Mülheim-Mintard. . Der Geschichte ihres Stadtteils haben sich Wilfried Kemperdick und Fred Momm angenommen. Sie wollen Neubürger und Interessierte für ihr Dorf begeistern und bieten historische Spaziergänge an.

Er zieht ihn gleich zu Beginn des Gesprächs selbst, den Vergleich mit dem kleinen gallischen Dorf. Fred Momm darf das, er ist in Mintard geboren und aufgewachsen, weiß also um die besondere Stellung des entlegenen Stadtteils und das unermüdliche Bestreben seiner Bewohner, für ihre Belange zu kämpfen. Dass das Wehrhafte, Zupackende, Engagierte schon seit Jahrhunderten die Mintarder prägt, haben Fred Momm und Wilfried Kemperdick erfahren, als sie tiefer in die Historie ihres Stadtteils eintauchten.

Vor allem für die Neubürger, die man in Mintard willkommen heißt, haben der 63-Jährige und der 70 Jahre alte Kemperdick die Chronik hervorgeholt und bringen sie fortlaufend auf den neuesten Stand. Ein Werk, das der Heimatkundler Johannes Paul Arand vor Jahrzehnten begonnen hatte. Kemperdick und Momm haben allerdings nicht den Anspruch, eine dicke Schwarte entstehen zu lassen, die dann im Bücherregal verstaubt.

Geschichte humorvoll unters Volk bringen

Vielmehr wollen sie Mintards Geschichte „nicht bierernst, sondern humorvoll“, so Momm, unters Volk bringen. Jedes Jahr tun sie das aufs Neue, picken sich Schwerpunkte heraus und schnüren die Wanderschuhe. An Pfingsten führen die beiden bei einem historischen Spaziergang wieder durch ihr Dorf (siehe Info-Box). Den Fokus werden die beiden wissenden Wanderer in diesem Jahr auf die Adelshäuser legen. Denn davon hat der kleine Stadtteil mit Schloss Hugenpoet, Schloss Landsberg und Schloss Linnep gleich drei in der unmittelbaren Umgebung. „Was früher die Adelshäuser an Einfluss brachten, brachten in jüngerer Vergangenheit die Ruhrbarone mit, die sich ebenso hier bei uns ansiedelten“, erklärt Fred Momm.

Mit den lebenden Lexika in Mintard unterwegs

Am Pfingstsonntag, 24. Mai, steht die nächste historische Wanderung durch Mintard an, die Wilfried Kemperdick und Fred Momm leiten. In diesem Jahr werden die Adelshäuser im Fokus stehen.

Treffpunkt wird um 11.30 Uhr vor der Kirche sein. Anmeldung nimmt Wolfgang Budde unter 02054/8 48 01 entgegen.

Mindestens genauso wichtig wie der Adel war in Vorzeiten die Kirche. Auch die ist in Mintard etwas ganz Besonderes. Die erste Erwähnung findet die heutige Pfarrkirche St. Laurentius in einer Urkunde von 873. „341 Jahre vor dem Kloster Saarn“, betont Wilfried Kemperdick nicht ohne Stolz. Der romanische Turm zähle zu den ältesten Bauwerken Mülheims. Und auch die Kirchenglocken schwingen dort schon eine Ewigkeit. Die älteste der drei stamme aus der Zeit um 1200 und sei damit eine der drei ältesten romanischen Glocken in Deutschland. Die Geschichte ihres Stadtteils sei über Jahrhunderte überaus bewegt, die Bedeutung des Ortes damals viel größer gewesen als heute. „Hier hat 200 Jahre Krieg geherrscht, ständig sind irgendwelche Truppen durchgezogen“, weiß Wilfried Kemperdick zu berichten.

Ruhrtalbahn verschaffte Schub

Die strategisch wichtige Lage am Ufer der Ruhr sei dafür die Ursache gewesen. Die Ruhr als Transportweg für die Kohle war später eine Goldader für die Industriellen, 1873 wurden auf dem Fluss bei Mintard 3414 Transporte registriert. Dass der Ortschaft einst ein größerer Stellenwert zukam als heute, lässt sich leicht an der Einwohnerzahl ablesen: Im Jahr 1792 lebten stattliche 1786 Einwohner in Mintard – zum Vergleich: Heute sind es knapp 700 Bürger. Einen Schub für Gastronomie und Gewerbe verschaffte dem Ort die untere Ruhrtalbahn, die von 1876 bis 1968 durch Mintard fuhr. Zunächst allerdings ohne Haltepunkt. Damit waren die Mintarder überhaupt nicht einverstanden und bestanden auf einen Bahnhof – dieser wurde 1884 eröffnet und spülte Ströme von Ausflüglern in das beschauliche Dorf. Eine ähnliche Rolle spielten die Fahrgastschiffe auf der Ruhr – zumindest so lange es den Anleger am Mintarder Wasserbahnhof gab. 1928 beförderte die Ruhrschifffahrt knapp 500.000 Fahrgäste.

Damit solch’ goldene Zeiten wieder aufleben können, machen sich die heutigen Mintarder stark. Ein Traum für Fred Momm, Wilfried Kemperdick und viele andere Mintarder wäre, wenn der Anleger instand gesetzt und wieder von Schiffen angefahren würde. Dann könnte ein weiteres Kapitel der Chronik aufgeschlagen werden.