Mülheim. Für 2400 Beschäftigte von Vallourec Deutschland steht die Entscheidung über ihre Zukunft an. Wie der Personal-Geschäftsführer die Lage sieht.

Der 18. Mai 2022 wird für rund 2400 Beschäftigte in den deutschen Werken des Stahlrohrproduzenten Vallourec aller Voraussicht nach der Tag X sein, an dem sich entscheidet, ob ihre Arbeitsplätze Zukunft haben. Jetzt äußerte sich auf der Zielgeraden des Prozesses zum angestrebten Verkauf der deutschen Vallourec-Standorte in Mülheim und Düsseldorf Personal-Geschäftsführer Professor Dr. Herbert Schaaff im Gespräch mit dieser Redaktion zum Stand.

In dieser Woche hatten sich Betriebsrat und IG Metall alarmiert gezeigt. Von ursprünglich 38 Kaufinteressenten sind nur drei verblieben – allesamt Finanzinvestoren. Die denn auch noch Geld von Vallourec verlangten, sollten sie die deutschen Werke übernehmen, hieß es. Die Arbeitnehmervertreter befürchten, jene drei Investoren könnten lediglich das Interesse haben, die Betriebe schnellstmöglich abzuwickeln und die Grundstücke – 35 Hektar groß ist jenes in Dümpten – zu Geld für ein dann doch lukratives Re-Invest umzumünzen.

Vallourec-Geschäftsführer: Investoren haben mehr im Blick als Grundstücke

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Im Gespräch mit dieser Redaktion wies Vallourec-Geschäftsführer Schaaff am Donnerstag zurück, dass die drei potenziellen Käufer diese kolportierte Absicht verfolgen; zu Kaufpreishöhen äußerte er sich nicht. „Reine Grundstücksinteressen kann ich ausschließen“, sagte er. Alle drei Interessenten hätten ihrem Übernahmeangebot ein industrielles Konzept zur Weiterführung der Produktion von nahtlosen Stahlrohren beigefügt. Diese Konzepte ließen nicht das Gefühl aufkommen, die Investoren schielten nur auf die Grundstücke.

Zur Qualität der Angebote könne „man sicher unterschiedlicher Meinung sein“, will Schaaff auf diesen Punkt indes aktuell nicht näher eingehen. Am Freitag sollen Vertreter von Gewerkschaft und Betriebsrat die Angebote genauer studieren können. Die Unternehmensleitung selbst habe auch noch „keine finale Einschätzung“ getroffen, so Schaaff.

Entscheidung zu Werken in Mülheim und Düsseldorf fällt nächsten Mittwoch

Er bekräftigte aber, dass alle drei Finanzinvestoren Erfahrung im Industriesektor mitbrächten, sie durch ihr Unternehmensportfolio „wissen, wie Industrie sich anfühlt“. Erklärtes Ziel von Vallourec sei neben einem adäquaten Verkaufspreis und einem industriellen Konzept der Produktionsfortführung auch, dass ein Investor so solide aufgestellt sein sollte, dass er „eigenes Geld mitbringt für Investitionen“. Zur Bewertung werde auch herangezogen, wie gut die potenziellen Investoren in der Vergangenheit im industriellen Geschäft performt hätten, so Schaaff. Beschäftigungsgarantien spielten im Verkaufsprozess indes keine Rolle. Es sei gegebenenfalls Sache der Arbeitnehmerseite, dies zu einem späteren Zeitpunkt mit einem Käufer auszuhandeln.

Die Angebote seien noch in der Prüfung, so Schaaff, der wie IG Metall und Betriebsrat erwartet, dass schon am kommenden Mittwoch in der Pariser Konzernzentrale die Entscheidung fällt, ob jemand der drei potenziellen Käufer den Zuschlag erhält. Dann tagt der Vallourec-Verwaltungsrat, nach französischem Recht zusammengesetzt aus Vertretern des Vorstandes und der Eigentümer, also quasi Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung in einem.

1000 Beschäftigte aus Mülheim und Düsseldorf demonstrieren in Paris

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Für Montag haben IG Metall und Betriebsrat den Protest von über 1000 Mitarbeitern vor der französischen Konzernzentrale angekündigt. Sie wollen Zukunft für die Produktionsstätten in Mülheim und Düsseldorf sehen. Dazu liegt der Vallourec-Chefetage ein Fortführungskonzept unter dem Konzerndach vor, das die Arbeitnehmerseite als Alternative zum Verkauf hat erstellen lassen.

Arbeitsdirektor Schaaff sieht darin ein ambitioniertes Vorhaben, das seit Wochen konzernintern geprüft werde. Grundsätzlich sehe er, dem Konzept entsprechend, durchaus die Möglichkeit, die deutsche Produktion fernab der nach Brasilien abwandernden Tätigkeiten für die Gas- und Ölindustrie zu fokussieren auf Zukunftsmärkte rund um die Themen Wasserstoff, Geothermie, Offshore-Wind und Solar. Allerdings äußert Schaaff auch Bedenken: „Es fehlt bei all der Diskussion darüber noch die Nachfrage.“ Langfristig werde es die Nachfrage sicher geben, das helfe aber nicht bei der Lösung der kurzfristigen Probleme im Vallourec-Konzern, der am Standort seit 2015 bekanntlich 700 Millionen Euro Verlust gemacht hat.

Noch nicht ausgeschlossen: eine Neuausrichtung unter dem Dach von Vallourec

Eine Neuausrichtung innerhalb des Vallourec-Konzerns wollte Schaaff am Donnerstag nicht ausschließen, doch Zweifel daran sind zu vernehmen. Die deutschen Werke müssten in einem solchen Fall „stark schrumpfen“, Anlagen-Bereiche seien stillzulegen. Schaaff betont, dass derzeit nur ein Prozent des deutschen Vallourec-Umsatzes auf den Zukunftsfeldern erzielt werde.

Selbst das Fortführungskonzept der Arbeitnehmerseite gehe – bei einer anvisierten Steigerung auf zehn Prozent des Umsatzes innerhalb der kommenden fünf Jahre – davon aus, dass ein Drittel der heutigen Belegschaft nicht weiterbeschäftigt werden könnte, um das Ergebnis bis 2026 aus der Verlustzone zu hieven. Ob Schaaff einen womöglich viel tiefgreifenderen Stellenabbau für den Fall der Fälle als notwendig erachtet, ließ dieser offen. Er lobte aber die Analyse des Konzeptes („gut“) und sagte, die Geschäftsführung habe zur Erstellung jenes Konzeptes „unseren Beitrag geleistet“. Es gebe „eine Marktchance“ für das Konzept, die aktuelle Nachfrage nach den Produkten der Zukunft lasse aber eben nicht große Euphorie aufkommen.

Letzte Option: Vallourec selbst legt die deutschen Werke still

Drei Szenarien sind laut Schaaff weiterhin möglich: Neben dem Verkauf an einen Investoren oder eine Neuausrichtung unter dem Dach von Vallourec könnte als letzte Option auch stehen, dass Vallourec selbst die zwei Werksstandorte schließt und abwickelt. 2400 Mitarbeiter, die ihren Lebensunterhalt in den Werken verdienen, blicken mit Sorge auf den kommenden Mittwoch.