Mülheim. Das frühere Winkhaus in Mülheim wirkt wie eine verrammelte Ruine. Doch der Besitzer nennt es immer noch „wunderschön“ und will es nicht aufgeben.
In sehr jungen Jahren, mit 27, kaufte Marco Wanicki das ehemalige Winkhaus. Er schlug bei einer Zwangsversteigerung zu und erwarb für nur 61.000 Euro eine Legende. Das ist jetzt zehneinhalb Jahre her, doch glücklich ist Wanicki mit der Immobilie nicht geworden.
Im Gegenteil: Sie hat ihm nur Ärger eingehandelt, nur Arbeit beschert. Das Haus steht – bis auf zwei Episoden mit kriminellen Eindringlingen – fortwährend leer. Eine Lösung ist weiterhin nicht in Sicht, doch Wanicki, Chef eines Autohauses, hat kürzlich wieder einen neuen Vorstoß bei der Stadt Mülheim unternommen, der er vorwirft, dass sie bislang alle Anläufe gestoppt habe. „Es ist einfach nur traurig.“
Eigentümer schwärmt vom ehemaligen Mülheimer Winkhaus: „Wunderschön“
Er hält an der Hoffnung fest, aus dem Eppinghofer Bruch 108 eines Tages wieder eine ordentliche Adresse zu machen. Er sagt über das angeschlagene Haus: „Das Objekt ist wirklich wunderschön. Ich finde es immer noch richtig gut.“ Dabei hat Wanicki, Jahrgang 1984, die beste Zeit des Winkhauses gar nicht miterlebt. Dafür ist er zu jung. Immerhin: An Schulabschlussfeiern kann er sich noch erinnern, die er als Jugendlicher um die Jahrtausendwende dort erlebte.
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In dem markanten, rot-weißen Eckhaus wieder eine Gastronomie zu eröffnen, war Wanickis ursprüngliche Idee, als er im Oktober 2011 den Kaufvertrag schloss. Dass er nicht selber hinter dem Tresen stehen werde, war von Anfang an klar. Nicht klar war ihm zunächst, dass das Gebäude seitens der Stadt längst als Ruine im Außenbereich eingestuft war, die ihren Bestandsschutz verloren hatte. Dass für jegliche Nutzung nicht nur ein Bauantrag, sondern ein neuer Bebauungsplan vonnöten wäre. Dies wollte Warnicki schon kurz nach dem Kauf mit fachkundiger juristischer Unterstützung in Angriff nehmen. Nennenswert weitergekommen ist er nicht.
Immobilie war schon fast verkauft, für Gastronomie und Catering – Stadt lehnte ab
Er sagt: „Jedes Mal, wenn es in Richtung Finale geht, heißt es bei der Stadt: ,Das machen wir doch nicht.’“ Zuletzt vor gut zwei Jahren: Da wäre Wanicki, wie er berichtet, das schwierige Haus fast losgeworden. „Per Handschlag war es im Januar 2020 schon verkauft.“ Mit seinem Architekten habe der Interessent eine Bauvoranfrage gestellt, für einen Gastronomiebetrieb mit Catering, doch „sofort“ Bescheid von der Stadt Mülheim bekommen, dass dies nicht möglich sei.
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Das leerstehende Gebäude rückt auch immer mal wieder in den Fokus der Mülheimer Politik. Zwei Mal wegen öffentlichkeitsstarker Polizeieinsätze. So wurden Anfang März 2013 sieben Männer und Frauen ohne offiziellen Wohnsitz in Deutschland festgenommen, die sich im Eckhaus tagelang eingenistet, die Räume verwüstet hatten. Wanicki sagt, er habe danach alles sichern müssen, Decken und Fußböden erneuern. Gegenüber dieser Redaktion hatte er seinerzeit erklärt, er würde gerne sanieren und eine Gastronomie einrichten, doch ihm seien die Hände gebunden. Die Stadt habe ihm eine Nutzungsbeschränkung auferlegt, die kaum etwas erlaube – außer vielleicht Abriss und Errichtung einer Grünfläche mit Gartenlaube.
Nur wertloses Gartenland erworben?
Nach diesem schweren Fall von Vandalismus befasste sich im März 2013 auch der Mülheimer Stadtrat mit dem Winkhaus: Bei der Gelegenheit erklärte Bau- und Planungsdezernent Peter Vermeulen, der aktuelle Eigentümer hätte wissen müssen, dass er wertloses Gartenland erwirbt. Die Stadt habe vor der Zwangsversteigerung ausdrücklich auf die bestehenden Nutzungsbeschränkungen hingewiesen. Auch der Verkehrswert der Immobilie – angegeben mit 5000 Euro – signalisiere deutlich, dass dort kein Wohnhaus, keine Kneipe mehr möglich sei.
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Im November 2015 hakte die CDU-Fraktion in der Bezirksvertretung (BV) 1 nach, verwies auf den zunehmenden Verfall des Hauses und Beschwerden von Anwohnern, die den „katastrophalen Zustand“ des Gebäudes bemängelten und eine „Beseitigung dieses Schandflecks“ forderten. Eigentümer Marco Wanicki hatte da schon Abstand genommen von der Idee, eine Gaststätte zu eröffnen. Stattdessen dachte er laut darüber nach, das Haus für die Unterbringung von Flüchtlingen zur Verfügung zu stellen, woraus allerdings auch nichts wurde.
Professionelle Cannabisplantage grünte im Haus
Im Februar 2021 hob die Polizei im ehemaligen Winkhaus eine professionelle Drogenplantage aus, entdeckte rund 3000 Cannabispflanzen, erwischte zwei Männer, die wochenlang im Haus gelebt, die Pflanzen gepflegt, das Stromnetz angezapft hatten. Daraufhin stieß die CDU, diesmal gemeinsam mit den Grünen, das Thema erneut in der BV 1 an. Die Berichte über die Cannabisplantage hätten „Sorgen über die negative Entwicklung dieses Bereiches größer werden lassen“, heißt es im Antrag.
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Der Leiter der Bauaufsicht nahm Stellung: Die Verwaltung habe in den vergangenen Jahren „immer wieder Gespräche mit Interessenten geführt, die das Objekt renovieren und wieder betreiben wollten“. Doch man konnte sich nicht mit dem Eigentümer einigen. Immerhin: „Das Objekt ist gesichert und stellt derzeit keine Gefahr dar.“ Bezirksbürgermeisterin Britta Stalleicken (Grüne) fasst den Verlauf der bisherigen Debatten so zusammen: „Es geht seit Jahren hin und her zwischen der Verwaltung und dem Eigentümer. Es tut sich nichts.“
„Ewig sind irgendwelche Vollidioten da und gehen rein“
Inzwischen präsentiert sich der ehemalige Jugendtreff so abweisend wie möglich. Die Fensterläden sind geschlossen, teils zugenagelt, Erdgeschossfenster zugemauert, die Tür verbrettert, mit Vorhängeschlössern bestückt, der rückwärtige Teil des Geländes hoch umzäunt und laut Beschilderung videoüberwacht. Wanicki will nicht nur Kriminelle abhalten, sondern auch jugendliche Abenteuerlust bremsen, denn ihm ist klar: „So eine Bude verleitet dazu, dort hinzugehen.“ Immer wieder hätten sie alles abgesichert, „ewig sind irgendwelche Vollidioten da und gehen rein“.
Und hinterlassen Unrat in Massen. „Es ist grausam“, sagt Wanicki, „ich weiß nicht, wie viele Containerladungen an Müll ich schon entsorgt habe.“ Bis hin zu einer kompletten Küche, die jemand als Sperrmüll an die Ecke geworfen habe ...
Stadtplanungsamt würde neuen Bebauungsplan „wohlwollend begleiten“
Seit über einem Jahrzehnt ist er als Hausherr nur mit Schadensbegrenzung beschäftigt. Die Position der Stadt hat sich nicht verändert. Stadtsprecher Volker Wiebels erklärte jetzt auf Anfrage dieser Redaktion erneut, das Gebäude habe seinen Bestandsschutz verloren. „Daher muss vor einer Bauantragstellung neues Bauplanungsrecht über einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan geschaffen werden.“ Dazu seien mit dem Eigentümer mehrfach Gespräche geführt worden. „Das Stadtplanungsamt würde ein derartiges Verfahren wohlwollend begleiten“, versichert Wiebels. „Das Verfahren wird von Herrn Wanicki aber derzeit nicht initiiert.“
Haus mit Historie
Das Winkhaus am Eppinghofer Bruch, Ecke Leybankstraße wurde 1931 gebaut.
Während der Nazi-Zeit waren im flachen Anbau des Gebäudes, das dicht an der Bahnstrecke liegt, Zwangsarbeiter untergebracht. Sie mussten für die Reichsbahn die Gleise in Ordnung halten.
Daher gab es vor Jahren aus Kreisen Mülheimer Antifaschisten den Vorschlag, das Winkhaus als ehemaligen Lagerstandort unter Denkmalschutz zu stellen und zu renovieren.
In den achtziger und neunziger Jahren war das Winkhaus eine angesagte Szene- und Jugendkneipe.
Nachdem der frühere Eigentümer 2003 verstorben war und die Erben es ausgeschlagen hatten, wurde das Haus Ende 2009 zum ersten Mal zwangsversteigert und für 110.000 Euro von einem Mann aus Hagen erworben.
Dieser wollte dort ein privates Kampfsport- und Jugendzentrum einrichten, doch das Geld ging ihm aus, und die Tatsache, dass er zeitweise im Winkhaus wohnte, führte zu einem Rechtsstreit mit der Stadt.
Sie ordnete eine erneute Zwangsversteigerung an, da der Besitzer seine Ordnungspflichten nicht erfülle. Im Herbst 2011 erwarb Marco Wanicki, Inhaber eines Mülheimer Autohauses, die Immobilie für 61.000 Euro.
Wanicki widerspricht. Er habe einen befreundeten Makler beauftragt, in Sachen Baugenehmigung Kontakt zur Stadt aufzunehmen. Im Februar habe es erneut ein Gespräch gegeben, nun warte er auf eine Antwort. Auf dieser Basis will er weiter entscheiden. Wenn er sich etwas wünschen dürfte, so Wanicki, würde er das Haus gerne komplett sanieren, den hinteren Bereich teilweise abreißen „und dann vermieten oder verkaufen“.
Der Mülheimer SPD-Fraktion jedenfalls reicht es langsam. Sie will über das Winkhaus in der nächsten BV1-Sitzung am 9. Mai erneut reden – und Druck machen. Sie beantragt: Die Stadt solle den Eigentümer an seine Pflichten erinnern und verlangen, dass er die „Störung des Orts- und Stadtbildes“ behebt. Andernfalls müsse man bauordnungsrechtlich einschreiten, so die SPD. Das Haus verwahrlose immer mehr, „zudem bleibt knapper Boden ohne sinnvolle Nutzung“.