Mülheim. Mülheimer Jäger und andere Freiwillige suchen aktuell Wiesen nach Rehkitzen ab, bevor diese gemäht werden. Hilfe kommt dabei auch aus der Luft.

Aufgeregt schauen Ella, Lilli, William und Jette immer wieder zu Herrchen und Frauchen und warten auf das Kommando, dass es endlich losgeht. Die beiden Labrador-Suchhündinnen, der Gordon Setter Vorstehhund und die kleine Dackeldame, die sich gerade in der Ausbildung zum Jagdhund befindet, sollen an diesem Abend Rehkitze auf einer Wiese in Selbeck aufspüren, und sie damit vor dem Mähtod bewahren.

Denn Thomas Jakob, dem die Wiese an der Mühlenbergheide gehört, möchte diese am nächsten Morgen mit schwerem Gerät mähen. Gemeinsam mit Jägern und anderen Naturfreunden läuft Jakob die schnittreife Wiese deshalb ab, um Rehe und deren Nachwuchs aufzuspüren und aus den kritischen Zonen zu vertreiben. Dann endlich kommt das lang ersehnte „Go“ für die Hunde, die an Schleppleinen lospreschen, die Nase konzentriert am Boden.

„Vom Traktor oder Mähdrescher sind die Tiere im Gras kaum zu erkennen“

Nach der Geburt werden die Kitze von ihren Müttern bevorzugt im hohen Gras abgelegt, um sie vor Feinden und anderen Gefahren zu schützen.
Nach der Geburt werden die Kitze von ihren Müttern bevorzugt im hohen Gras abgelegt, um sie vor Feinden und anderen Gefahren zu schützen. © Kevin Winterhoff | Kevin Wionterhoff..]

Auch Landwirt Jakob, Jäger Urs Pfannmüller und sechs weitere Helfer durchkämmen aufmerksam und mit dem Blick nach unten gerichtet die kniehohe Wiese. Jetzt ist die Zeit, in der die ersten Rehkitze zur Welt kommen. Nach der Geburt werden die Jungtiere von ihren Müttern bevorzugt im hohen Gras abgelegt, um sie vor Feinden und anderen Gefahren zu schützen. Leider fällt der erste Schnitt der Wiesen durch die Landwirte genau in diese Zeit.

„Vom Traktor oder Mähdrescher sind die Tiere im Gras kaum zu erkennen“, weiß Jäger Pfannmüller. Außerdem fehle den Jungtieren in den ersten Monaten der Fluchtinstinkt, bei drohender Gefahr ducken sie sich stattdessen noch tiefer ins Gras und verhalten sich ganz still. Außerdem geben die Rehkitze in ihren ersten Lebenswochen zunächst keine Witterung ab, haben kaum Eigengeruch.

Flatterband hält Rehe von der Wiese ab

Fast 40 Menschen beteiligen sich an der Kitzrettung

Seit zehn Jahren gibt es die Gruppe der freiwilligen Kitzretter, die mittlerweile fast 40 Mitglieder hat.

Die Kreisjägerschaft freut sich über weitere Beteiligung durch Naturfreunde. Wer sich an der Kitzrettung beteiligen möchte, wendet sich bitte an die Kreisjägerschaft Mülheim per E-Mail (anke.gleichmar@muelheimer-jaeger.de) oder telefonisch unter 0208/48 71 94.

Das macht die Arbeit für die Hunde sehr anstrengend. Bei der ersten Suche in dieser Saison ist Gordon Setter William aber noch sehr energiegeladen und hochmotiviert. An einer langen Schleppleine läuft William kreuz und quer durch den breiten Wiesenstreifen, den er gemeinsam mit Herrchen Urs Pfannmüller nach Jungtieren absucht. „Auch wenn wir kein Jungtier finden, hat die Suche den Effekt, dass wir die Wiese mit unseren Gerüchen beunruhigen“, erklärt Pfannmüller. „Die Tiere werden vergrämt, vorhandene Kitze, die im Gras liegen, werden von den Muttertieren geholt und weggebracht.“

Außerdem soll an Bodenstangen befestigtes Flatterband verhindern, dass eine Ricke ihr Junges doch noch in der Nacht in der Wiese ablegt. Um auf Nummer sicher zu gehen, wird Landwirt Thomas Jakob die Wiese kurz vor dem Mähen am nächsten Tag noch mit einer Drohne mit Wärmebildkamera abfliegen.

Bei Funden werden die Rehkitze am Rand der Wiese abgelegt

Diesmal haben die Kitzretter kein Jungtier in der Wiese gefunden. Doch die Saison hat gerade erst begonnen. Alleine auf Wiesen von Thomas Jakob rücken die Helfer rund zehn Mal an, um zu verhindern, dass ein Rehkitz oder auch andere Wildtiere und Bodenbrüter in den messerscharfen Klingen der Mähdrescher landen. Insgesamt durchkämmen die freiwilligen Helfer in Mülheim über 50 Hektar jedes Jahr.

Wenn die Kitzretter fündig werden, tragen sie das Jungtier aus der Gefahrenzone heraus und legen es am Rand der Wiese ab. Getragen werden die Kitze mit Handschuhen und Gras, damit sie nicht den menschlichen Geruch annehmen. Dann nämlich würde das Muttertier den eigenen Nachwuchs nicht mehr annehmen.

Jäger: Scheinbar verwaiste Kitze nicht anfassen

Deshalb appelliert Urs Pfannmüller auch an Spaziergänger, die scheinbar verwaiste Kitze auf einer Wiese sehen, diese in Ruhe zu lassen und auf keinen Fall anzufassen. „Auch wenn man meint, die Mutter sei nicht da, sie ist da“, weiß der erfahrene Jäger. Auch stellen freilaufende Hunde für die Rehkitze eine große Gefahr dar. Anderes gilt natürlich für augenscheinlich verletzte Tiere. Dann gelte: Im Zweifel hilft ein Anruf beim zuständigen Jagdpächter, der Stadt Mülheim oder der Polizei.