Mülheim. Als desaströs sind die Zustände in der Ausländerbehörde in Mülheim kritisiert worden. Leiterin Kerstin Kunadt legt die wahren Missstände offen.
Neu sind die langen Schlangen vor der Ausländerbehörde an der Leineweberstraße zwar nicht – viele Gründe hatte die Verwaltung in den vergangenen Jahren dafür angegeben: mal waren es Corona-Beschränkungen, Flüchtlingskrise, Krankheitsausfälle. Stets wurde Besserung versichert, stets galt diese nur vorübergehend. Neu ist daher die nun schonungslose Klarheit, mit der Amtsleiterin Kerstin Kunadt im Bürgerausschuss der Politik die eigentlichen Gründe darlegte.
Denn deutlich wurde, dass mit dem bisherigen Flickwerk an Verbesserungsideen – mehr Digitalisierung, ein Ticket-Wartesystem, andere Räumlichkeiten – das Grundproblem lediglich umgangen wird: Die pauschale Kürzung beim städtischen Personal um mehr als ein Viertel der Stellen.
26 Prozent Personal fehlt in der Mülheimer Ausländerbehörde
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Gerade die Ausländerbehörde sei seit 2020 regelmäßig um 26 Prozent der Stellen unterbesetzt, legte Kunadt dar – und damit noch deutlich stärker als in den übrigen Bereichen der Verwaltung (17,44 Prozent). Die Mitarbeitenden müssten folglich die Arbeit von einem Viertel der ausgefallenen Kollegen übernehmen, klärte die Chefin des Ordnungs- und Ausländeramtes auf, „oder sie bleibt liegen“.
Der Arbeitsaufwand sei aufgrund der vielen individuellen Regelungen hoch, selten ließen sich Fälle standardisiert bearbeiten. Aufgrund des Arbeitsdrucks hätte ein Mitarbeiter nur zehn Minuten Zeit für die Bearbeitung, benötigt aber würden 20 bis 30.
„Wir sind aber selber nicht zufrieden mit den Warteschlangen vor dem Amt“, fügte sie hinzu. Diese sei aber nur ein sichtbares Beispiel für eine tieferliegende, unsichtbare Problemlage in der Verwaltung. Die „Bekämpfung“ der Warteschlange führe daher nicht zur Bekämpfung der Ursachen.
Behörde kämpft mit Krankenstand, Besetzungssperren und dem Ruf
Unter den vielen Gründen für die nicht besetzten Stellen stachen drei besonders hervor: der hohe Krankenstand in der Behörde – 3,78 Prozent der Belegschaft war 2021 länger als 43 Kalendertage krank gemeldet –, die langen Sperren für eine Wiederbesetzung sowie die erfolglosen Versuche, freie Stellen überhaupt besetzen zu können.
Denn offenkundig sei die Stadt als Arbeitgeber für immer weniger Menschen attraktiv. Das fange bei der Bezahlung an, ergänzte Stadtdirektor Frank Steinfort, und ende – seiner Ansicht nach – bei der öffentlichen Darstellung der kommunalen Verwaltung, die die Arbeit für die Stadt unattraktiv erscheinen ließe.
„Wir benötigen zur Linderung der aktuellen Situation und zur Bewältigung der noch vor uns liegenden Herausforderungen des demografischen Wandels und der Digitalisierung jetzt eine erfolgreiche Personalentwicklung, um die Situation mittelfristig zu verbessern“, forderte Kunadt vehement ein. Und damit vor allem finanzielle wie personelle Ressourcen.
Verwaltung kritisiert drastischen Sparplan – Politik kontert
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Stadtdirektor Frank Steinfort konnte zumindest zusagen, dass er bereits einen Plan ausgearbeitet habe, wie man das Personal besser an die Stadt binden könne. Der Vorstellung der Politik, durch die Digitalisierung könne weiteres Personal eingespart werden, erteilte Steinfort hingegen die Absage, „aber sie kann dabei unterstützen, die vorhandene Arbeit zu bewältigen. Wir brauchen dennoch Ressourcen“.
Ganz ohne Kommentar wollte Niels Rose, Sprecher der Grünen im BSO-Ausschuss, die Kritik der Verwaltung am angeblich politisch erzwungenen Personalengpass allerdings nicht stehen lassen. Denn schließlich habe die Politik auf die schlechte Haushaltslage der Stadt reagieren müssen, so Rose. Im Ordnungsamt etwa seien sogar neue Stellen geschaffen worden.
Der Sprecher der Grünen spielte deshalb den Ball zurück ins Feld des Stadtdirektors: Die Verwaltung müsse als Arbeitgeber dafür sorgen, dass zumindest die vorhandenen offenen Stellen schnell nachbesetzt werden. Um den Arbeitsplatz attraktiver zu machen, könnte man befristete Stellen auch entfristen, schlug Rose vor. Axel Hercher (Die Grünen) fragte zudem, ob es helfe, wenn die Sperren bei der Wiederbesetzung für die Ausländerbehörde aufgehoben würden. Kunadt bestätigte das.
Die Verwaltung will nun mit mehr Schwung Maßnahmen ergreifen: Bis September sollen sechs Stellen wieder besetzt werden. Zudem will man unter anderem drei zusätzliche Stellen beantragen und „die Personalbindung forcieren“.
Grüne und CDU wollen Warteschlangen entzerren
Kurzfristig wollen Grüne und CDU für kleinere Warteschlangen sorgen. So könnte ein digitales Ticketsystem dafür sorgen, dass man sich nicht anstellen muss, sondern an einem anderen Ort, an der Promenade oder im Café auf den Aufruf wartet. Solche Systeme würden in der Gastronomie genutzt.
Außerdem – so heißt es in einem Antrag für den BSO-Ausschuss – sollte ausgelotet werden, ob die Menschen in der gegenüberliegenden „vier.zentrale“ warten können, bis ihnen die virtuelle Warteschlange signalisiert, dass sie an der Reihe sind.