Mülheim. Sie lieben Tiere und die Natur – und wollen deshalb Jäger werden. Dazu gehört auch, auf Lebewesen zu schießen. Wie zwei Mülheimer damit umgehen.
Sie wollen Jäger werden, büffeln gerade in einer Gruppe von knapp 20 Teilnehmenden in der Mülheimer Waldschule für den Jagdschein. Was sie eint, ist die Liebe zur Natur. Dass es zum Jagdwesen auch gehört, Tiere zu erlegen, ist ein großes Thema in ihrer Ausbildung. Die 20-jährige angehende Jungjägerin Katharina sagt: „Wenn es sich nicht richtig anfühlt, bleibt der Finger gerade.“
Klar liebt sie Tiere, sagt Katharina Heils, die 20-Jährige reitet und ist naturverbunden aufgewachsen. Mehr noch: Ihre Familie war schon immer jagdlich aktiv, schon ihr Großvater war Mitglied der Mülheimer Kreisjägerschaft, Katharina ist quasi in der Waldschule an der Großenbaumer Straße aufgewachsen. Dass sie nun, parallel zu ihrem Psychologie-Studium, den Kurs zur Erlangung des Jagdscheins macht, erscheint ihr nur folgerichtig: „Schon als Kind war ich immer dabei, ich gehe mit ganz anderen Augen durch den Wald als viele meiner Freunde. Draußen in der Natur spüre ich eine tiefe Verbundenheit.“
Mülheimer Jungjäger lernen, wie man Ricke und Bock am Spiegel erkennt
Jetzt erfährt sie von Ausbildungsleiter Klaus Weltjen, der in Mülheim seit über 30 Jahren Jungjäger ausbildet, in knapp 150 Unterrichtsstunden, was Fegestellen sind, wie man Ricke und Bock am Spiegel – ihrem Hinterteil – unterscheiden kann, wo das Wild eine Duftlocke trägt und noch vieles mehr. Im ersten Abschnitt der Ausbildung stand aber zunächst Waffenkunde auf dem Stundenplan.
Dass sie auf Wildtiere schießen wird, gehört für Katharina Heils dazu: „Wir gewinnen dadurch ein Lebensmittel, das noch nicht mit Antibiotika in Berührung gekommen ist, und verwerten so viel wie möglich davon – von der Nase bis zum Schwanz.“ Ob sie denn das Reh, das sie einst erlegen wird, auch selber essen würde? Katharina schüttelt den Kopf: „Ich mag gar kein Wildfleisch.“ Für ihre Familie aber sieht sie, wie sich da ein Kreis schließt: „Sie essen das Fleisch aus unserem Revier.“
Kritik am Jägertum hört die 20 Jahre alte Jungjägerin aus Mülheim eher selten
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Die meisten in ihrem Umfeld finden es interessant, dass sie sich zur Jägerin ausbilden lässt. Auf Jagdkritiker treffe sie eher selten. „Klar höre ich auch mal die Frage: ,Würdest du das Bambi totschießen?’“, sagt die 20-Jährige. Dann erklärt sie dem Fragenden, dass es für sie auch um Tierschutz gehe, denn kranke Tiere würden geschossen und so erlöst. Auch das gehöre zur Verantwortung eines Jägers, ebenso wie durch Übungseinheiten auf dem Schießstand im Training zu bleiben, damit ein Schuss auch wirklich sitzt und ein Tier nicht leiden muss, erklärt die Studentin. Generell sei die Abschussquote gering, die Jagdbehörde mache Vorgaben, wie viel im jeweiligen Revier zu schießen ist, es gebe detaillierte Abschusspläne, weiß Katharina Heils.
Wie Brutalos, die mit erhobener Knarre durch den Wald ziehen und wahllos drauflos ballern, wirken die Männer und Frauen in der Waldschule wahrlich nicht. „Das spricht für mich für die Qualität der Ausbildung“, sagt Dennis Schaaphaus. Der 31-Jährige hatte zuvor mit Jagd nichts am Hut, bezeichnet sich als tierlieb und naturverbunden.
In diesem Jahr hat er sich erstmals den Kitzrettern angeschlossen, einer Gruppe von mittlerweile rund 80 Menschen, die während der Mähsaison durch Felder und Wiesen streifen, um es Rehen dort ungemütlich zu machen. Denn das Wild legt seine Jungtiere gerne dort ab, die Kitze aber fliehen nicht, wenn der Bauer mit dem Traktor kommt, sondern kauern sich mucksmäuschenstill auf die Erde. „Das will niemand erleben, wenn ein kleines Reh in der Mähmaschine landet“, sagt Anke Gleichmar, die Presse-Obfrau der Mülheimer Kreisjägerschaft zum Einsatz der ehrenamtlichen Kitzretter.
Über Kitzrettung kommt Mülheimer zur Jagdausbildung
Dennis Schaaphaus war also einer der 80, die die Rehkinder vor diesem Schicksal bewahren wollten. „Da hatte ich erstmals Kontakt zur Kreisjägerschaft und fand, das waren nette Leute“, blickt der 31-Jährige auf seinen Kitzretter-Einsatz im Sommer zurück. Schon länger habe er mit dem Gedanken gespielt, die Jägerausbildung zu machen. „Ich interessiere mich für die Natur und suchte einen Ausgleich zu meinem Schreibtisch-Job.“
Am Schreibtisch sitzen wird er für die Prüfungen, die im Frühjahr vom Jägerprüfungsausschuss der Stadt abgenommen werden, wohl auch und einiges pauken. „Der Stoff ist umfangreich, es heißt nicht zu Unrecht grünes Abitur“, stellt Schaaphaus nach den ersten zwei Monaten im Kurs fest. Dass direkt zu Anfang auch die Schießausbildung auf dem Stundenplan stand, findet der Dümptener durchdacht: „Es wird extrem viel Wert darauf gelegt, dass der Umgang mit der Waffe vernünftig ist. Dabei kristallisiert sich heraus, wer es ernst meint – das ist nichts für Schießwütige.“ Wird es ihm leichtfallen, nach bestandener Prüfung den Gewehrlauf auf ein Wildtier zu richten? „Da ich bei der Bundeswehr war, habe ich keine große Scheu vor der Waffe. Wenn es dann aber so weit ist, wird es auf jeden Fall eine Überwindung sein.“
Das erlegte Stück Wild muss auch ausgenommen werden
Den Moment aber, indem es darum geht, ein Tier zu töten, um sein Fleisch zu verwerten, den kennt Dennis Schaaphaus durchaus. Seit einigen Jahren hat der 31-Jährige den Angelschein, auch damit ist er wie beim Jagdschein der Erste in seiner Familie: „Beim Angeln stehe ich genauso vor der Entscheidung, ein Leben zu beenden, um es sinnstiftend zu verwerten.“ Vergleichbar sei sein Antrieb beim Schießen von Wild: „So kann man ein hochwertiges Lebensmittel erzeugen und verwerten, damit es nicht für die Tonne ist.“ Dazu gehört auch, das erlegte Stück Wild aufzubrechen, also auszunehmen „Dann kommt man mit einem toten Lebewesen in Berührung, das kostet schon Überwindung, aber auch das gehört dazu.“
Das Umfassende der Ausbildung, der geschulte Blick auf Pflanzen, Tiere und den Lauf der Jahreszeiten sei es, was ihn reizt, sagt Schaaphaus: „So lernt man, die Zusammenhänge zu verstehen.“ Und so sieht es auch Katharina Heils: „Das hilft, das Ursprünglichste zu verstehen, was wir haben – die Natur.“