Mülheim. An der U18 wird ein Mülheimer in einem Elektro-Rollstuhl am Bahnsteig zurückgelassen. Was die Ruhrbahn zur Entscheidung des Fahrpersonals sagt.
Ein schöner Tag auf der Cranger Kirmes sollte es vor einiger Zeit werden, kürzlich dann ein Besuch in Essen – doch zwei Mal hatte Norbert Rausch größte Probleme, seine Ziele zu erreichen. Denn: Der 57-Jährige ist mit einem Elektro-Rollstuhl unterwegs, doch mit dem kann er nach eigener Aussage am Mülheimer Hauptbahnhof nicht in die U-Bahn-Linie 18 einsteigen. Eine spezielle Rampe wäre dafür nötig, die das Spaltmaß von rund 35 Zentimetern – so schätzt Rausch – überbrückt, die Höhendifferenz ausgleicht und vor allem den etwa 180 Kilo schweren Elektro-Rollstuhl tragen könnte. Rausch kennt vergleichbare Vorrichtungen etwa von Bussen oder Straßenbahnen. „Da funktioniert das in der Regel einwandfrei.“
Rollstuhlfahrer bekommt zu hören: „Bahn ist nicht auf Elektro-Rollstühle ausgelegt“
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Als er nun ein zweites Mal vor der U18 stand und den Einstieg nicht überwinden konnte, bekam er von einem Servicemitarbeiter der Ruhrbahn die Aussage, die U18 sei nicht für Elektro-Rollstühle ausgelegt, sondern nur für Hand-Rollstühle. Solch einen kann der 57-Jährige, der seit einem Schlaganfall auf einen elektrisch angetriebenen Rollstuhl angewiesen ist, aufgrund seiner Arthrose aber nicht nutzen.
„Diese Aussage, dass die U18 generell nicht für Elektro-Rollstühle ausgelegt sein soll, ist schlicht falsch“, bedauert Simone Klose, Pressesprecherin bei der Ruhrbahn. Grundsätzlich könne man mit einem Elektro-Rollstuhl sowohl am Mülheimer als auch am Essener Hauptbahnhof ein- und aussteigen – dabei komme es unter anderem aber auf die Art des Rollstuhls an, insbesondere auf die Größe der Reifen. Dass der Spalt, der sich zwischen Bahnsteigkante und Bahneinstieg ergibt und laut Aussage der Ruhrbahn maximal 25 Zentimeter beträgt, zu Problemen führen kann, sei insbesondere am Essener Hauptbahnhof bekannt. Simone Klose erklärt: „Je nachdem, an welcher Stelle man am Gleis und vor welchem Teil der Bahn man steht, kann der Spalt variieren – im mittleren Bereich der Bahn ist er geringer als hinten und vorne.“
Am Essener Bahnhof halte die Ruhrbahn daher eine sogenannte mobile Klapprampe vor, deren Einsatz Rollstuhlfahrer und -fahrerinnen anmelden können. „Dazu ruft man rund 15 Minuten vor Ankunft im Bahnhof eine Service-Nummer an, dann kommen Mitarbeiter, die die Rampe bedienen“, sagt Klose. Am Mülheimer Hauptbahnhof gebe es eine solche spezielle Rampe noch nicht – nach den Schilderungen von Norbert Rausch aber wolle die bei der Ruhrbahn für Barrierefreiheit zuständige Mitarbeiterin prüfen, ob eine mobile Klapprampe auch hier installiert werden könne. „Wir haben durch die Erfahrungen am Essener Hauptbahnhof eine Lösung für das Problem, die auch in Mülheim relativ leicht umzusetzen wäre.“
Arbeitskreis aus Ruhrbahn-Vertretern und Behinderten-Organisationen
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Dass die Ruhrbahn durchaus daran interessiert ist, von Punkten zu erfahren, die für Menschen mit Behinderungen eine Barriere darstellen, hat Sabrina Sunderbrink von der Lebenshilfe Mülheim erfahren. Die Mitarbeiterin der Koordinierungs-, Kontakt- und Beratungsstelle (KoKoBe), die Menschen mit Behinderungen unterstützt, berichtet: „Wir waren von der Ruhrbahn – vor der Pandemie – zu einem Arbeitskreis eingeladen worden, um über Stellen zu berichten, die für Menschen mit Behinderung schwierig sind.“ Im Nachgang zu den Gesprächen, an denen neben der Lebenshilfe auch weitere Organisationen, die sich um Menschen mit Behinderungen kümmern, teilgenommen haben, seien seitens der Ruhrbahn auch einige Haltestellen speziell auf die Belange von Menschen mit Handicap untersucht worden. Nach Aussage der Ruhrbahn habe man ein „hohes Interesse daran, die Arbeitsgruppe wieder aufleben zu lassen“.
Sabrina Sunderbrink von der Lebenshilfe meint: „Die Barrierefreiheit ist nicht nur in Mülheim ein Problem.“ Neben dem Einstieg in Bahn oder Bus seien die Fahrstühle, die zu den Bahnsteigen führten, häufig ein Problem, weil sie nicht funktionierten. Überdies führe die Vielfalt an Behinderungen zu weiteren Hemmnissen: „Menschen mit Gehörproblemen können etwa die Durchsagen nicht verstehen.“ Gute Erfahrungen habe sie indes mit der Online-Beschwerdestelle der Ruhrbahn gemacht, über die sie hin und wieder Fälle ihrer Klientinnen und Klienten laufen lässt: „Da kümmert sich die Ruhrbahn wirklich drum, ruft zurück und fragt, wo genau das Problem lag.“
Wie Norbert Rausch schließlich doch noch mit seinem Elektro-Rolli in die Bahn kam
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Das Beschwerde-Management der Ruhrbahn hat auch Norbert Rausch schon genutzt, hat dort etwa hingeschrieben, als ihn eine Straßenbahn-Fahrerin mal nicht einsteigen ließ. „Sie hat die Rampe nicht ausgefahren und gesagt, sie hätte den entsprechenden Schlüssel nicht“, erinnert sich der Rollstuhlfahrer. Dem Hinweis der Fahrerin: „Da müssen Sie auf die nächste Bahn warten“, hatte er nicht mehr viel entgegenzusetzen. Immerhin habe er auf seinen Beschwerdebrief zu dem Vorfall eine Entschuldigung von der Ruhrbahn erhalten. „Zu 99 Prozent“, betont der Mülheimer, „treffe ich auf hilfsbereite Fahrer.“
Dass Norbert Rausch mit seinem Elektro-Rollstuhl kürzlich doch noch mit der U18 nach Essen gekommen ist, hat er drei tatkräftigen Jugendlichen zu verdanken: „Die haben meinen schweren Elektro-Rolli in die Bahn gehoben, ich habe mich an der Haltestange reingezogen.“ Am Essener Hauptbahnhof dann das umgekehrte Spiel – denn auch dort war der Weg aus der Bahn für den Rollstuhlfahrer alleine unüberwindbar.