Mülheim. Mülheims Prestigeprojekt Ruhrbania lag Jahre lang auf Eis. Jetzt kommt doch wieder Bewegung rein. Heilend wirkt ausgerechnet eine Krankenkasse.
Einmal Kondor Wessels, einmal Mülheimer Wohnungsbau: Das war es auch schon, was bislang aus Mülheims Mega-Projekt Ruhrbania erwachsen ist. Nach Jahren des Stillstands könnte sich nun doch eine Perspektive auftun für eine Ruhrufer-Entwicklung zwischen Radschnellweg und Konrad-Adenauer-Brücke.
Weil die AOK sich von ihrer Verwaltung an der Friedrich-Ebert-Straße trennt, ist plötzlich Dynamik ins Geschehen gekommen. Die Stadt hat ihr Vorkaufsrecht für das Grundstück und die Immobilie gezogen, die eigentlich schon anderweitig veräußert worden waren. Kämmerer Frank Mendack bestätigte nun auf Anfrage Vollzug: Zum 1. August werde via Grundbuchamt der Eigentumsübergang geschehen. Die AOK verzichtet laut Mendack darauf, juristische Schritte dagegen zu gehen, dass die Stadt ihr ein verkauftes Immobilien-Paket wieder aufgeschnürt hat.
Stadt Mülheim erwirbt das AOK-Gebäude samt Grundstück für 2,8 Millionen Euro
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Damit kann die Stadt tatsächlich doch noch über die kompletten Baufelder 3 und 4 für die Ruhrbania-Fortentwicklung verfügen. Aus informierten Kreisen ist zu hören, dass die Stadt der AOK den vom Gutachterausschuss ermittelten Wert für Immobilie und gut 1500 Quadratmeter großes Grundstück überweisen wird: 2,8 Millionen Euro. Das ist weit weniger als die Summe, zu der die AOK ihre Mülheimer Besitzung im Vorjahr als Teil eines großen Immobilienpakets an Regelus Invest aus Heidelberg verkaufen wollte. Hier war laut vertraulichen Unterlagen des Stadtrates ein Kaufpreis von 3,6 Millionen Euro vereinbart worden.
Die Stadt erwirbt das bebaute Grundstück im Übrigen ohne die Verpflichtung zur Zahlung der Grunderwerbssteuer. Denn es ist kein Notar- oder Kaufvertrag nötig, der Besitzübergang vollzieht sich im öffentlich-rechtlichen Rahmen eines Verwaltungsaktes und ist demnach steuerfrei. Ähnliches wäre zu erwarten, wenn die Stadt ein Vorkaufsrecht für die Vallourec-Fläche im Norden der Stadt ziehen würde – was angepeilt ist, sollte der französische Konzern dort wie angekündigt Ende 2023 seine Rohrproduktion komplett einstellen.
Kämmerer: „Da werden in den nächsten Monaten noch keine Bagger anrollen“
Aber zurück zu Ruhrbania. „Da werden in den nächsten Monaten noch keine Bagger anrollen“, sagt der Kämmerer. Auch brauche der Umzug der AOK ins Forum wohl noch Zeit. Trotzdem sei er „zuversichtlich, dass wir in diesem Jahr ein Stück weiterkommen“. OB Marc Buchholz und Planungsdezernent Felix Blasch halten sich aber noch zurück, welche Art von Entwicklung sie vorantreiben wollen.
In jedem Fall werden komplexe Überlegungen anzustellen sein. Mit dem Gesundheitshaus und dem ehemaligen Arbeitsamt hat die Stadt selbst noch zwei Gebäude auf Baufeld 3 stehen. Einerseits müsste eine Lösung her, wo die Verwaltungsmitarbeiter in Zukunft unterkommen könnten, andererseits hatte der Kämmerer selbst in der Vergangenheit gegen den Abriss des Gesundheitshauses ein Veto eingelegt, weil es noch mit Millionenwert die Bilanz der überschuldeten Stadt zumindest etwas aufgehübscht hat.
Ideen für Mülheims Ruhrbania-Felder hat es in der Vergangenheit en masse gegeben
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Hinzu kommt die knifflige Lage am Übergang von der Innenstadt zur vielbefahrenen Konrad-Adenauer-Brücke und zur Industrie der Friedrich-Wilhelms-Hütte. Lärm wird ein entscheidendes Kriterium für weitere Planungen sein, Straßenbahnverkehr auf der Friedrich-Ebert-Straße inklusive. Noch in diesem Jahr will die Stadtverwaltung der Politik aber ihre Idee unterbreiten, wie die Ruhrbania-Baufelder an Investoren gebracht werden sollen.
Ideen hat es in der Vergangenheit en masse gegeben. Eine Ansiedlung der Hochschule Ruhr West scheiterte, ebenso die einer Sparkassen-Akademie. Auch vom Interesse der Easy Software AG war mal die Rede. Die interimsweise in Styrumer Containern untergebrachte Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung zog einen Standort in Duisburg vor. Auch eine Etablierung der Mülheimer VHS oder der jungen Junior Uni ist mal zwischenzeitlich diskutiert worden. Nur: Wie soll eine derart klamme Stadt wie Mülheim so etwas finanzieren?
Ideen für Mülheims Ruhrbania: ein grünes Hochhaus oder Stadthäuser
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Für Schlagzeilen – und einen politischen Verriss – sorgte der jüngst ausgeschiedene Bau- und Planungsdezernent Peter Vermeulen 2017 mit seiner Vision, Investoren für ein weiteres, dann aber nach dem Vorbild des Mailänder Bosco Verticale (= senkrechter Wald) begrüntes Hochhaus in der Innenstadt zu suchen.
Und noch eine Idee ist seinerzeit tief in die Schubladen des Technischen Rathauses geschoben worden: Dortmunder Städtebau-Studierende präsentierten vor zehn Jahren im Auftrag von Mülheimer Stadtplanern ihre Idee von einer „Renaissance der Stadthäuser“. Das Areal rund um AOK- und Gesundheitshaus sollte dafür parzelliert und einzeln vermarktet werden. Individuell gestaltete Wohnbebauung rings um urbane Höfe sollte entstehen, dafür der Ruhrbania-Bebauungsplan von Matthias Pfeifer geändert werden. Äußerst charmant, befand seinerzeit die Politik. Geworden ist daraus bekanntlich auch nichts.
Erd (Grüne): „Politik muss sich an dem Machbaren orientieren“
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Was nun? Auch in der Planungspolitik tut man sich noch schwer, eine zukünftige Nutzung für die Ruhrbania-Baufelder zu skizzieren. Es sei ein anspruchsvolles Unterfangen, stadtplanerisch eine Brücke zu schlagen zwischen der vorhandenen Ruhrpromenade mit seiner Gastronomie sowie Autobrücke und Industrie im Norden, sagt die planungspolitische Sprecherin der Grünen, Brigitte Erd.
Bei der Suche nach Investoren werde es wohl weniger darum gehen, was sich Politik wünsche. „Politik muss sich an dem Machbaren orientieren“, sagt sie, die eine Bildungseinrichtung an dieser Stelle zwar schön fände, aber eben um die Finanzierungsnöte weiß. Womöglich seien Investoren für eine Pflegeeinrichtung eher zu finden. Vielleicht lasse sich auch eine interessante Mischung aus Wohnen und Gewerbe/Büro realisieren. Wenn finanziell tragbar, kann sich Erd auch Verwaltungseinheiten in Neubauten vorstellen. Klar sei für die Grünen: Man wünsche sich an Ort und Stelle eine Radwegverbindung gen Norden, ebenso hohe energetische Baustandards.
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Küsters: CDU ist weiter angetan von der Idee hochwertiger Stadthäuser
CDU-Fraktionsvorsitzende Christina Küsters betont, dass ihre Fraktion nach den Ferien das Thema verstärkt debattieren werde. Die Idee der Stadthäuser sei etwa weiter eine, der die CDU viel abgewinnen könne. Auf jeden Fall wünsche man sich eine hochwertige Bebauung mit viel Grün, vielleicht sei auch etwas Gewerbe vor Ort anzusiedeln. Und es sei „aus alten Fehlern zu lernen“. So sei sich die Frage zu stellen, warum manch eine Ruhrbania-Wohnung in der Vergangenheit lange nicht zu vermieten gewesen sei. „Wir hoffen alle, dass sich jetzt was tut“, ist Küsters nach Jahren des Ruhrbania-Stillstands positiv gestimmt.