.

Das Hospiz hat einen Förderverein, dem man beitreten kann. Man kann aber auch einzeln spenden. Info: 0208 / 970655 - 98, E-Mail: foerderverein@hospiz-mh.de, www.hospiz-mh.de