Mülheim. Der VRR hat erneut die drei Mülheimer Bahnhöfe begutachtet. Einer schnitt mit „ausgezeichnet“ ab, aber es gab auch Tadel. Wo liegen die Probleme?

Für die einen ist das Glas halbvoll, für die anderen halbleer. So muss man wohl auch die neueste Bewertung der Bahnhöfe im VRR-Gebiet betrachten. Gutachter des VRR loben, dass im vergangenen Jahr „rund die Hälfte in einem guten Zustand“ waren. Angesichts der Realität an den drei Mülheimer Bahnhöfen kann man bisweilen zu anderen Schlüssen kommen.

So hat der Eingangsbereich des Bahnhofs West seine Tropfsteinhöhlen-artige Anmutung über die vergangenen Jahre nachdrücklich bewahren können. Will sagen: Kleine Stalaktiten an der Betondecke wechseln mit rostig-schillernden Tupfern und gallgrünen Farbverläufen ab. Große Kunst ist das Ensemble jedoch nicht: Die Wände sind verdreckt, der Putz bröckelt an etlichen Stellen ab, die Bodenfliesen sind an vielen Stellen zersprungen, der Boden teils derart wellig, so dass sich in den Mulden Wasserpfützen bilden, einige Treppenstufen haben Risse. Bei den Gutachtern des VRR reicht das noch für ein „Gelb“.

Was Gutachter am Mülheimer Bahnhof noch als „verbesserungswürdig“ einstufen

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Zumindest nach dem gewählten Ampelfarbensystem in der Kategorie Aufenthaltsqualität und Gesamtwertung. Sprachlich heißt dies: „verbesserungswürdig“. Ein unmissverständliches „Rot“ – also „nicht tolerierbar“ gaben sie allein der Barrierefreiheit. Denn Rampen und Fahrstühle sucht man hier vergeblich. Mit dem Rollstuhl hat man hier keine Chance, das Rad muss man schon hoch auf die Bahnsteige tragen.

„Verbesserungswürdig“ muss so viel wie „mal in aller Ruhe abwarten“ bedeuten. Denn auf „Gelb“ steht der Bahnhof West an der Friedrich-Ebert-Straße seit vielen Jahren. Und selbst das „Signalrot“ hat an den Barrieren hier nichts geändert. Ein Anreiz für die oft beschworene Verkehrswende ist der Bahnhof nicht.

Rostrote Tupfer changieren mit gallgrünen Verläufen – das ist allerdings keine Kunst, sondern die traurige Realität im Bahnhofszugang West an der Friedrich-Ebert-Straße.
Rostrote Tupfer changieren mit gallgrünen Verläufen – das ist allerdings keine Kunst, sondern die traurige Realität im Bahnhofszugang West an der Friedrich-Ebert-Straße. © FUNKE/Fotoservices | Gerd Wallhorn

Höchstes Lob für den neu gestalteten Bahnhof Styrum

Einige Meter weiter – am Bahnhof Styrum – lässt sich die schon eher ausmachen: Hier fahren Fahrstühle auf und ab zu den Bahnsteigen. Das neu gestaltete Eingangsportal auf der Rückseite mit gemaltem Schriftzeichen „Styrum“ und bunten Mustern hat dem vormals dunklen Tunnel zwischen Post- und Hauskampstraße den Angstraum genommen. Leider haben sich an manchen Stellen auch die Insignien von Zweit- und Regionalligisten sowie andere Schmierereien gesellt.

Frische und helle Farben – so zeigte sich der Eingang des Styrumer Bahnhofs Anfang 2021. Inzwischen sind leider einige Schmierereien hinzugekommen. Dennoch vergaben die Gutachter für die Aufenthaltsqualität die höchste Auszeichnung: Blau – hervorragend.
Frische und helle Farben – so zeigte sich der Eingang des Styrumer Bahnhofs Anfang 2021. Inzwischen sind leider einige Schmierereien hinzugekommen. Dennoch vergaben die Gutachter für die Aufenthaltsqualität die höchste Auszeichnung: Blau – hervorragend. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Doch auch in den Augen der VRR-Gutachter hat das zu einer deutlichen Aufwertung in der Aufenthaltsqualität sowie der Gesamtbewertung geführt. Vormals „Gelb“ heimst Styrum beim Aufenthalt nun ein „Blau“ ein – quasi ein „Grün“ mit Sternchen. Das führt auch zur Höchstbewertung insgesamt.

Trotz des fast fertigen Umbaus: Die Gutachter stufen den Hauptbahnhof ab

„Nur“ noch 50 Prozent im schlechten Zustand

Im vergangenen Jahr hatten die Gutachter ihre Bewertungskriterien verändert. In den Vorjahren achteten sie auf Sauberkeit, Funktion und Graffiti. Nun bilden Aufenthaltsqualität, Fahrgastinformation, Barrierefreiheit und Gesamtbewertung die Kriterien.

Leichte Verbesserungen zeigen sich im VRR-Gebiet. Wenn 2020 noch 60 Prozent der 295 Bahnhöfe und Haltepunkte in einem schlechten Zustand waren, sind es 2021 „nur“ noch 50 Prozent.

Das ließ den VRR zu der Meldung hinreißen: „Rund die Hälfte aller Bahnhöfe und Haltepunkte war 2021 in einem guten Zustand.

Einiges hat sich 2021 auch am Mülheimer Hauptbahnhof getan. Der Fünf-Jahre-Umbau zeigt sich in Details: Edelstahl, LED-Licht, Info-Vitrinen, Video-Überwachung, grundsaniertes Dach, Sitzmöglichkeiten und neue Geländer. Ob der umstrittene Charme des neuen Nord-Entrees vielleicht mit dazu geführt hat, dass die Aufenthaltsqualität des Bahnhofs von den Gutachtern dennoch von „ordentlich“ (2020: Grün) auf „verbesserungswürdig“ (2021: Gelb) abgestuft wurde?

Blick auf den umstrittenen Nordausgang kurz nach der Fertigstellung. Mit einem Grünstreifen und Hainbuchen hat die Stadt aber nachgelegt.
Blick auf den umstrittenen Nordausgang kurz nach der Fertigstellung. Mit einem Grünstreifen und Hainbuchen hat die Stadt aber nachgelegt. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

Oder ob dieser möglicherweise noch keine Rolle spielte, weil die Maßnahme erst in der zweiten Jahreshälfte umgesetzt wurde – das verrät die Bewertungsmatrix hier nicht. Punkten bei den Gutachtern kann der Bahnhof weiterhin mit offenbar ausgezeichneter Barrierefreiheit.

Etwas schlechter sogar als noch 2020 wurde dagegen die Fahrgastinformation beurteilt. Sie hat nur noch ein „Grün“ erhalten. Mit diesem „ordentlich“ auch in der Gesamtbewertung platziert sich der fast fertig renovierte Hauptbahnhof allerdings nur im Mittelfeld der drei Bahnhöfe.