Raadt/Holthausen/Innenstadt. . Ein Klima-Gutachten zeigt auf, dass die Funktion des Rumbachtals als Frischluftschneise in Gefahr ist, wenn im Osten der Stadt viel gebaut wird.

Gutachter mahnen, dass die ohnehin schon deutlich verminderte Frischluft-Strömung aus dem Rumbachtal Richtung Innenstadt bei einer weiteren Bebauung insbesondere in unteren Hangbereichen versiegen könnte. Ebenso warnen die Bochumer Klimaexperten davor, durch eine Bebauung des nordöstlichen Flughafen-Areals die Kaltluftzufuhr dort für das Rumbachtal gänzlich abzuschneiden.

Im Auftrag der Stadt Mülheim haben Gutachter von „K.Plan“ das Kalt- und Frischluftsystem im Rumbachtal und am Flughafen untersucht, um Auswirkungen einer weiteren Bebauung auf das Stadtklima aufzuzeigen. In einem aufwändigen Verfahren haben die Klimaexperten um Dr. Monika Steinrücke zunächst festgestellt, dass schon heute Kaltluft „nur noch bei idealen Strahlungswetterlagen in die Randbereiche der Innenstadt gelangt“. Jene Kaltluft, die zur Abkühlung dicht bebauter Wohnbereiche in Zeiten des Klimawandels zunehmend bedeutsam werden dürfte, erreiche die Innenstadt aber nur noch am Rande – dort, wo der ­Dickswall anfängt.

Experten: Flächenfraß beschränken

Die Klimaexperten haben infolge ihrer umfangreichen Messungen insbesondere ermittelt, wie eine weitere Bebauung den Frischluftstrom durch das Rumbachtal negativ beeinflussen würde. Dabei haben sie grundsätzlich festgestellt, dass es zu verhindern gelte, weitere zehn Prozent der Flächen, die Kaltluft für das Rumbachtal liefern, vom System abzukoppeln.

So warnen die Gutachter davor, überhaupt nur an eine weitere bauliche Verdichtung im unteren Rumbachtal zu denken. In einem weiteren Szenario wurde die mögliche Bebauung von einer 80 000 Quadratmeter großen Kaltluftentstehungsfläche entlang der Velauer Straße (zwischen Heimaterde und Haarzopf) untersucht. Hierfür stellte das Klima-Büro fest, dass die Auswirkungen marginal seien. Das Kaltluftvolumen des Rumbachtals würde sich demnach nur um 1,6 Prozent verringern. Verlege man die Baufläche aber entlang der Riemelsbeck nur um wenige hundert Meter Richtung Süden, so schneide man auch die Kaltluftentstehungsfläche nördlich davon ab, so dass dem System 56,1 Millionen Kubikmeter Kaltluft entzogen würden (-8,7 Prozent).

Bebauung rund um das Flughafen-Areal von Brisanz

Während für die untersuchte Fläche südlich der Velauer Straße eine Bebauung bislang kein Thema ist, sind Aussagen der Klimatologen zur angedachten Bebauung rund um das Flughafen-Areal von Brisanz. Denn auch hierfür sprechen sie deutliche Warnungen aus.

Etwa für die Fläche nördlich der Lilienthalstraße (gegenüber der WDL-Luftschiffhalle), deren Vermarktung als Gewerbefläche von der Politik jüngst zur Prüfung freigegeben worden ist. Würden große Flächen nördlich der Lilienthalstraße bebaut, so die Gutachter, würde dadurch auch eine Barriere geschaffen für die Kaltluft, die vom nordöstlichen Flughafengelände gen Rumbachtal strömt. Die Einbuße an Kaltluft für das Rumbachtal betrüge rund 9 Prozent.

Bau-Visionen zum Flughafenareal stoßen auf Kritik

Und schließlich äußern sich die Klimatologen auch zu den Bau-Visionen auf dem Flughafenareal selbst. Einer Bebauung von 30 Hektar Land im Nordosten des Areals, das zum Essener Stadtgebiet zählt, stehen die Experten skeptisch gegenüber. Die dort entstehende Kaltluft fließe komplett ins Rumbachtal und die Randbereiche der Innenstadt. Es gingen laut Berechnung 36 Millionen Kubikmeter Kaltluft (5,6 Prozent) für die Frischluftströmung verloren.

Das westliche Flughafenareal (gut 90 Hektar) ist laut Gutachten Kaltluftproduzent für das Ruhrtal, für den Frischluftstrom durch das Rumbachtal ergäben sich keine Auswirkungen, werde hier gebaut. Für das Ruhrtal halten die Klimatologen negative Auswirkungen einer Bebauung für unwahrscheinlich, weil im Ruhrtal „noch ausreichend Freiflächen zur Kaltluftproduktion zur Verfügung stehen“. Für genauere Aussagen hierzu sei jedoch eine gesonderte Untersuchung nötig, heißt es.

>> NACH DREI WORKSHOPS SIND NUN GUTACHTER GEFRAGT

Der Stadtrat hat im Juli den Weg freigemacht, um nach den drei Workshops zur Entwicklung des Flughafen-Areals Gutachten einzuholen, die Aufschluss geben sollen, was an Ort und Stelle baulich überhaupt möglich ist.

Wesentliche Themen dabei sind das Stadtklima, die Entwässerung und ein Mobilitätskonzept für den künftigen Stadtteil Raadt, der nach aktuellen Ideen kräftig wachsen soll – um bis zu 10 000 Bürgern.