Mülheim. Über mangelnde Aufträge können sich Handwerker nicht beklagen. Was fehlt, sind Fachkräfte. Daher warten Verbraucher lange auf Handwerker.
Fachkräftemangel und Lieferengpässe waren die vorherrschenden Themen beim traditionellen Treff der Kreishandwerkerschaft Mülheim/Oberhausen. Handwerkszweige wie Dachdecker, Maler und Sanitärbetriebe sprechen unisono von vollen Auftragsbüchern, sind aber gleichzeitig händeringend auf der Suche nach Mitarbeitenden. Wie die Handwerker die Perspektive für die kommende Zeit sehen.
Wohl jeder, der in den vergangenen Wochen einen Handwerker brauchte, musste sich gedulden. Die Betriebe laufen über vor Aufträgen, müssen ihre Kundschaft aber oft auf einen späten Termin vertrösten.„Die Konjunktur im Handwerk läuft gut, wir haben eine hohe Auslastung“, skizzierte Kreishandwerksmeister Jörg Bischoff zum Auftakt der Veranstaltung „Handwerk trifft“, die wieder in Präsenz stattfinden konnte.
Kreishandwerksmeister: „Wir haben so viel Arbeit, dass wir sie nicht schaffen können“
„Wir haben uns vor drei Jahren zuletzt in diesem Rahmen getroffenen und uns damals darüber ausgetauscht, dass wir gerade die Hürden der Datenschutzgrundverordnung genommen haben – nicht wissend, was dann auf uns zukommen sollte“, spannte Kreishandwerksmeister Bischoff den Bogen über die Pandemie-Jahre, die die allermeisten Handwerksunternehmen recht gut überstanden hätten: „Wir haben so viel Arbeit, dass wir sie nicht schaffen können.“
Das größte Problem, so Bischoff, sei nach wie vor der Fachkräftemangel: „Wir wissen seit 20 Jahren, dass weniger aus der Schule kommen und weniger in die Ausbildung gehen.“ Der Nachwuchsbedarf in den Betrieben könne daher nicht ausreichend gedeckt werden. Der Kreishandwerksmeister sieht nur einen Ausweg aus der Misere, deren Leidtragender nicht zuletzt der Verbraucher ist, der enorm lang auf Handwerker warten muss. „Wir müssen mehr für die Ausbildung qualifizieren sowie im Handwerk attraktive Arbeitsplätze mit anständigen Löhnen und guten Sozialleistungen schaffen.“ Klar sei laut Bischoff aber auch: „Wir als Kunden werden das dann bezahlen müssen.“
Um mehr Jugendliche fürs Handwerk zu begeistern, seien die Eltern gefordert
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Zudem leide das Handwerk unter den Unwägbarkeiten des Weltmarktes mit fehlenden Werkstoffen und unterbrochenen Lieferketten. „Lieferschwierigkeiten gibt es aktuell etwa bei Dämmstoffen und Fetten, aber auch bei Nägeln, die zu einer großen Anzahl aus der Ukraine kommen. Fehlt eins davon, kann es mit dem anderen auf den Baustellen nicht weitergehen“, machte der Kreishandwerksmeister deutlich und forderte in Richtung Politik: „Auch zur Bewältigung der Klimakrise brauchen wir Handwerker, denn wer legt sonst die Leitungen?“
Dass es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei, dem Fachkräftemangel im Handwerk zu begegnen, betonte auch Barbara Yeboah, Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft Mülheim/Oberhausen. Ein grundlegendes Problem in Yeboahs Augen: „Vielen Eltern scheint es nicht angemessen, wenn ihre Kinder nur zehn Jahre zur Schule gehen und nicht studieren.“ Dabei sei die Zeit nie günstiger gewesen, um im Handwerk so Fuß zu fassen, sagte die Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft, „dass man den Laden später übernehmen kann“.
Viele Firmen zahlten freiwillig über Tarif, um Mitarbeitende zu bekommen und zu halten. Mit Blick auf die Energiewende, für die Handwerker Gebäude umrüsten müssen, sagte Yeboah: „Wenn jedes Kind, das bei Fridays for Future auf die Straße geht, Handwerker werden würde, wäre viel erreicht.“