Mülheim. Die Saarnberg Siedlung in Mülheim entstand vor 100 Jahren. Anwohner wollen Garten-, Gebäude-, Grundstücksstrukturen als Kulturlandschaft erhalten.

Vor mehr als 100 Jahren entstehen die Häuser der Saarnberg Siedlung als geschlossenes Ensemble. An den Straßen Am Bühl – in Hufeisenform angelegt – und dem Dennekamp als Querverbindung zum Stallmanns Hof wohnen die Nachbarn. Um die Siedlung mit ihrem einzigartigen Erscheinungsbild als ganze Gartenstadt unveränderlich zu erhalten, soll sie als Kulturlandschaft im Stadtkataster verankert werden. Den entsprechenden Antrag haben Bewohner der Siedlung bei den zuständigen Behörden jetzt gestellt.

„Unsere Siedlung wurde als Gartenstadt geplant und angelegt. Sie eignet sich daher bestens als Kulturlandschaft“, erklärt „Siedler“ Heiko Jähnke. „Mit den Vorbereitungen der Aktivitäten zum 100. Siedlungsgeburtstag sind die Nachbarn enger zusammengerückt. Wir spüren deutlich eine neue Kultur des Zusammenwirkens“, fügt Herbert Laschke hinzu.

Gemeinschaft der Saarnberg Siedler in Mülheim wächst zusammen

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Bei den Vorbereitungstreffen für die Jubiläumsfeste hätten Teilnehmerinnen und Teilnehmer bald mehr als nur Organisatorisches besprochen. Zum Beispiel: Wer hat welche Apfelbäume in seinem Garten? Wer kocht Äpfel ein oder macht daraus Kompott? Wer weiß, wie die Bäume korrekt zu beschneiden sind? Wie gedeihen deine Kohlrabi?

Und es entwickelte sich die Initiative Saarnberg Siedlung, die die Entwicklungen in der Siedlung, des Verkehrs, ebenfalls in den Blick nahmen. Gemeinsam beantragten 250 „Siedler“ ein durchgehendes Tempo 30 am Saarnberg zur Sicherheit der jüngeren Bewohner. Politik und Verwaltung setzen es um. Ein gemeinschaftliches Bepflanzungsprojekt mit heimischen Wildblumen und Infos zu naturnahen Gärten nahe des Pferdedenkmals am Stallmannshof ist ebenso angedacht.

An den Straßen Am Bühl und Dennekamp wird Nachbarschaftshilfe gelebt

„Das und weiteres Wissen möchten wir auf eine breite Basis stellen, die möglichst alle Nachbarn stärkt“, setzt Heiko Jähnke auf wachsendes Mitmachen in einer guten Siedlerkultur. Gegenseitige Hilfe gehöre einfach dazu. „Warum braucht jeder eine Schubkarre, wenn zwei Häuser weiter eine beim Nachbarn steht?“ „Sich gegenseitig zu ergänzen, schafft mehr Vertrautheit“, sagt Herbert Laschke.

Eine Postkarte aus den 1920er/1930er Jahren zeigt die Siedlung auf dem Saarnberg (Am Bühl/Dennekamp). Das Ensemble, insbesondere die Struktur mit den charakteristischen Gärten, ist davon noch erhalten.
Eine Postkarte aus den 1920er/1930er Jahren zeigt die Siedlung auf dem Saarnberg (Am Bühl/Dennekamp). Das Ensemble, insbesondere die Struktur mit den charakteristischen Gärten, ist davon noch erhalten. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Die Saarnberg Siedler möchten in modernerer Form zurück zu den Wurzeln. Die in Mülheim bekannten Architekten Hans Großmann und Arthur Pfeifer hätten die Siedlung vor 100 Jahren als Gartenstadt konzipiert. Wie die Siedlungen Heimaterde oder Papenbusch sehen Laschke und Jähnke auch ihre Nachbarschaft als erhaltenswerte Landmarke.

Erhaltenswerte Kulturlandschaft für Mülheim in den Straßen Am Bühl und Dennekamp

Die langen Parzellen mit Vorgärten und Häusern seien für die Selbstversorgung der Bewohner angelegt. „Genau das ist nun im Ist-Zustand zu schützen“, begründen sie den Antrag. Die Straße Am Bühl bilde ein Hufeisen – das Symbol für Glück. Für die Stadt sei es ein Glück, die Saarnberg Siedlung komplett als Kulturlandschaft zu erhalten, sind sich die Nachbarn sicher.

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Dies schaffe unter den Bewohnern mehr Verbundenheit mit der eigenen Scholle. „Unsere Kinder wachsen mit Obst- und Gemüseanbau hinter den Häusern auf. Sie schätzen diese Lebensqualität, weshalb sie später auch gern das elterliche Anwesen erhalten“, argumentieren Laschke und Jähnke.

Pfeifer und Großmann konzipierten Siedlung bewusst als Gartenstadt

Die aufgelockerte Bebauung, ein Rondell mit Pferdedenkmal, weitläufige Gärten und schmale Straßen seien kulturhistorisch wertvoll und darum erhaltenswürdig. Der ökologische Wert komme noch hinzu. „Alle diese Eigenschaften sind in der Saarnberg Siedlung deutlich zu kennen“, betont Heiko Jähnke. Zumal: Eine Denkmalwürdigkeit der Siedlung ist seit den 1980er Jahren in der städtischen Inventarliste festgehalten.

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Als Vorbild für eine Kulturlandschaft bezeichnen Laschke und Jähnke Doppelwohnhäuser und Reihenhauszeilen der Gartenstadtsiedlung in Karlsruhe – ebenfalls von Arthur Pfeifer und Hans Großmann (1911-15) maßgeblich konzipiert. Diese Siedlung sei heute geschütztes Anschauungsobjekt auf historischen Rundgängen.

Saarnberg Siedler laden zu Rundgängen mit Einblicken und Erläuterungen ein

Solche Erläuterungstouren bietet die Initiative Saarnberg Siedlung nun ebenfalls an. Ursprünglich waren für die Gartensiedlung auf dem Saarnberg einst 120 Häuser geplant. Gestiegene Baukosten zwangen die Architekten jedoch, 1920 auf den kaum erschlossenen Äckern und Wiesen die Bauarbeiten auf 100 abzuspecken. Bis 1929 waren 69 Häuser fertig. Weitere Grundstücke wurden danach nicht mehr bebaut. Parallelen zu heute sind erkennbar – Geschichte wiederholt sich.

Die Mieter und Käufer waren damals fast ausschließlich Stadtmitarbeiter und Beamte. Die Gartenstadtbewegung – Parzellen zur Selbstversorgung direkt hinter dem Wohnhaus – beeinflusste damals den Siedlungsbau. Weitaus großflächiger und mit großen Herrenhäusern existiert eine ebenfalls nie vollendete Gartenstadtsiedlung im Uhlenhorst.

Wildpferdedenkmal wird geputzt

Mitglieder des Stammtisches „Aul Ssaan“ sind ebenfalls in der Saarnbergsiedlung aktiv. Sie treffen sich etwa am kommenden Samstag, 7. Mai, am Stallmannshof.

Mit Putz-Utensilien kommen sie um 16 Uhr zusammen, um das Wildpferdedenkmal zu säubern. Sie bringen auch Zahnbürsten mit, um auch die kleinen Ecken vom Schmutz zu befreien.

Die Saarnbergsiedler bedanken sich für diesen Einsatz. Einige wollen sich der Putzaktion an der steinernen Skulptur anschließen oder sie mit einer Spende unterstützen. Das sei ein weiterer Schritt, die Nachbarschaftshilfe auszuweiten, heißt es.