Mülheim. Der teils ekelhafte Mief in Mülheim hängt nicht nur mit der Trockenheit zusammen, wie die Stadt nun einräumen musste. Ein Mitverursacher spricht.

Seit Wochen stinkt es in Mülheim, die Stadtverwaltung hatte nach anfänglicher Ratlosigkeit in der Vorwoche die Kanäle als Ursprung allen Übels ausgemacht. Doch das ist offenbar nur die halbe Wahrheit.

Insbesondere östlich der Ruhr hatten Bürgerinnen und Bürger in den vergangenen Wochen übelriechenden Gestank beklagt. In sozialen Netzwerken rätselten sie rege zu den Ursachen. Stadtsprecher Volker Wiebels hatte dann Ende vergangener Woche in aller Prägnanz festgestellt, dass es nach Erkenntnissen von Feuerwehr und Umweltamt, die beide zur Recherche rausgefahren seien, einzig eine Ursache gäbe für den Mief: „Zu wenig Oberflächenwasser fließt in die Kanäle, die Fäkalien fließen nicht schnell ab“, hatte er gesagt.

Stadt Mülheim: Trockenheit sorgt für Gestank aus Kanälen

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Dass der Gestank an verschiedenen Orten unterschiedlich intensiv sei, hänge wohl mit der Beschaffenheit der Kanäle zusammen. Ob sie etwa abschüssig oder weniger angelegt, sie älteren Baujahres oder vielleicht sanierungsbedürftig seien, ob durch sie viel oder wenig Abwasser fließe, habe Einfluss darauf, wie gut oder schlecht die Fäkalien bei der seit Wochen andauernden Trockenheit abtransportiert würden.

Die Erklärung des Stadtsprechers stellte einige Bürgerinnen und Bürger indes nicht zufrieden, auch weil sie sich nicht erklären konnten, warum wegen des Gestanks insbesondere abends oder über Nacht die Nase zu rümpfen war.

30 Hektar Land wurden in Mülheim zuletzt mit Kompost gedüngt

Nun ist klar: Nicht allein aus den Kanälen kletterte der Mief. Auch einige örtliche Landwirte – und das soll der Unteren Wasserbehörde auch schon länger bekannt sein – haben den Gestank zu verantworten. Das räumte nun gegenüber dieser Redaktion der Ortslandwirt der Landwirtschaftskammer, Martin Siekerkotte, ein. Er und einige seiner Kollegen hätten in den vergangenen Wochen, was rechtlich zulässig sei, kompostierten Grünschnitt und Abfall aus der Biotonne auf in der Summe rund 30 Hektar große Felder aufgebracht. Offenbar sei der Gärungsprozess des Düngers noch nicht abgeschlossen gewesen. So habe sich ein „süßlich-huminer“, fauliger Gestank breitgemacht.

Ortslandwirt Martin Siekerkotte vor fünf Jahren auf einem seiner Felder, auf denen er seinerzeit Ackerbohnen angebaut hat.
Ortslandwirt Martin Siekerkotte vor fünf Jahren auf einem seiner Felder, auf denen er seinerzeit Ackerbohnen angebaut hat. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Dass sich der üble Geruch abends und nachts seinen Weg entlang des Rumbachtals und der Ruhr gen Innenstadt gesucht habe, erklärt Siekerkotte mit der Kaltluftentstehung und deren Abfluss über Rumbachtal und Ruhr. Im Rumbachtal habe er selbst mal dem Gestank nachgespürt, so Siekerkotte. Dort habe er wie Anwohner dort auch „ganz schlimmen“ Geruch von Erbrochenem vernommen. Der habe seinen Ursprung dann wohl doch aus den Kanälen.

Mülheimer Landwirt reagierte auf Kritik und rückte noch mal aufs Feld aus

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Siekerkotte hat dem eigenen Erzählen nach auf die zahlreichen Beschwerden, die er auch in den sozialen Netzwerken wahrgenommen hatte, reagiert und seine von der Stadt gepachteten Felder am Remberg in Holthausen noch einmal angefahren, um den aufgebrachten Kompost doch unterzugraben, was nicht vorgeschrieben sei. Von einem freundlichen Entgegenkommen des Landwirtes spricht eine Anwohnerin. Siekerkotte musste in den sozialen Netzwerken aber auch massive Kritik einstecken, „teils böse und unverschämt“, wie er bedauert.

Siekerkotte betont, dass es Landwirten erlaubt sei, jenen Kompost aus organischem Recycling zum Humusaufbau der Landwirtschaftsböden zu verwenden. Jährlich dürften 20 Tonnen davon auf einen Hektar Boden verteilt werden. In der Regel würden Landwirte von dieser Möglichkeit aber nur alle drei Jahre Gebrauch machen, in anderen Jahren nutze man Biogasgülle aus Kettwig oder Pferdemist. Das Aufbringen des hygienisierten, im Gegensatz zu früher aufgebrachten Klärschlämmen, garantiert unbelasteten Komposts ersetze den Einsatz von Mineraldünger. So würden die endlichen Phosphorvorräte in Südamerika geschont, sieht Siekerkotte im Kompost-Einsatz durchaus einen nachhaltigen Ansatz im Sinne der Kreislaufwirtschaft: Der Kompost (aus einem Kompostwerk nahe der Stadtgrenze) sei produziert „aus unser aller Abfall“.

Stadt Mülheim: Wir sind keine Aufsichtsbehörde der Landwirte

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Landwirtschaft rieche, bittet der Ortslandwirt um Verständnis, dass es bei Aufbringen von Dünger im Frühjahr oder zum Herbst hin schon mal stinkt. Siekerkotte sieht es so: Der Geruch von Landwirtschaft habe aber doch auch sein Gutes. Er zeige, dass Lebensmittel auch noch regional erzeugt werden. Natürlich aber würden die Mülheimer Landwirte Anwohner nicht verärgern wollen. Angesichts des Miefs dieser Tage hätten er und seine Kollegen die Absicht, künftig über das städtische Umweltamt öffentlich mitzuteilen und aufzuklären, wenn wieder geruchsintensive Düngungen der Felder anstehen.

Für das Umweltamt stellte Stadtsprecher Volker Wiebels am Donnerstag fest, dass das Umweltamt keine Erkenntnisse zu Umweltschädigungen durch die Düngung in der örtlichen Landwirtschaft habe. Das Umweltamt habe „vollstes Vertrauen“ in die örtlichen Bauern, dass sie regelkonform düngten. Im Übrigen sei die Stadt „nicht Aufsichtsbehörde der Landwirtschaft“, die Verantwortung liege bei der Landwirtschaftskammer. Deren ehrenamtlich tätiger Vorsitzender ist wiederum Siekerkotte.

So langsam lässt der Kompost-Mief nach, hat dieser beobachtet, „die Anrufe werden weniger“. In Menden, wo Siekerkotte in der Nähe wohnt, sei noch was zu riechen, aber das werde sich wohl absehbar auch verflüchtigen.