Mülheim. Das Studium Generale an der HRW in Mülheim lud zur ersten Präsenz-Veranstaltung seit dem Corona-Lockdown – um dann in den Weltraum zu starten.
Beim Thema des Abends „Weltraum-Tourismus: Reisen und Leben im All?“ entführt Professorin Dr. Carole Leguy im Rahmen des Studium Generale an der Hochschule Ruhr West in Mülheim die gut dreißig konzentriert lauschenden Zuhörer in einen Traum: „Der erste Mensch setzt nach einem einjährigen Flug einen Fuß auf den Mars. Da fällt die Astronautin zu Boden. Warum?“
Aus diesem imaginierten Szenario leitet HRW-Professorin Leguy die Kernfragen eines Weltraumfluges ab: Welche Auswirkungen auf den menschlichen Körper hat ein Aufenthalt im All? Es sind mannigfaltige Probleme, die sich aus der Schwerelosigkeit im Raumschiff ergeben, denn der Mensch verbraucht dort keine Energie, eben weil er sich schwerelos bewegt. Sobald wieder Schwerkraft herrscht wie auf der Erde oder – in gemilderter Form – auf dem Mars, funktionieren diverse körpereigene Fähigkeiten nicht mehr.
Mülheimer Professorin stellt Gefahren für Weltraumreisende dar
Schon Stehen stellt eine immense Herausforderung für den geschwächten Körper dar, wie die Bilder einer gleich zwei Mal ohnmächtig werdenden Astronautin gleich nach ihrer Rückkehr zur Erde beweisen. Das Blut verlagert sich im Stehen nach unten, schießt innerhalb kürzester Zeit in die Beine. Mehr als zwei Minuten zu stehen, ist kaum möglich. Leguy verspricht schmunzelnd: „Am Ende meines Vortrags wollen Sie nicht mehr in den Weltraum. Wir sind für die Erde konzipiert.“
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Bei einem längeren Aufenthalt im All nimmt zum Beispiel der Augeninnendruck zu, können Okularnerven geschädigt werden, was zu Sehschwächen führt: Eine stete Gefahr für Weltraumreisende. So muss Leguy auf Nachfrage auch gestehen, dass mancher Astronaut später eine Brille tragen muss, denn es sind bleibende Schäden. Außerdem nimmt die Knochenmasse in der Schwerelosigkeit schnell ab, lässt Osteoporose die Knochen brüchig werden. Deshalb muss jedes Besatzungsmitglied ein tägliches Training von zweieinhalb Stunden absolvieren – mit etwas anderen Sportgeräten als auf der Erde. Radfahren auf einem Ergometer gehört dazu, allerdings ohne Sattel, der durch die Schwerelosigkeit überflüssig ist. Seitlich angebrachte Griffe sorgen dafür, dass der Körper in der richtigen „Sitzposition“ verbleibt.
Vortrag an HRW in Mülheim beleuchtet, wie Astronauten sich im All fit halten
Auch ein Lauftraining ist fester Bestandteil dieses Trainings. Um jedoch die Muskeln innerhalb der Schwerelosigkeit stärken zu können, laufen die Astronauten auf einem Laufband mit Bungee-Gurt, so dass sie die gesamte Übungseinheit hindurch gegen einen Widerstand ankämpfen müssen, der ansonsten in der Schwerelosigkeit ja wegfällt. „Das geht auch vertikal“, ergötzt sich Leguy. „Sieht lustig aus!“ – was ein Video dann auch beweist. Amüsant, wenn die Astronautin gegen die Wand läuft.
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Permanent werden weitere Experimente für ein vielseitiges Training entwickelt, um das Herz-Kreislauf-System, Muskeln und Knochen zu stärken. Forscher erarbeiteten eine Kurzarm-Zentrifuge, die womöglich zukünftig fester Bestandteil einer Raumkapsel werden könnte, um künstlich eine Schwerkraft zu produzieren und damit das Training noch effektiver zu machen. Darin festgeschnallt, mit dem Kopf im Zentrum, könnte eine Art Sprungtraining, ein reaktiver Sprung, als Gegenmaßnahme die Gefahren eines Weltraumflugs minimieren.
Astronauten verfügen über enorme Sehschärfe und besonders gute Kondition
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Doch Leguy macht bei ihrem Vortrag an der HRW keinen Hehl aus der Tatsache, dass die Frage, ob ein längerer Flug in der Schwerelosigkeit schlecht für den Astronauten, den Menschen ist, derzeit nicht beantwortet werden kann. Einfach, weil zu wenige Erkenntnisse aufgrund von zu wenigen Astronauten vorliegen. Dabei gelte zu beachten, dass diese Astronauten strengstens selektiert werden, immer über „super“ Fähigkeiten verfügten, inklusive Sehschärfe, Kondition, Muskeln und so weiter.
Wie sich ein Weltraumflug auf einen „normalen“ Menschen auswirken könnte, ist derzeit nicht zu beantworten. Gerade deshalb sind alle Experimente einer Raumfahrt-Mission so wichtig. Ein Thema, das nach dem Vortrag erneut aufkommt, speziell aus finanziellen Gründen. Die Experimente hätten alle einen Transfer-Wert, zum Beispiel die Gewinnung von Wasser aus jeder Flüssigkeit, die an Bord entsteht – auch aus Urin!