Mülheim. Über 1200 Beschäftigte aus Mülheim und Düsseldorf fahren zur Vallourec-Zentrale nach Paris – zum letzten Protest vor dem anstehenden Verkauf.

Bei Vallourec wird es ernst und die Existenzangst der Beschäftigten spitzt sich zu: Nächsten Mittwoch wird über den Verkauf der letzten deutschen Werke in Mülheim und Düsseldorf entschieden. Betriebsrat, Gewerkschaft und Spitzenpolitiker fordern vom französischen Stahlrohrproduzenten den Erhalt der beiden Standorte. Es gehe nicht nur darum, Arbeitsplätze zu sichern. Auch die Sorge vor weiterer Abhängigkeit von Russland und China macht sich in der Runde breit. Zu den potenziellen Käufern liegen jetzt einige Details vor.

Zum Hintergrund: Im vergangenen November hatte der international aufgestellte Konzern seine Verkaufsabsicht verlauten lassen. Seitens der Geschäftsführung hieß es: Seit 2015 hätten sich Verluste von mehr als 700 Millionen Euro an den beiden deutschen Standorten aufgetürmt – trotz mehrerer Restrukturierungsprogramme.

Bei den drei Interessenten für Vallourec soll es sich um Finanzinvestoren handeln

Anfänglich gab es 38 Kaufinteressenten. 15 davon haben laut Betriebsrat ein Angebot abgegeben. Sie seien durch die Bank Rothschild und die Wirtschaftsberatung Mazars geprüft worden. Jetzt sind noch drei potenzielle Käufer im Rennen. „Laut CEO gibt es drei Finanzinvestoren, die nur wenig Investitionen tätigen wollen. Nach erster Sichtung sind ihre Angebote wohl nicht vielversprechend“, teilt Ousama Bouarous am Montag mit. Er ist Vorsitzender des Betriebsrates von Vallourec in Mülheim.

Bei den Angeboten soll es sich womöglich um sogenannte Negativ-Angebote handeln – sprich: Die Kaufinteressenten haben zu wenig Geld geboten und der Verkäufer müsste draufzahlen. Der Betriebsrat hat deshalb eine Einsicht in die Unterlagen gefordert. Außerdem hatte er der Geschäftsführung am Montag ein Fortführungskonzept vorgestellt, das durch die Unternehmensberatung Q&A Banner und Küster erstellt worden war. „Der Plan ist sehr gut ausgearbeitet, aber die Geschäftsführung hat nur das Haar in der Suppe gesucht“, so Bouarous.

Betriebsrat von Vallourec und IG Metall beklagen weiterhin Intransparenz

Sowohl der Betriebsrat als auch die Gewerkschaft IG Metall hatten mehrfach das Vorgehen der Geschäftsführung kritisiert. Sie erheben weiterhin den Vorwurf, dass nicht alle Informationen transparent offengelegt werden. Bouarous beklagt: „Wir bekommen hauptsächlich veraltete Informationen und werden vor vollendete Tatsachen gestellt. Wir haben kaum die Möglichkeit, Einwände anzubringen oder mitzugestalten.“

Auch Dirk Horstkamp, Gewerkschaftssekretär der IG Metall unter anderem für Mülheim, sagt: „Es hat zwar immer mal wieder Informationen gegeben. Aber es wäre mehr Transparenz nötig gewesen für einen offenen Verkaufsprozess. Dass es die nicht gab, wurde immer unter dem Deckmantel der Verschwiegenheit erklärt.“ Seine Befürchtung: Finanzinvestoren könnten auf einen Gewinn durch den Verkauf der Grundstücke spekulieren, anstatt die Werke fortzuführen. Vermutet hatte das auch Holger Lorek, der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende von Vallourec. Er geht von einem geheimen „Drehbuch“ aus und befürchtet, dass nur nach außen hin so getan werde, als wolle man die Stahlrohrwerke weiterführen.

Das hatte Vallourec-Arbeitsdirektor Herbert Schaaff im Januar dementiert: „Die Zusammenarbeit mit Gewerkschaft und Betriebsräten verläuft überwiegend konstruktiv, denn uns eint ja das Ziel, einen erfolgreichen Verkauf und somit die Sicherung der Arbeitsplätze zu erreichen.“ Außerdem erklärte eine Unternehmenssprecherin, dass Verschwiegenheitserklärungen mit den Interessenten eine gängige Praxis in solch einem Verkaufsprozess seien. Oberbürgermeister Marc Buchholz und sein Düsseldorfer Amtskollege Stephan Keller hatten damals einen Runden Tisch mit dem Arbeitsdirektor, den Gewerkschaften und Vertretern des NRW-Arbeitsministeriums einberufen, um gemeinsam zu beraten.

Bis zu 1500 Beschäftigte von Vallourec wollen ihre Forderung in Frankreich verdeutlichen

Auch unter den Beschäftigten spitzt sich die Sorge derweil zu, dass die beiden Werke durch einen neuen Investor womöglich geschlossen werden. Insgesamt 2400 Mitarbeiter aus Mülheim und Düsseldorf könnten dann ihren Arbeitsplatz verlieren. Am Sonntag wollen deshalb bis zu 1500 Mitarbeitende aus Mülheim und Düsseldorf nach Paris reisen. Am Montag ist mit französischen Kolleginnen und Kollegen eine Aktion vor der Hauptzentrale von Vallourec geplant. Sie fordern den Erhalt der Werke und die Sicherung ihrer Arbeitsplätze.

Die SPD drückt dafür die Daumen und unterstützt die Forderung. „Macht noch einmal ordentlich Rabatz!“, fordert Thomas Kutschaty, SPD-Spitzenkandidat für die Landtagswahl in NRW. Genau wie Anke Rehlinger, SPD-Ministerpräsidentin des Saarlandes, und Rodion Bakum, Mülheimer Landtagskandidat für die SPD, zeigte er sich jetzt nach einer internen Betriebsführung besorgt. „Wir zittern mit euch und wollen euch politisch unterstützen“, heißt es.

Vallourec-Produkte sind für die Energiewende in Deutschland wichtig

Die SPD sorgt sich um die Abhängigkeit von Weltmächten, sollten die Werke von Vallourec in Mülheim und Düsseldorf schließen. Anke Rehlinger (Ministerpräsidentin Saarland, l.), Thomas Kutschaty (Spitzenkandidat Landtagswahl NRW, m.) und Rodion Bakum (Landtagskandidat Mülheim, r.) mit Betriebsrat und Gewerkschaft IG Metall nach einer internen Betriebsführung.
Die SPD sorgt sich um die Abhängigkeit von Weltmächten, sollten die Werke von Vallourec in Mülheim und Düsseldorf schließen. Anke Rehlinger (Ministerpräsidentin Saarland, l.), Thomas Kutschaty (Spitzenkandidat Landtagswahl NRW, m.) und Rodion Bakum (Landtagskandidat Mülheim, r.) mit Betriebsrat und Gewerkschaft IG Metall nach einer internen Betriebsführung. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Die SPD-Politiker sprechen davon, dass die deutschen Standorte nötig seien, um Deutschland autark zu versorgen. „Wir brauchen die Produkte von Vallourec für die Energiewende in Deutschland. Es wäre schade um die ganze Menge an Auftragspotenzial“, sagt Kutschaty. Auch Rehlinger betont: „Es ist klar, dass im nächsten Quartal nicht direkt Gewinne ausgeschüttet werden. Aber strategisch betrachtet sind die Standorte Zukunftsfelder. Fallen sie weg, müssten wir uns auf die Lieferung von Weltmächten wie China verlassen. Das wollen wir nicht.“

Die SPD sei davon überzeugt, dass das Unternehmen wieder Gewinne ausschütten könne. Es sei eine „blöde Übergangsphase“ und man hoffe auf die Geduld eines Investors. „Die Produkte sind hochattraktiv und werden benötigt, um zum Beispiel Brücken oder Pipelines zu bauen“, erklärt Rodion Bakum. „Wir müssen alles daran setzen, dass die Standorte in Mülheim und Düsseldorf erhalten bleiben.“