Mülheim/Düsseldorf. Über 1000 Beschäftigte von Vallourec, darunter rund 400 aus Mülheim, haben am Montag gegen den Verkauf der beiden NRW-Werke demonstriert.

„Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Zukunft klaut“, schallte es am Montagvormittag durch Düsseldorf-Rath. Einen ähnlichen Spruch haben die Klima-Aktivisten von „Fridays for future“ auf Deutschlands Straßen salonfähig gemacht. Um die Zukunft ging es diesmal auch. Über 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Vallourec demonstrierten für ihr berufliches Überleben.

Am Werkstor zwei an der Mülheimer Schützenstraße war die Stimmung am frühen Montagmorgen angespannt. „Wenn die einmal was beschlossen haben, dann ziehen die das auch durch“, sagte einer, der im Mai seit 22 Jahren für Vallourec arbeitet. Schließlich soll das Dümptener Werk verkauft werden. Die Hoffnung aller liegt nun auf einem neuen Eigentümer. „Ich hoffe, dass sie uns wenigstens an eine deutsche Firma verkaufen und nicht an eine ausländische“, drückte der Arbeitnehmer seine Hoffnung aus.

400 Mülheimer fuhren mit acht Bussen zur Demo

Um ihren Unmut zu bekunden fuhren 400 Mülheimer mit acht Bussen nach Düsseldorf, um mit den dortigen Kollegen für ihre Zukunft zu demonstrieren. Drei Kilometer weit marschierten die Vallourec-Mitarbeiter, Mitglieder von IG Metall und andere Beschäftigte aus der Stahlbranche durch den Stadtteil Rath. „Wir bleiben hier“, skandierten sie, mit gelben Warnwesten, Bannern, Hupen und Trillerpfeifen ausgestattet. Und: „Aufgeben ist keine Option“.

Am Ende der Demo versammelten sich die über 1000 Teilnehmer auf dem Platz vor dem Werk in Düsseldorf-Rath.
Am Ende der Demo versammelten sich die über 1000 Teilnehmer auf dem Platz vor dem Werk in Düsseldorf-Rath. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Neugierig kamen die Anwohner an die Fenster. Wer aus Ausfahrten oder Seitenstraßen abbiegen wollte, hatte erst einmal schlechte Karten. Das galt sogar für die Straßenbahn, die ebenfalls warten musste. „Lasst sie nicht durch, wir wollen ein Zeichen setzen“, rief einer der Demo-Anführer.

Tarifkommission wird am Dienstag gewählt

Zwei Stunden zuvor hatten IG-Metall-Vertreter und der Mülheimer Betriebsrat in einem Pressegespräch das weitere Vorgehen erläutert. „Weit nach vorne gucken wir noch gar nicht“, sagte Gewerkschaftssekretär Dirk Horstkamp. Nächster Schritt sei die Wahl einer Tarifkommission am Dienstag. Diese werde aus etwa 25 Düsseldorfern und 12 bis 15 Personen aus Mülheim bestehen. Anschließend werde auch eine Verhandlungskommission ins Leben gerufen, „um aktiv auf den Arbeitgeber zuzugehen.“ Am Donnerstag soll zudem eine außerordentliche Aufsichtsratssitzung stattfinden.

“Wir bleiben hier!“ und „Aufgeben ist keine Option!“ skandierten die Teilnehmer des Demo-Zuges.
“Wir bleiben hier!“ und „Aufgeben ist keine Option!“ skandierten die Teilnehmer des Demo-Zuges. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Gleichzeitig erstellt die Unternehmensberatung Banner & Küster alternative Szenarien. Viele davon – wie etwa die Spezialisierung auf den rein industriellen Einsatz der nahtlosen Rohre – sind in den Augen der Verantwortlichen aber mit großen Risiken verknüpft. „Sich auf ein Produkt zu spezialisieren hat schon in Reisholz nicht funktioniert“, erinnert Betriebsratschef Andreas Peters an die Schließung des zweiten Düsseldorfer Werks vor einem Jahr.

Deutsche Geschäftsführung will Verkaufsprozess begleiten

„Know-How kann für Käufer interessant sein“

Die Beschäftigten von Vallourec machten am Montag bereits kräftig Werbung in eigener Sache, um sich für potenzielle neue Eigentümer interessant zu machen. „Wir haben gute junge Leute, die Ideen haben und die sich entwickeln können“, meinte etwa der stellvertretende Rather Betriebsratsvorsitzende Vilson Gegic.

„Ihr bekommt eine motivierte Belegschaft, die über die Grenzen geht“, rief Gegic den möglichen Käufern zu. „Wir müssen jetzt gute Partner finden, mit denen wir in Zukunft gemeinsame Sache machen können“, ergänzte IG-Metall-Sekretär Dirk Horstkamp.

Selbst Edouard Guinotte betonte, dass die Entscheidung darauf gefußt habe, „dass das Know-How der Standorte für einen Käufer interessant sein kann.“

Zwar wollen die Verantwortlichen optimistisch bleiben, aber eben auch realistisch. „Natürlich ist die Angst da, dass man es nicht schafft, zu verkaufen“, sagte etwa IG-Metall-Vertrauensmann Steffen-Lutz Wardel. Dass die deutsche Geschäftsführung den Prozess begleiten will, werte man zunächst als gutes Zeichen. Der ganze Prozess, glaubt Dirk Horstkamp, könne aber gut und gerne ein Jahr dauern.

Dies bestätigte später auch Edouard Guinotte, der Verwaltungsratsvorsitzende des französischen Vallourec-Konzerns, der über eine Leinwand nach Düsseldorf zugeschaltet war. Eine Entscheidung werde es nicht vor Ende 2022 geben, sagte Guinotte, der mit Buhrufen bedacht wurde. Der Bildschirm wurde zudem mit einem Ei beworfen.

Während Guinotte-Rede: Ei fliegt auf die Leinwand

„Gefühle dürfen unsere Wirtschaftlichkeit nicht trüben“, sagt Guinotte an die Adresse der über 1000 Demonstrantinnen und Demonstranten. „Wir müssen die Wettbewerbsfähigkeit sicherstellen. Neue Geschäftsmöglichkeiten sind noch begrenzt und unsicher. Es dauert Jahre, bis sie einen rentablen Umfang haben“, meine Guinotte.

Der Verwaltungsratsvorsitzende von Vallourec, Edouard Guinotte, erläuterte per Live-Stream die Gründe für den geplanten Verkauf der beiden Werke in Mülheim und Düsseldorf.
Der Verwaltungsratsvorsitzende von Vallourec, Edouard Guinotte, erläuterte per Live-Stream die Gründe für den geplanten Verkauf der beiden Werke in Mülheim und Düsseldorf. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Das sehen Betriebsrat & Co. freilich anders. „Über erneuerbare Energie predigen wir schon seit Jahren“, sagte etwa Andreas Peters, der sich auf der Bühne noch einmal mächtig in Rage redete. „Ich bin stinksauer, dass man so mit uns umgeht“, meinte er. Sein Düsseldorfer Betriebsratskollege Vilson Gegic schloss mit einem klaren Statement: „Der heutige Tag hat unsere Kampfbereitschaft gezeigt. Wir werden unseren Weg auch ohne Vallourec weitergehen.“

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