Mülheim. . Bei der Bollerwagen-Tour hörten Teilnehmer Anekdoten und Fakten aus der Geschichte Mintards. Fehlende Busverbindung wird von „Dörflern“ beklagt.

  • Alljährlich prozessiert eine Gruppe von August-Thyssen- bis Dorfstraße, von Stoot bis Schaumbeck
  • Der Bahnhof und die wohl 17 alten Lokale, die es einstmals im Dorf gab, sind heute verschwunden
  • Auf der früheren Bahntrasse, die Kupferdreh und Kettwig mit Mintard und Saarn verband, stehen nun Häuser

Ganz schön schlitzohrig: Um die Ausflügler, die einst am Bahnhof Mintard ausstiegen, noch vor der Konkurrenz abzufischen, ließ der Gastronom der Friedrichsruh der Sage nach eigens einen Weg am Bahnhof den Hang hinauf zu seinem Restaurant mit Glasfassade anlegen. Und grub so dem ebenfalls beliebten – und vor allem bahnhofsnah gelegenen - Grunewald den Kundenstrom ab. Zumindest, bis er 1943 kriegsbedingt zerstört wurde. Denn die kleine Anekdote ist Jahrzehnte her, weder existiert heute der Bahnhof noch die wohl 17 Lokalitäten, die um die Gunst der Freizeitsucher rangen.

Alljährlicher Rundgang zu Pfingsten

Weshalb mancher das heutige Mintard wohl für eine Unterbrechung der Wald- und Wiesenlandschaft zwischen Saarn und Kettwig halten mag. Es gibt aber Ur-Mintarder, die sich an eine andere Zeit erinnern. Vor allem solche, die die Geschichte und Geschichten um ihr „kleines gallisches Dorf“ - wie mancher es hier nennt - pflegen. Alljährlich zu Pfingsten prozessiert eine Gruppe Neu- und Alt-Mintarder durch das Karree von August-Thyssen- bis Dorfstraße, von Stoot bis Schaumbeck, „um zu wissen, was hier ist und war, wo ich jeden Tag langgehe“, sagen Hans-Jürgen Lilge und Michael Großboimann.

Erinnerung an Bäcker Kemperdick

Was etwa ist am Gasthof „Akademische Schuster“ akademisch? Beim Bier hatten die vor 15 Jahren „Zugereisten“ die Idee, wie ihr Wissensdurst zu stillen sei, holten Hobby-Historiker Friedrich Momm ins Boot bzw. in den Bollerwagen. Der ist gut bestückt mit Wurst, Wasser und Bier. Allein blieben die drei übrigens nicht: „Schon beim ersten Mal waren gut 30 Leute dabei“, berichtet Lilge. Mitstreiter Momm, der die Touren seit fünf Jahren vorbereitet, spricht sogar von Spaziergängen mit mehr als 50 Personen.

Immer mit dabei: der Bollerwagen
Immer mit dabei: der Bollerwagen © Herbert Höltgen

„Feuchtgebiete“ nennt Momm das diesjährige Pfingst-Thema, und das ist durchaus doppeldeutig gemeint. Es geht um Bäche und Biotope, aber auch um feucht-fröhliche Erfrischungsformen. Momm führt vom Ausgangspunkt St. Laurentius-Kirche – welche die Mintarder den Mülheimern gerne als „ältestes existierendes Gebäude der Stadt“ unter die Nase halten – hoch an den alten Brunnen unterhalb des Lokals Grunewalds und der alten Dorfschule. Dort sorgte er dereinst für Abkühlung ebenso wie die Quelle, welche umgeleitet den Bierkeller kühlte. Auch Bäckermeister Kemperdick nutzte das Wasser, stellte sein Schwarzbrot her, an das sich Momm und Zeitzeuge Wilfried Kemperdick gern erinnern: „Das war richtig lecker!“

„Eselwiese“ und Osterfeuer-Stätte

Auf der früheren Bahntrasse, die Kupferdreh und Kettwig mit Mintard und Saarn verband, stehen entlang des Biestenkamp nun Häuser. Schmerzlicher vermissen die Mintarder aber eine gute Busverbindung. „Wir sind wie von Mülheim, Kettwig oder Breitscheid wie abgehängt“, beklagt sich Erika Hackbeil. Es geht zum Eckchen Stoot und August-Thyssen-Straße, das viele heute als „Eselwiese“ und Osterfeuer-Stätte kennen. Hier soll jedoch das Mintarder Wasserwerk gestanden haben. „Mit der Anbindung von Mintard an das Wasserwerk Kettwig wurde das Gebäude überflüssig und verfiel“, erzählt Momm.

Wasserwerkfläche wird zum Biotop mit Obstwiese

Es soll in Zukunft weiter zum Biotop mit Obstwiese ausgebaut werden. Einige Stationen liegen noch auf dem Weg durch das „Feuchtgebiet“ – das ehemalige Feuerwehrhaus, das Mündungsgebiet Laupenbach, wo Mintard seine Mühle hatte, Obstwiesen und Wasserbahnhof, der heute wieder Schiffe der Weißen Flotte, mehr aber noch durstige Gäste versorgt.

Uschi Kannengießer und Mann freuen sich schon auf das „Rahmenprogramm“. Die beiden sind aus der Eifel gekommen, um ihre Schwester in Mintard zu besuchen, „aber wir finden die Geschichten interessant und die Gemeinschaft der Leute, die hier leben.“

Bleibt noch die Antwort auf die Frage schuldig, was dem besagten Schuster nun zu akademischen Würden verhalf? „Nun ja“, meint Momm, „er konnte wohl lesen...“