Mülheim. 1105 Corona-Fälle in sieben Tagen? Laut Mülheims Krisenstabsleiter Steinfort sind die Zahlen des RKI viel zu gering. Was das für die Stadt heißt.

In den vergangenen sieben Tagen gab es laut Statistik des Robert Koch-Instituts 1105 neue Corona-Fälle in Mülheim, die Sieben-Tage-Inzidenz beträgt nun 646,5. Noch vor einer Woche war von 364 Neuinfektionen innerhalb einer Woche die Rede gewesen und einer Inzidenz von 213 – innerhalb kürzester Zeit also hat sich die Fallzahl verdreifacht, könnte man denken.

Wie genau sich die Situation in der Stadt darstellt, ist diesen Zahlen jedoch nicht verlässlich abzulesen. Laut Dr. Frank Steinfort, Leiter des Mülheimer Krisenstabes, liegt „die wahre Zahl deutlich höher“.

Das Mülheimer Gesundheitsamt, das dem RKI alle Corona-Fälle meldet, erfährt längst nicht mehr von jeder Ansteckung. „Wir haben zwar noch jeden Tag rund 150 Meldungen, doch viele Menschen wenden sich nicht mehr ans Amt, wenn sie positiv getestet wurden.“ Das liege wohl auch daran, dass Covid-19 mittlerweile mehrheitlich „als 08/15-Krankheit“ eingeordnet werde. Viele Menschen seien geimpft und man höre oft, dass es fast ausschließlich milde Verläufe gibt.

Zur Dunkelziffer gebe es verschiedene Vermutungen, so der Mülheimer Stadtdirektor

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Was das Amt nicht weiß, kann es dem RKI nicht melden, so Steinfort. Und so sei eigentlich völlig unklar, wie viele Fälle es in der Stadt aktuell gibt. Zur Dunkelziffer gebe es verschiedene Vermutungen: „Aus der Schweiz habe ich gehört, dass man davon ausgeht, dass es 15-mal so viele Fälle gibt wie bekannt.“ In Deutschland sei eher die Rede „von mindestens doppelt so hohen Zahlen“. Man könne das „kaum mehr einschätzen“. Er glaubt, dass die Meldungen auch deswegen abnehmen, „weil die Todesangst, die es 2020 und auch 2021 noch gab, weg ist“.

Dass man gewissermaßen orientierungslos ist, stört den Krisenstabsleiter nicht: „Das ist aktuell kein Drama.“ Er beobachte einen verantwortungsvollen Umgang der Menschen mit der Krankheit: „Wir glauben, dass die meisten nach dem positiven Test in Quarantäne gehen, zu Hause bleiben, um andere nicht anzustecken.“ Man dürfe Covid-19 trotzdem nicht bagatellisieren: „Es besteht zwar kaum noch Todesgefahr, aber Long Covid ist keine schöne Sache.“ Aus seinem Bekanntenkreis, wo es jüngst einen größeren Corona-Ausbruch gab, wisse er, dass manche Verläufe nicht so harmlos sind wie immer propagiert.

Frank Steinfort, Stadtdirektor in Mülheim und Krisenstabsleiter, setzt darauf, dass sich die Mülheimer auch weiter an Vorsichtsmaßnahmen halten: „Abstand wahren, Hände waschen und lüften“.
Frank Steinfort, Stadtdirektor in Mülheim und Krisenstabsleiter, setzt darauf, dass sich die Mülheimer auch weiter an Vorsichtsmaßnahmen halten: „Abstand wahren, Hände waschen und lüften“. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Frank Steinfort: „Wir müssen uns auf den Corona-Herbst vorbereiten“

Der Stadtdirektor setzt darauf, dass sich die Mülheimer auch weiter an Vorsichtsmaßnahmen halten, „Abstand wahren, Hände waschen und lüften“. Man müsse im Restaurant auch nicht unbedingt eng aufeinander hocken.

Der Krisenstab setzt seine Arbeit fort, tagt nach wie vor alle vier Wochen. Manchmal gibt’s zudem Treffen in kleinerer Besetzung, so Steinfort. „Wir müssen uns auf den Corona-Herbst vorbereiten.“ Erst jüngst habe man sich entschieden, weitere 10.000 Corona-Tests für Verwaltungsmitarbeiter zu bestellen. Es gebe ja noch einige Bereiche, wo täglich Tests erforderlich sind – etwa bei der Feuerwehr. Noch habe man zwar mehrere Tausend Sets vorrätig, „die laufen aber im November ab“. Pro Monat brauche die Verwaltung rund 5000 Stück, bis Ende Januar sei man nun ausgestattet. „Es geht darum, die Infrastruktur der Verwaltung aufrechtzuerhalten.“

Stadtverwaltung hofft, einige befristete Corona-Kräfte übernehmen zu können

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Noch bis Ende September unterstützen sechs vom Bundesverwaltungsamt abgesandte Personen die Stadt bei der Pandemiebekämpfung. Insgesamt wurden zu diesem Zweck 20 Personen befristet eingestellt. „Wir hoffen, dass wir einige von ihnen langfristig an uns binden können.“ Es sei anzunehmen, dass die Herbst- und Wintermonate das Gesundheitsamt erneut vor Herausforderungen stellen.

„Wir setzen darauf, dass es bald einen Impfstoff gegen die Varianten BA.4 und BA.5 geben wird, wissen aber noch nicht, wie die Bevölkerung darauf reagieren wird.“